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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und die Erschließung Chinas

fischen Bergbaus sein wird.'") -- Endlich ein drittes. Wir bedürfen eines
zweiten Handelssachverständigen für China. Es ist durchaus zweckmäßig, daß
heute der einzige Handelssachverständige des Reiches in China seinen Sitz in
Schanghai hat und es ist vor allem zu begrüßen, daß dieser deutsche Vertreter
anerkanntermaßen ein ausgezeichneter Kenner der Verhältnisse seines Sitzes ist.
Unerfreulich dagegen ist dieses: nach einem Bericht eines Spezialkorrespondenten
der Frankfurter Zeitung (Ur. 263 vom 22. September 1912) soll der Schanz-
haier Sachverständige bisher während seiner dreijährigen Amtszeit nicht in der
Lage gewesen sein, auch nur eine einzige Informationsreise in das Innere, in
andere Häfen und Plätze zu machen. Die Verantwortung für diese Mitteilung
muß dem Korrespondenten überlassen bleiben. Aber selbst, wenn die Nachricht
nicht zutreffen sollte -- zu welcher Annahme meines Erachtens kein Grund
vorliegt -- so ist und bleibt es doch ein Unding, daß das Deutsche Reich für
ganz China nur einen einzigen Handelssachverständigen hat. Mag dieser eine
noch so tüchtig sein, so ist er doch zweifellos nicht in der Lage, seine Tätigkeit
auf ganz China oder selbst nur auf diejenigen Teile des Landes auszudehnen,
in denen deutsche Kaufleute, Industrielle und Kapitalisten große kommerzielle
Interessen haben. Ein Handelssachverständiger darf nicht jahrelang am grünen
Tisch sitzen, er muß reisen, muß Land und Leute und die wirtschaftlichen Zustände
aus eigener Anschauung kennen lernen, wenn er die ihm gestellten Aufgaben
erfüllen soll. Wie die Tatsachen lehren, ist das bei einem einzigen Handels¬
sachverständigen für China undurchführbar, woraus allein sich die Notwendig¬
keit der Berufung eines zweiten ergibt. Nach Lage der Dinge würde er in
dem mehr erwähnten zukunftsreichen Süden, d. h. nach Kanton entsendet werden
müssen. -- Zwei Generalkonsuls, zwei Konsule, ein Handelssachverständiger
wäre das nächste, was zu fordern ist. In Anbetracht des Umstandes, daß es
sich bei den zu schaffenden Generalkonsulaten in Kanton und Tientsin um die
Umwandlung bestehender Konsulate handelt, würden zur Erfüllung dieser For¬
derung rund 150000 M. jährlich aufgewendet werden müssen -- ein Betrag,
gering genug um ihn möglichst bald zu bewilligen.

Ich glaube diesen Aufsatz nicht besser schließen zu können, als mit der
Wiedergabe einiger Sätze, die kürzlich Geheimrat Witting in der staatswissen¬
schaftlicher Vereinigung zu Köln sprach: "Für politische und kommerzielle
Information großen Stils, für deutsches Schul- und Studienwesen im Ausland,
für die Auslandspresse und für das so unendlich wichtige Missionswesen
müssen weit größere Opfer gebracht werden als bisher. Die großzügige Art,
in der unsere Großhandelskreise stets für Not und Elend, für Gemeinnütziges,
für Kunst, Wissenschaft und Technik hilfreich eintreten, muß sich auch auf die
politischen Aufgaben ausdehnen. . . . Von den Briten vor allem sollten wir



Vergl. den Bericht des kaiserl. Konsuls in Kanton über: "Die Provinz Uünncm
und ihre Entwicklungsmöglichkeiten" im Band 16 der vom Reichsamt des Innern heraus¬
gegebenen "Berichte für Handel und Industrie".
Deutschland und die Erschließung Chinas

fischen Bergbaus sein wird.'") — Endlich ein drittes. Wir bedürfen eines
zweiten Handelssachverständigen für China. Es ist durchaus zweckmäßig, daß
heute der einzige Handelssachverständige des Reiches in China seinen Sitz in
Schanghai hat und es ist vor allem zu begrüßen, daß dieser deutsche Vertreter
anerkanntermaßen ein ausgezeichneter Kenner der Verhältnisse seines Sitzes ist.
Unerfreulich dagegen ist dieses: nach einem Bericht eines Spezialkorrespondenten
der Frankfurter Zeitung (Ur. 263 vom 22. September 1912) soll der Schanz-
haier Sachverständige bisher während seiner dreijährigen Amtszeit nicht in der
Lage gewesen sein, auch nur eine einzige Informationsreise in das Innere, in
andere Häfen und Plätze zu machen. Die Verantwortung für diese Mitteilung
muß dem Korrespondenten überlassen bleiben. Aber selbst, wenn die Nachricht
nicht zutreffen sollte — zu welcher Annahme meines Erachtens kein Grund
vorliegt — so ist und bleibt es doch ein Unding, daß das Deutsche Reich für
ganz China nur einen einzigen Handelssachverständigen hat. Mag dieser eine
noch so tüchtig sein, so ist er doch zweifellos nicht in der Lage, seine Tätigkeit
auf ganz China oder selbst nur auf diejenigen Teile des Landes auszudehnen,
in denen deutsche Kaufleute, Industrielle und Kapitalisten große kommerzielle
Interessen haben. Ein Handelssachverständiger darf nicht jahrelang am grünen
Tisch sitzen, er muß reisen, muß Land und Leute und die wirtschaftlichen Zustände
aus eigener Anschauung kennen lernen, wenn er die ihm gestellten Aufgaben
erfüllen soll. Wie die Tatsachen lehren, ist das bei einem einzigen Handels¬
sachverständigen für China undurchführbar, woraus allein sich die Notwendig¬
keit der Berufung eines zweiten ergibt. Nach Lage der Dinge würde er in
dem mehr erwähnten zukunftsreichen Süden, d. h. nach Kanton entsendet werden
müssen. — Zwei Generalkonsuls, zwei Konsule, ein Handelssachverständiger
wäre das nächste, was zu fordern ist. In Anbetracht des Umstandes, daß es
sich bei den zu schaffenden Generalkonsulaten in Kanton und Tientsin um die
Umwandlung bestehender Konsulate handelt, würden zur Erfüllung dieser For¬
derung rund 150000 M. jährlich aufgewendet werden müssen — ein Betrag,
gering genug um ihn möglichst bald zu bewilligen.

Ich glaube diesen Aufsatz nicht besser schließen zu können, als mit der
Wiedergabe einiger Sätze, die kürzlich Geheimrat Witting in der staatswissen¬
schaftlicher Vereinigung zu Köln sprach: „Für politische und kommerzielle
Information großen Stils, für deutsches Schul- und Studienwesen im Ausland,
für die Auslandspresse und für das so unendlich wichtige Missionswesen
müssen weit größere Opfer gebracht werden als bisher. Die großzügige Art,
in der unsere Großhandelskreise stets für Not und Elend, für Gemeinnütziges,
für Kunst, Wissenschaft und Technik hilfreich eintreten, muß sich auch auf die
politischen Aufgaben ausdehnen. . . . Von den Briten vor allem sollten wir



Vergl. den Bericht des kaiserl. Konsuls in Kanton über: „Die Provinz Uünncm
und ihre Entwicklungsmöglichkeiten" im Band 16 der vom Reichsamt des Innern heraus¬
gegebenen „Berichte für Handel und Industrie".
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/238>, abgerufen am 29.06.2024.