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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Politik und Wirtschaft

Fall, die ohne diese Massenkündigung von Depositengeldern keiner Gefahr aus¬
gesetzt gewesen wären. Es zeigte sich aber, wie in fast allen früheren Fällen,
bei diesen Zusammenbrüchen die typische Erscheinung, daß große Spekulations¬
verpflichtungen und eine mangelhafte Liquidität bei relativ sehr hohem Bestand
der Einlagegelder die unmittelbare Ursache des Zusammenbruches abgaben.
Die Gründe für diese bedauerliche Tatsache liegen zu einem guten Teil in der
schwierigen Stellung des Privatbankiers, der durch die Organisation der Gro߬
banken bedrängt und in der Verdienstmöglichkeit verkürzt wird. Daher die
Pflege des Spekulationsgeschäftes, die ihm einen unsicheren und wenig verlä߬
lichen Kundenkreis zuführt, daher das Aufsuchen riskanter Kredite, welche zu
dauernder und gefahrvoller Festlegung der Mittel zwingen. Die Verluste,
welche die ländliche Bevölkerung in diesen Fällen erleidet, sind tief zu beklagen.
Dennoch darf man sich nicht dazu verleiten lassen, diese vereinzelten und durch
das Zusammenwirken ungewöhnlicher Umstände hervorgerufenen Fälle zum
Anlaß zu nehmen, um nach gesetzlichen Beschränkungen zu rufen, wie es im
Reichstag geschehen ist. Die Frage, ob ein Depositengesetz erstrebenswert
und unseren wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt sei, ist gelegentlich der
Bankenquete in ganz besonders gründlicher und eingehender Weise unter¬
sucht und erörtert worden. Die hervorragendsten Sachverständigen haben
sich hierüber geäußert. Das Ergebnis ging aber schließlich dahin, daß
man von einer gesetzlichen Beschränkung des Depositenwesens absah, in der
Erkenntnis, daß die mit einem solchen Gesetz verbundenen wirtschaftlichen
Nachteile und Gefahren allzu groß sein würden. Die Gefahren, welche
dem Einleger aus unserem gegenwärtigen System der bankmäßigen Ver¬
waltung drohen, darf man unter dem Eindruck solcher vereinzelter Vorkommnisse
nicht überschätzen. Angesichts der sich auf viele Milliarden belaufenden, in Form
von Spargeldern und Depositen bartmäßig verwalteten Einlagen sind die durch
Zahlungseinstellungen erlittenen Verluste minimale; sie berechnen sich im Durch¬
schnitt der Jahre nur auf Bruchteile eines Prozents. Mit Fug und Recht hat
daher die Reichsregierung sich abgeneigt gezeigt, das einstweilen abgetane
Problem aufs neue zur Erörterung zu stellen. So ungemein wichtig die De¬
positenfrage für unser ganzes Geld- und Kreditsystem ist, so darf man sie doch
nicht aus dem Gesichtspunkt betrachten, als sei ein besonderer Schutz der Ein¬
leger vonnöten.

Die Besprechungen, welche in der Budgetkommission des Reichstags über
diese Frage stattgefunden haben, streiften auch, wie natürlich ist. die starke
Anspannung des Geldmarktes am Jahresschlusse und die Lage der Reichsbank.
Diese außergewöhnliche Erscheinung regt zu immer neuen Erörterungen und
Untersuchungen an. Niemals ist auch nur annähernd ein solcher Geldbedarf
an das Institut herangetreten als kürzlich; alle Vergleiche aus früheren Jahren,
auch mit dem letzten Hochkonjunkturjahr 1907. versagen. Ein Wechselbestand
von über 2 Milliarden, ein Notenumlauf von 2^/2 Milliarden, eine Steuer-


Politik und Wirtschaft

Fall, die ohne diese Massenkündigung von Depositengeldern keiner Gefahr aus¬
gesetzt gewesen wären. Es zeigte sich aber, wie in fast allen früheren Fällen,
bei diesen Zusammenbrüchen die typische Erscheinung, daß große Spekulations¬
verpflichtungen und eine mangelhafte Liquidität bei relativ sehr hohem Bestand
der Einlagegelder die unmittelbare Ursache des Zusammenbruches abgaben.
Die Gründe für diese bedauerliche Tatsache liegen zu einem guten Teil in der
schwierigen Stellung des Privatbankiers, der durch die Organisation der Gro߬
banken bedrängt und in der Verdienstmöglichkeit verkürzt wird. Daher die
Pflege des Spekulationsgeschäftes, die ihm einen unsicheren und wenig verlä߬
lichen Kundenkreis zuführt, daher das Aufsuchen riskanter Kredite, welche zu
dauernder und gefahrvoller Festlegung der Mittel zwingen. Die Verluste,
welche die ländliche Bevölkerung in diesen Fällen erleidet, sind tief zu beklagen.
Dennoch darf man sich nicht dazu verleiten lassen, diese vereinzelten und durch
das Zusammenwirken ungewöhnlicher Umstände hervorgerufenen Fälle zum
Anlaß zu nehmen, um nach gesetzlichen Beschränkungen zu rufen, wie es im
Reichstag geschehen ist. Die Frage, ob ein Depositengesetz erstrebenswert
und unseren wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt sei, ist gelegentlich der
Bankenquete in ganz besonders gründlicher und eingehender Weise unter¬
sucht und erörtert worden. Die hervorragendsten Sachverständigen haben
sich hierüber geäußert. Das Ergebnis ging aber schließlich dahin, daß
man von einer gesetzlichen Beschränkung des Depositenwesens absah, in der
Erkenntnis, daß die mit einem solchen Gesetz verbundenen wirtschaftlichen
Nachteile und Gefahren allzu groß sein würden. Die Gefahren, welche
dem Einleger aus unserem gegenwärtigen System der bankmäßigen Ver¬
waltung drohen, darf man unter dem Eindruck solcher vereinzelter Vorkommnisse
nicht überschätzen. Angesichts der sich auf viele Milliarden belaufenden, in Form
von Spargeldern und Depositen bartmäßig verwalteten Einlagen sind die durch
Zahlungseinstellungen erlittenen Verluste minimale; sie berechnen sich im Durch¬
schnitt der Jahre nur auf Bruchteile eines Prozents. Mit Fug und Recht hat
daher die Reichsregierung sich abgeneigt gezeigt, das einstweilen abgetane
Problem aufs neue zur Erörterung zu stellen. So ungemein wichtig die De¬
positenfrage für unser ganzes Geld- und Kreditsystem ist, so darf man sie doch
nicht aus dem Gesichtspunkt betrachten, als sei ein besonderer Schutz der Ein¬
leger vonnöten.

