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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und die Erschließung Chinas

von größter Bedeutung für unsere Stellung in China werden. Ihre Aufgabe
müßte es sein -- um nur einiges zu nennen -- drüben systematisch deutsche
Elementar-, Handels- und Industrieschulen zu errichten; intelligente Chinesen durch
materielle Unterstützung zu veranlassen, sich in Deutschland aufzuhalten, um hier
ihre Ausbildung zu vollenden; chinesische Studienkommissionen nach Deutschland
zu ziehen; aus kostenlos zur Verfügung gestellten, den Bedürfnissen und An¬
forderungen der Chinesen entsprechenden Waren, Mustern und Modellen, In¬
dustrie- und Gewerbemuseen an allen zukunftsreichen Plätzen Chinas zu errichten;
geeignete Propaganda für Deutschland, seine Einrichtungen und Erzeugnisse,
in Wort und Bild zu machen; eine intensive Pressetätigkeit in China zu ent¬
falten; deutsche Ingenieure und Techniker hinaufzusenden zu dem doppelten
Zwecke der Erkundung der heute noch viel zu wenig erforschten mineralischen
Schätze Chinas und der Aufklärung über das Niveau unserer Technik und
Industrie; Films mit Bildern deutscher Unternehmungen, Anlagen und Leistungen
(Eisenbahnanlagen, Bahnhöfe, Brücken, Eisenkonstruktionen aller Artusw.) herstellen
zu lassen, die entweder durch in China ansässige Deutsche oder durch hin¬
auszusendende, mit den Verhältnissen vertraute Jnstruktoren den schaulustigen
und durch das Bild leicht beeinflußbaren Chinesen vorzuführen wären usw.
Eine Fülle von Möglichkeiten gibt es, das, was wir in China auf wirtschaftlichem
Gebiet erwarten, auch zu erreichen. Aber wir müssen unsere Kräfte zusammen¬
fassen und zusammenhalten. Auch für den friedlichen Kampf um die Eroberung
eines großen Absatzmarktes gilt Bismarcks Losung: In trirütate robur! Diese
Worte möchte ich auch auf einen besonderen Fall angewendet wissen: die
Organisation, die ich mir vorstelle, soll nicht die Aufgabe haben, die deutsche
Industrie in unmittelbare Verbindung mit dem chinesischen Kaufmann und
Händler zu bringen. Sie soll sich folglich nicht gegen die deutschen Import¬
firmen in China richten, um ihre Vermittlung auszuschließen -- denn dieser
Vermittlung wird die deutsche Industrie auf lange Zeit nicht entraten können,
falls sie nicht schwere finanzielle Verluste erleiden will. Demgemäß müßte es
Sache der führenden deutschen Firmen sein, ihre durch jähre- und jahrzehnte¬
lange Arbeit erworbene Vertrautheit mit den chinesischen Verhältnissen in den
Dienst der Organisation zu stellen und in ihrem (der Firmen) eigensten Interesse
ihrer Arbeit die Bahnen zu zeigen.

Sollten die vorstehenden in diesem Rahmen einstweilen nur skizzenhaft
angedeuteten Gedankengänge ein Echo finden in den Kreisen der führenden
Männer unserer Nationalwirtschaft und sollten sie zur Tat führen, so ist das
Vertrauen berechtigt, daß es in einer Weise geschehen möge, die deutscher Energie
und deutscher Gründlichkeit Ehre macht.

Zum Schlüsse sei endlich noch eine besondere Angelegenheit in den Kreis
der Betrachtung gezogen: die deutsche konsularische Vertretung in China. Diese
konsularische Vertretung ist unzulänglich und muß uns ins Hintertreffen bringen
gegenüber anderen, vielleicht nicht durch fähigere, aber durch ebenso fähige und


Deutschland und die Erschließung Chinas

von größter Bedeutung für unsere Stellung in China werden. Ihre Aufgabe
müßte es sein — um nur einiges zu nennen — drüben systematisch deutsche
Elementar-, Handels- und Industrieschulen zu errichten; intelligente Chinesen durch
materielle Unterstützung zu veranlassen, sich in Deutschland aufzuhalten, um hier
ihre Ausbildung zu vollenden; chinesische Studienkommissionen nach Deutschland
zu ziehen; aus kostenlos zur Verfügung gestellten, den Bedürfnissen und An¬
forderungen der Chinesen entsprechenden Waren, Mustern und Modellen, In¬
dustrie- und Gewerbemuseen an allen zukunftsreichen Plätzen Chinas zu errichten;
geeignete Propaganda für Deutschland, seine Einrichtungen und Erzeugnisse,
in Wort und Bild zu machen; eine intensive Pressetätigkeit in China zu ent¬
falten; deutsche Ingenieure und Techniker hinaufzusenden zu dem doppelten
Zwecke der Erkundung der heute noch viel zu wenig erforschten mineralischen
Schätze Chinas und der Aufklärung über das Niveau unserer Technik und
Industrie; Films mit Bildern deutscher Unternehmungen, Anlagen und Leistungen
(Eisenbahnanlagen, Bahnhöfe, Brücken, Eisenkonstruktionen aller Artusw.) herstellen
zu lassen, die entweder durch in China ansässige Deutsche oder durch hin¬
auszusendende, mit den Verhältnissen vertraute Jnstruktoren den schaulustigen
und durch das Bild leicht beeinflußbaren Chinesen vorzuführen wären usw.
Eine Fülle von Möglichkeiten gibt es, das, was wir in China auf wirtschaftlichem
Gebiet erwarten, auch zu erreichen. Aber wir müssen unsere Kräfte zusammen¬
fassen und zusammenhalten. Auch für den friedlichen Kampf um die Eroberung
eines großen Absatzmarktes gilt Bismarcks Losung: In trirütate robur! Diese
Worte möchte ich auch auf einen besonderen Fall angewendet wissen: die
Organisation, die ich mir vorstelle, soll nicht die Aufgabe haben, die deutsche
Industrie in unmittelbare Verbindung mit dem chinesischen Kaufmann und
Händler zu bringen. Sie soll sich folglich nicht gegen die deutschen Import¬
firmen in China richten, um ihre Vermittlung auszuschließen — denn dieser
Vermittlung wird die deutsche Industrie auf lange Zeit nicht entraten können,
falls sie nicht schwere finanzielle Verluste erleiden will. Demgemäß müßte es
Sache der führenden deutschen Firmen sein, ihre durch jähre- und jahrzehnte¬
lange Arbeit erworbene Vertrautheit mit den chinesischen Verhältnissen in den
Dienst der Organisation zu stellen und in ihrem (der Firmen) eigensten Interesse
ihrer Arbeit die Bahnen zu zeigen.

Sollten die vorstehenden in diesem Rahmen einstweilen nur skizzenhaft
angedeuteten Gedankengänge ein Echo finden in den Kreisen der führenden
Männer unserer Nationalwirtschaft und sollten sie zur Tat führen, so ist das
Vertrauen berechtigt, daß es in einer Weise geschehen möge, die deutscher Energie
und deutscher Gründlichkeit Ehre macht.

Zum Schlüsse sei endlich noch eine besondere Angelegenheit in den Kreis
der Betrachtung gezogen: die deutsche konsularische Vertretung in China. Diese
konsularische Vertretung ist unzulänglich und muß uns ins Hintertreffen bringen
gegenüber anderen, vielleicht nicht durch fähigere, aber durch ebenso fähige und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/235>, abgerufen am 04.07.2024.