daß der Staat selbst durch eine entsprechende Mitwirkung der Ortspolizeibehörden und der höheren Verwaltungsbehörden für eine wirksame Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen sorgt. Gerade hier setzt aber die Kritik ein; man befürchtet mancherseits eine Beschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und möchte die Gemeinden am liebsten mit der selbstherrlichen Regelung des Wohnungswesens betraut wissen. An diesen Bedenken ist ja auch schon der Entwurf von 1904 gescheitert. Die Gemeinden haben aber das in sie gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt. Mit ganz wenig Ausnahmen sind irgendwelche durchgreifende Maßregeln zur Abstellung der Mißstände im Wohnungswesen nicht getroffen worden. Das kann bei dem Übergewicht, welches der städtische Grundbesitz in den Stadtverwaltungen ausübt, nicht wundernehmen. Aus der bekannten Fehde zwischen der Gemeindeverwaltung in Spandau und Professor Eberstadt ist zu ersehen, wie sich die Auffassungen gewisser Kommunalpolitiker und der Vorkämpfer der Wohnungsreform völlig unvereinbar gegenüberstehen. Hier muß von Staats wegen eingeschritten werden, wenn etwas Ersprießliches dabei herauskommen soll. Der Entwurf sucht nun die Abhilfe dadurch zu schaffen, daß er durch Abänderung des Fluchtliniengesetzes und durch Ausdehnung der sogenannten lex Adickes auf die ganze Monarchie für die Bereitstellung billigen und ausreichenden Baugeländes Bedacht nimmt. Sodann wird durch entsprechende Vorschriften für die Bauordnungen dafür Sorge getragen, daß Erleichterungen für den Wohnungsbau Platz greifen und das System der Miets¬ kasernen durch den Flachbau verdrängt wird. Die Benutzung der Wohnungen wird durch obligatorische Wohnungsordnungen in den größeren Gemeinden und durch die Wohnungsaufsicht geregelt. In den Wohnungsordnungen und der Wohnungsaufsicht liegt zunächst der Schwerpunkt des Gesetzes. Nur eine strenge und gewissenhafte Kontrolle wird die Mißstände, welche mit den unhygienischen, überfüllten Wohnungen, mit dem Schlafgängerwesen und der Heimarbeit ver¬ bunden sind, allmählich zu beseitigen vermögen. Eine umfassende Regelung des Wohnungswesens bietet der Entwurf somit nicht. Gehört dazu doch manches, was Gegenstand gesetzlicher Regelung überhaupt nicht sein kann, sondern der Initiative der Verwaltung oder der Privaten überlassen bleiben muß, wie die so ungemein wichtige Frage des Vorortverkehrs und der Schnell¬ bahnen in den Großstädten. Andere gesetzliche Eingriffe, die an sich erwünscht wären, wie eine Reform des Hypothekenrechts und eine Ausgestaltung des Erbbaurechts bedingen eine Abänderung des bürgerlichen Rechts und find daher Neichssache. Sie bedürfen zudem so gründlicher Erwägung, daß sie nicht ohne sorgfältige Vorarbeiten und statistische Unterlagen in Angriff genommen werden können. Mag man mit diesen weitreichenden Mitteln warten; die Hauptsache ist, daß den Mängeln da energisch gesteuert wird, wo es ohne spectator langes Überlegen möglich ist.
Politik und Wirtschaft
daß der Staat selbst durch eine entsprechende Mitwirkung der Ortspolizeibehörden und der höheren Verwaltungsbehörden für eine wirksame Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen sorgt. Gerade hier setzt aber die Kritik ein; man befürchtet mancherseits eine Beschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und möchte die Gemeinden am liebsten mit der selbstherrlichen Regelung des Wohnungswesens betraut wissen. An diesen Bedenken ist ja auch schon der Entwurf von 1904 gescheitert. Die Gemeinden haben aber das in sie gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt. Mit ganz wenig Ausnahmen sind irgendwelche durchgreifende Maßregeln zur Abstellung der Mißstände im Wohnungswesen nicht getroffen worden. Das kann bei dem Übergewicht, welches der städtische Grundbesitz in den Stadtverwaltungen ausübt, nicht wundernehmen. Aus der bekannten Fehde zwischen der Gemeindeverwaltung in Spandau und Professor Eberstadt ist zu ersehen, wie sich die Auffassungen gewisser Kommunalpolitiker und der Vorkämpfer der Wohnungsreform völlig unvereinbar gegenüberstehen. Hier muß von Staats wegen eingeschritten werden, wenn etwas Ersprießliches dabei herauskommen soll. Der Entwurf sucht nun die Abhilfe dadurch zu schaffen, daß er durch Abänderung des Fluchtliniengesetzes und durch Ausdehnung der sogenannten lex Adickes auf die ganze Monarchie für die Bereitstellung billigen und ausreichenden Baugeländes Bedacht nimmt. Sodann wird durch entsprechende Vorschriften für die Bauordnungen dafür Sorge getragen, daß Erleichterungen für den Wohnungsbau Platz