Die Besprechungen, welche in der Budgetkommission des Reichstags über
diese Frage stattgefunden haben, streiften auch, wie natürlich ist. die starke
Anspannung des Geldmarktes am Jahresschlusse und die Lage der Reichsbank.
Diese außergewöhnliche Erscheinung regt zu immer neuen Erörterungen und
Untersuchungen an. Niemals ist auch nur annähernd ein solcher Geldbedarf
an das Institut herangetreten als kürzlich; alle Vergleiche aus früheren Jahren,
auch mit dem letzten Hochkonjunkturjahr 1907. versagen. Ein Wechselbestand
von über 2 Milliarden, ein Notenumlauf von 2^/2 Milliarden, eine Steuer-


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[0198] Politik und Wirtschaft Fall, die ohne diese Massenkündigung von Depositengeldern keiner Gefahr aus¬ gesetzt gewesen wären. Es zeigte sich aber, wie in fast allen früheren Fällen, bei diesen Zusammenbrüchen die typische Erscheinung, daß große Spekulations¬ verpflichtungen und eine mangelhafte Liquidität bei relativ sehr hohem Bestand der Einlagegelder die unmittelbare Ursache des Zusammenbruches abgaben. Die Gründe für diese bedauerliche Tatsache liegen zu einem guten Teil in der schwierigen Stellung des Privatbankiers, der durch die Organisation der Gro߬ banken bedrängt und in der Verdienstmöglichkeit verkürzt wird. Daher die Pflege des Spekulationsgeschäftes, die ihm einen unsicheren und wenig verlä߬ lichen Kundenkreis zuführt, daher das Aufsuchen riskanter Kredite, welche zu dauernder und gefahrvoller Festlegung der Mittel zwingen. Die Verluste, welche die ländliche Bevölkerung in diesen Fällen erleidet, sind tief zu beklagen. Dennoch darf man sich nicht dazu verleiten lassen, diese vereinzelten und durch das Zusammenwirken ungewöhnlicher Umstände hervorgerufenen Fälle zum Anlaß zu nehmen, um nach gesetzlichen Beschränkungen zu rufen, wie es im Reichstag geschehen ist. Die Frage, ob ein Depositengesetz erstrebenswert und unseren wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt sei, ist gelegentlich der Bankenquete in ganz besonders gründlicher und eingehender Weise unter¬ sucht und erörtert worden. Die hervorragendsten Sachverständigen haben sich hierüber geäußert. Das Ergebnis ging aber schließlich dahin, daß man von einer gesetzlichen Beschränkung des Depositenwesens absah, in der Erkenntnis, daß die mit einem solchen Gesetz verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Gefahren allzu groß sein würden. Die Gefahren, welche dem Einleger aus unserem gegenwärtigen System der bankmäßigen Ver¬ waltung drohen, darf man unter dem Eindruck solcher vereinzelter Vorkommnisse nicht überschätzen. Angesichts der sich auf viele Milliarden belaufenden, in Form von Spargeldern und Depositen bartmäßig verwalteten Einlagen sind die durch Zahlungseinstellungen erlittenen Verluste minimale; sie berechnen sich im Durch¬ schnitt der Jahre nur auf Bruchteile eines Prozents. Mit Fug und Recht hat daher die Reichsregierung sich abgeneigt gezeigt, das einstweilen abgetane Problem aufs neue zur Erörterung zu stellen. So ungemein wichtig die De¬ positenfrage für unser ganzes Geld- und Kreditsystem ist, so darf man sie doch nicht aus dem Gesichtspunkt betrachten, als sei ein besonderer Schutz der Ein¬ leger vonnöten. Die Besprechungen, welche in der Budgetkommission des Reichstags über diese Frage stattgefunden haben, streiften auch, wie natürlich ist. die starke Anspannung des Geldmarktes am Jahresschlusse und die Lage der Reichsbank. Diese außergewöhnliche Erscheinung regt zu immer neuen Erörterungen und Untersuchungen an. Niemals ist auch nur annähernd ein solcher Geldbedarf an das Institut herangetreten als kürzlich; alle Vergleiche aus früheren Jahren, auch mit dem letzten Hochkonjunkturjahr 1907. versagen. Ein Wechselbestand von über 2 Milliarden, ein Notenumlauf von 2^/2 Milliarden, eine Steuer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/198>, abgerufen am 24.07.2024.