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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und die Erschließung Chinas

unserer konsularischen Vertretung halte ich doch für dringend geboten. Zunächst
sind zum mindesten zwei neue Generalkonsulate zu schaffen, von denen das
eine seinen Sitz in Tientsin, das andere seinen Sitz in Kanton haben müßte.
Heute, wo wir nur ein Generalkonsulat in China haben, ist gewiß Schanghai
die denkbar beste Residenz, da es das Haupteinfallstor nach China und ungefähr
in der Mitte der ganzen chinesischen Küste gelegen ist. Aber es darf nicht
unbeachtet bleiben, daß Schanghais Bedeutung so groß sie ist, doch nicht mehr
so ausschlaggebend ist wie früher, daß es mehr und mehr zum Umschlagshafen
wird, während die eigentlichen Geschäfte im Hinterkante, im Innern abgeschlossen
werden. Neben Schanghai treten neue große Handels- und Industriestädte im
Norden wie im Süden in den Vordergrund. Vor allem gilt das von Kanton
mit seinen 1^ Millionen Einwohnern; es ist schon heute einer der wichtigsten
Plätze ganz Chinas; gegen eintausendfünfhundert Ausländer, von denen ein
erheblicher Prozentsatz Deutsche sind, halten sich in ihm auf. und am Einfuhr-
und Ausfuhrhandel Kantons haben die Deutschen einen erheblichen Anteil.
Aber sehen wir ganz ab von der heutigen Bedeutung Kantons. Entscheidend
ist, daß der chinesische Süden, und in ihm gerade Kanton, mit seiner ungeheuren
und fleißigen Bevölkerung der Träger des wirtschaftlichen Fortschritts sein wird.
Daß wir in dem zukunftsreichen Süden durch einen Generalkonsul vertreten
seien, ist gewiß keine unbillige Forderung. Der Entschluß, diese Forderung zu
erfüllen, dürfte den gesetzgebenden Körperschaften um so leichter fallen, als wir
in Kanton ein Konsulatsgebäude besitzen, das auch als Dienstwohnung eines
Generalkonsuls nichts zu wünschen übrig lassen würde. Vielleicht weniger
wichtig als die Schaffung eines Generalkonsulats im Süden, ist die Umwand¬
lung des Konsulats in Tientsin in ein solches, da wir im nicht allzu entfernten
Tfingtau eine deutsche Verwaltung und durch unsere Arbeiten im Pachtgebiet
und der Provinz Schankung einen gewissen Einfluß im Norden Chinas ge¬
wonnen haben. Trotzdem glaube ich aber doch, daß gerade unsere vielseitigen
Interessen im nördlichen China es angezeigt erscheinen lassen, auch dort ein
Generalkonsulat mit dem Sitz in dem volkreichen Tientsin zu errichten. -- Mit
der Errichtung zweier neuer Generalkonsulate darf es jedoch nicht sein Bewenden
haben. Wir bedürfen auch einiger neuer Konsulate. In erster Linie in
Tschangscha (Provinz Hunan), wo es große deutsche Interessen zu wahren gilt.
Der Umfang, der am Siang von deutschen Kaufleuten getätigten Geschäfte, ist
bei weitem größer als der Umfang der englischen Geschäfte. England unter¬
hält dort einen Konsul, wir nicht, obwohl ein solcher von den Deutschen in
Tschangscha dringend gewünscht wird. Ein weiteres Konsulat wäre in Mnnanfu,
wo England durch einen Generalkonsul, Deutschland überhaupt nicht vertreten
ist. zu errichten. Man braucht sich gewiß keinen übertriebenen Hoffnungen
hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten der Provinz Milman hinzugeben und
wird doch davon überzeugt sein müssen, daß diese Mineral- und wasserkraft¬
reiche Provinz einmal ein Zentrum der chinestsichen Industrie und des chine-