greifen und das System der Miets¬ kasernen durch den Flachbau verdrängt wird. Die Benutzung der Wohnungen wird durch obligatorische Wohnungsordnungen in den größeren Gemeinden und durch die Wohnungsaufsicht geregelt. In den Wohnungsordnungen und der Wohnungsaufsicht liegt zunächst der Schwerpunkt des Gesetzes. Nur eine strenge und gewissenhafte Kontrolle wird die Mißstände, welche mit den unhygienischen, überfüllten Wohnungen, mit dem Schlafgängerwesen und der Heimarbeit ver¬ bunden sind, allmählich zu beseitigen vermögen. Eine umfassende Regelung des Wohnungswesens bietet der Entwurf somit nicht. Gehört dazu doch manches, was Gegenstand gesetzlicher Regelung überhaupt nicht sein kann, sondern der Initiative der Verwaltung oder der Privaten überlassen bleiben muß, wie die so ungemein wichtige Frage des Vorortverkehrs und der Schnell¬ bahnen in den Großstädten. Andere gesetzliche Eingriffe, die an sich erwünscht wären, wie eine Reform des Hypothekenrechts und eine Ausgestaltung des Erbbaurechts bedingen eine Abänderung des bürgerlichen Rechts und find daher Neichssache. Sie bedürfen zudem so gründlicher Erwägung, daß sie nicht ohne sorgfältige Vorarbeiten und statistische Unterlagen in Angriff genommen werden können. Mag man mit diesen weitreichenden Mitteln warten; die Hauptsache ist, daß den Mängeln da energisch gesteuert wird, wo es ohne spectator langes Überlegen möglich ist.
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Politik und Wirtschaft
daß der Staat selbst durch eine entsprechende Mitwirkung der Ortspolizeibehörden
und der höheren Verwaltungsbehörden für eine wirksame Durchführung der
gesetzlichen Bestimmungen sorgt. Gerade hier setzt aber die Kritik ein; man
befürchtet mancherseits eine Beschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und
möchte die Gemeinden am liebsten mit der selbstherrlichen Regelung des
Wohnungswesens betraut wissen. An diesen Bedenken ist ja auch schon der
Entwurf von 1904 gescheitert. Die Gemeinden haben aber das in sie gesetzte
Vertrauen nicht gerechtfertigt. Mit ganz wenig Ausnahmen sind irgendwelche
durchgreifende Maßregeln zur Abstellung der Mißstände im Wohnungswesen
nicht getroffen worden. Das kann bei dem Übergewicht, welches der städtische
Grundbesitz in den Stadtverwaltungen ausübt, nicht wundernehmen. Aus der
bekannten Fehde zwischen der Gemeindeverwaltung in Spandau und Professor
Eberstadt ist zu ersehen, wie sich die Auffassungen gewisser Kommunalpolitiker
und der Vorkämpfer der Wohnungsreform völlig unvereinbar gegenüberstehen.
Hier muß von Staats wegen eingeschritten werden, wenn etwas Ersprießliches
dabei herauskommen soll. Der Entwurf sucht nun die Abhilfe dadurch zu
schaffen, daß er durch Abänderung des Fluchtliniengesetzes und durch Ausdehnung
der sogenannten lex Adickes auf die ganze Monarchie für die Bereitstellung
billigen und ausreichenden Baugeländes Bedacht nimmt. Sodann wird durch
entsprechende Vorschriften für die Bauordnungen dafür Sorge getragen, daß
Erleichterungen für den Wohnungsbau Platz greifen und das System der Miets¬
kasernen durch den Flachbau verdrängt wird. Die Benutzung der Wohnungen
wird durch obligatorische Wohnungsordnungen in den größeren Gemeinden und
durch die Wohnungsaufsicht geregelt. In den Wohnungsordnungen und der
Wohnungsaufsicht liegt zunächst der Schwerpunkt des Gesetzes. Nur eine strenge
und gewissenhafte Kontrolle wird die Mißstände, welche mit den unhygienischen,
überfüllten Wohnungen, mit dem Schlafgängerwesen und der Heimarbeit ver¬
bunden sind, allmählich zu beseitigen vermögen. Eine umfassende Regelung
des Wohnungswesens bietet der Entwurf somit nicht. Gehört dazu doch
manches, was Gegenstand gesetzlicher Regelung überhaupt nicht sein kann,
sondern der Initiative der Verwaltung oder der Privaten überlassen bleiben
muß, wie die so ungemein wichtige Frage des Vorortverkehrs und der Schnell¬
bahnen in den Großstädten. Andere gesetzliche Eingriffe, die an sich
erwünscht wären, wie eine Reform des Hypothekenrechts und eine Ausgestaltung
des Erbbaurechts bedingen eine Abänderung des bürgerlichen Rechts und find
daher Neichssache. Sie bedürfen zudem so gründlicher Erwägung, daß sie nicht
ohne sorgfältige Vorarbeiten und statistische Unterlagen in Angriff genommen
werden können. Mag man mit diesen weitreichenden Mitteln warten; die
Hauptsache ist, daß den Mängeln da energisch gesteuert wird, wo es ohne
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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/300>, abgerufen am 30.12.2024.
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