Deutschland und die Erschließung Chinas

unserer konsularischen Vertretung halte ich doch für dringend geboten. Zunächst
sind zum mindesten zwei neue Generalkonsulate zu schaffen, von denen das
eine seinen Sitz in Tientsin, das andere seinen Sitz in Kanton haben müßte.
Heute, wo wir nur ein Generalkonsulat in China haben, ist gewiß Schanghai
die denkbar beste Residenz, da es das Haupteinfallstor nach China und ungefähr
in der Mitte der ganzen chinesischen Küste gelegen ist. Aber es darf nicht
unbeachtet bleiben, daß Schanghais Bedeutung so groß sie ist, doch nicht mehr
so ausschlaggebend ist wie früher, daß es mehr und mehr zum Umschlagshafen
wird, während die eigentlichen Geschäfte im Hinterkante, im Innern abgeschlossen
werden. Neben Schanghai treten neue große Handels- und Industriestädte im
Norden wie im Süden in den Vordergrund. Vor allem gilt das von Kanton
mit seinen 1^ Millionen Einwohnern; es ist schon heute einer der wichtigsten
Plätze ganz Chinas; gegen eintausendfünfhundert Ausländer, von denen ein
erheblicher Prozentsatz Deutsche sind, halten sich in ihm auf. und am Einfuhr-
und Ausfuhrhandel Kantons haben die Deutschen einen erheblichen Anteil.
Aber sehen wir ganz ab von der heutigen Bedeutung Kantons. Entscheidend
ist, daß der chinesische Süden, und in ihm gerade Kanton, mit seiner ungeheuren
und fleißigen Bevölkerung der Träger des wirtschaftlichen Fortschritts sein wird.
Daß wir in dem zukunftsreichen Süden durch einen Generalkonsul vertreten
seien, ist gewiß keine unbillige Forderung. Der Entschluß, diese Forderung zu
erfüllen, dürfte den gesetzgebenden Körperschaften um so leichter fallen, als wir
in Kanton ein Konsulatsgebäude besitzen, das auch als Dienstwohnung eines
Generalkonsuls nichts zu wünschen übrig lassen würde. Vielleicht weniger
wichtig als die Schaffung eines Generalkonsulats im Süden, ist die Umwand¬
lung des Konsulats in Tientsin in ein solches, da wir im nicht allzu entfernten
Tfingtau eine deutsche Verwaltung und durch unsere Arbeiten im Pachtgebiet
und der Provinz Schankung einen gewissen Einfluß im Norden Chinas ge¬
wonnen haben. Trotzdem glaube ich aber doch, daß gerade unsere vielseitigen
Interessen im nördlichen China es angezeigt erscheinen lassen, auch dort ein
Generalkonsulat mit dem Sitz in dem volkreichen Tientsin zu errichten. — Mit
der Errichtung zweier neuer Generalkonsulate darf es jedoch nicht sein Bewenden
haben. Wir bedürfen auch einiger neuer Konsulate. In erster Linie in
Tschangscha (Provinz Hunan), wo es große deutsche Interessen zu wahren gilt.
Der Umfang, der am Siang von deutschen Kaufleuten getätigten Geschäfte, ist
bei weitem größer als der Umfang der englischen Geschäfte. England unter¬
hält dort einen Konsul, wir nicht, obwohl ein solcher von den Deutschen in
Tschangscha dringend gewünscht wird. Ein weiteres Konsulat wäre in Mnnanfu,
wo England durch einen Generalkonsul, Deutschland überhaupt nicht vertreten
ist. zu errichten. Man braucht sich gewiß keinen übertriebenen Hoffnungen
hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten der Provinz Milman hinzugeben und
wird doch davon überzeugt sein müssen, daß diese Mineral- und wasserkraft¬
reiche Provinz einmal ein Zentrum der chinestsichen Industrie und des chine-


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[0237] Deutschland und die Erschließung Chinas unserer konsularischen Vertretung halte ich doch für dringend geboten. Zunächst sind zum mindesten zwei neue Generalkonsulate zu schaffen, von denen das eine seinen Sitz in Tientsin, das andere seinen Sitz in Kanton haben müßte. Heute, wo wir nur ein Generalkonsulat in China haben, ist gewiß Schanghai die denkbar beste Residenz, da es das Haupteinfallstor nach China und ungefähr in der Mitte der ganzen chinesischen Küste gelegen ist. Aber es darf nicht unbeachtet bleiben, daß Schanghais Bedeutung so groß sie ist, doch nicht mehr so ausschlaggebend ist wie früher, daß es mehr und mehr zum Umschlagshafen wird, während die eigentlichen Geschäfte im Hinterkante, im Innern abgeschlossen werden. Neben Schanghai treten neue große Handels- und Industriestädte im Norden wie im Süden in den Vordergrund. Vor allem gilt das von Kanton mit seinen 1^ Millionen Einwohnern; es ist schon heute einer der wichtigsten Plätze ganz Chinas; gegen eintausendfünfhundert Ausländer, von denen ein erheblicher Prozentsatz Deutsche sind, halten sich in ihm auf. und am Einfuhr- und Ausfuhrhandel Kantons haben die Deutschen einen erheblichen Anteil. Aber sehen wir ganz ab von der heutigen Bedeutung Kantons. Entscheidend ist, daß der chinesische Süden, und in ihm gerade Kanton, mit seiner ungeheuren und fleißigen Bevölkerung der Träger des wirtschaftlichen Fortschritts sein wird. Daß wir in dem zukunftsreichen Süden durch einen Generalkonsul vertreten seien, ist gewiß keine unbillige Forderung. Der Entschluß, diese Forderung zu erfüllen, dürfte den gesetzgebenden Körperschaften um so leichter fallen, als wir in Kanton ein Konsulatsgebäude besitzen, das auch als Dienstwohnung eines Generalkonsuls nichts zu wünschen übrig lassen würde. Vielleicht weniger wichtig als die Schaffung eines Generalkonsulats im Süden, ist die Umwand¬ lung des Konsulats in Tientsin in ein solches, da wir im nicht allzu entfernten Tfingtau eine deutsche Verwaltung und durch unsere Arbeiten im Pachtgebiet und der Provinz Schankung einen gewissen Einfluß im Norden Chinas ge¬ wonnen haben. Trotzdem glaube ich aber doch, daß gerade unsere vielseitigen Interessen im nördlichen China es angezeigt erscheinen lassen, auch dort ein Generalkonsulat mit dem Sitz in dem volkreichen Tientsin zu errichten. — Mit der Errichtung zweier neuer Generalkonsulate darf es jedoch nicht sein Bewenden haben. Wir bedürfen auch einiger neuer Konsulate. In erster Linie in Tschangscha (Provinz Hunan), wo es große deutsche Interessen zu wahren gilt. Der Umfang, der am Siang von deutschen Kaufleuten getätigten Geschäfte, ist bei weitem größer als der Umfang der englischen Geschäfte. England unter¬ hält dort einen Konsul, wir nicht, obwohl ein solcher von den Deutschen in Tschangscha dringend gewünscht wird. Ein weiteres Konsulat wäre in Mnnanfu, wo England durch einen Generalkonsul, Deutschland überhaupt nicht vertreten ist. zu errichten. Man braucht sich gewiß keinen übertriebenen Hoffnungen hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten der Provinz Milman hinzugeben und wird doch davon überzeugt sein müssen, daß diese Mineral- und wasserkraft¬ reiche Provinz einmal ein Zentrum der chinestsichen Industrie und des chine-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/237>, abgerufen am 01.07.2024.