Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Deutschland und die Erschließung Lhinas zu den Khanem der Mongolei, insbesondere auch zu derem Haupte, dem Nicht viel anders steht es um die Mandschurei. Mit staunenerregender ") Kölnische Zeitung Ur. 1103 vom 4. Oktober 1912.
Deutschland und die Erschließung Lhinas zu den Khanem der Mongolei, insbesondere auch zu derem Haupte, dem Nicht viel anders steht es um die Mandschurei. Mit staunenerregender ") Kölnische Zeitung Ur. 1103 vom 4. Oktober 1912.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325040"/> <fw type="header" place="top"> Deutschland und die Erschließung Lhinas</fw><lb/> <p xml:id="ID_553" prev="#ID_552"> zu den Khanem der Mongolei, insbesondere auch zu derem Haupte, dem<lb/> Hutuktu von Urga, seit geraunter Zeit keineswegs sehr freundliche sind. Inwie¬<lb/> weit Nußland geholfen hat, diese Beziehungen zu lockern, mag dahingestellt<lb/> bleiben, jedenfalls entsprach eine vollständige Loslösung der äußeren Mongolei<lb/> von China seinen Absichten weit mehr als eine gut organisierte chinesische<lb/> Oberhoheit über jene Gebiete. Auf die vollständige und definitive Loslösung<lb/> hat es seit Jahren hingearbeitet, zunächst indem es verstand durch seine Kauf¬<lb/> leute und Händler, durch seine an allen größeren und für eine fernere Zukunft<lb/> wichtigen Plätzen errichteten konsularischen Vertretungen, durch seine Bergwerks¬<lb/> und andere Konzessionen, sich einen großen wirtschaftlichen Einfluß in der<lb/> Mongolei zu sichern. Allerdings hat China dein nicht stillschweigend zugesehen.<lb/> Es ist vielmehr bemüht gewesen, zu retten, was zu retten war. Mit einigem<lb/> Recht glaubte es sein Heil in erster Linie in einer Bestedelung jener Gebiete mit<lb/> tüchtigen chinesischen Bauern, die ja meistens auch zugleich Händler sind, zu sehen.<lb/> Soweit bekannt ist, hat es mit seiner Ansiedelungspolitik nennenswerte Erfolge<lb/> erzielt, auch soll es ihm gelungen sein, dem russischen Handel eine empfind¬<lb/> liche Konkurrenz zu bereiten. Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht u. a.<lb/> auch der Bericht der Moskaner Handelsexpedition nach der Mongolei, in dem<lb/> als Ergebnis der bisher üblichen, vielfach äußerst verwerflichen Handelsmethoden<lb/> russischer Kaufleute und Händler mitgeteilt wird: „Unsere Lage auf dem mon¬<lb/> golischen Markte, wenigstens in der nördlichen Mongolei, ist zweifellos in den<lb/> letzten Jahren stark erschüttert worden; chinesische Kaufleute, in Massen in diese<lb/> Gebiete eingedrungen, sind hier inzwischen schon Herren der Lage geworden<lb/> und haben unseren Handel auf den zweiten Platz gedrängt."*) So beachtlich<lb/> diese Bemerkung ist, so muß man sich doch hüten, sie zu überschätzen, da Ru߬<lb/> land aufs äußerste bemüht ist, die wirtschaftliche Beeinträchtigung seiner Stellung<lb/> durch um so intensivere politische Arbeit auszugleichen. Das Ergebnis dieser<lb/> Arbeit ist der russisch-mongolische Vertrag gewesen, der der Mongolei die Auto¬<lb/> nomie garantiert und China — um das Gesicht zu wahren — die Souzerä-<lb/> nität unter der Bedingung zubilligt, daß es in keinerlei Beziehung in die<lb/> mongolischen Angelegenheiten hineinredet. China wird im gegenwärtigen<lb/> Augenblick kaum in der Lage sein, ernsthafte Gegenmaßregeln zu ergreifen;<lb/> einstweilen wird es mit dem völligen Verlust der Mongolei rechnen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_554" next="#ID_555"> Nicht viel anders steht es um die Mandschurei. Mit staunenerregender<lb/> Großzügigkeit hat sich Japan hier eine Interessensphäre im wahrsten Sinne des<lb/> Wortes geschaffen. Die Japan gehörige südmandschurische Eisenbahn von<lb/> Tsangschun bis Dairen (Dalny) mit ihren teils fertiggestellten, teils in Angriff<lb/> genommenen Nebenlinien stellt einen wirtschaftlichen Faktor ersten Ranges dar;<lb/> nicht minder sind es die reichen Kohlenfelder von Fuschun in der Nähe von<lb/> Mulden, die es Japan ermöglichen, in wenigen Jahren gegen 2 Millionen</p><lb/> <note xml:id="FID_68" place="foot"> ") Kölnische Zeitung Ur. 1103 vom 4. Oktober 1912.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Deutschland und die Erschließung Lhinas
zu den Khanem der Mongolei, insbesondere auch zu derem Haupte, dem
Hutuktu von Urga, seit geraunter Zeit keineswegs sehr freundliche sind. Inwie¬
weit Nußland geholfen hat, diese Beziehungen zu lockern, mag dahingestellt
bleiben, jedenfalls entsprach eine vollständige Loslösung der äußeren Mongolei
von China seinen Absichten weit mehr als eine gut organisierte chinesische
Oberhoheit über jene Gebiete. Auf die vollständige und definitive Loslösung
hat es seit Jahren hingearbeitet, zunächst indem es verstand durch seine Kauf¬
leute und Händler, durch seine an allen größeren und für eine fernere Zukunft
wichtigen Plätzen errichteten konsularischen Vertretungen, durch seine Bergwerks¬
und andere Konzessionen, sich einen großen wirtschaftlichen Einfluß in der
Mongolei zu sichern. Allerdings hat China dein nicht stillschweigend zugesehen.
Es ist vielmehr bemüht gewesen, zu retten, was zu retten war. Mit einigem
Recht glaubte es sein Heil in erster Linie in einer Bestedelung jener Gebiete mit
tüchtigen chinesischen Bauern, die ja meistens auch zugleich Händler sind, zu sehen.
Soweit bekannt ist, hat es mit seiner Ansiedelungspolitik nennenswerte Erfolge
erzielt, auch soll es ihm gelungen sein, dem russischen Handel eine empfind¬
liche Konkurrenz zu bereiten. Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht u. a.
auch der Bericht der Moskaner Handelsexpedition nach der Mongolei, in dem
als Ergebnis der bisher üblichen, vielfach äußerst verwerflichen Handelsmethoden
russischer Kaufleute und Händler mitgeteilt wird: „Unsere Lage auf dem mon¬
golischen Markte, wenigstens in der nördlichen Mongolei, ist zweifellos in den
letzten Jahren stark erschüttert worden; chinesische Kaufleute, in Massen in diese
Gebiete eingedrungen, sind hier inzwischen schon Herren der Lage geworden
und haben unseren Handel auf den zweiten Platz gedrängt."*) So beachtlich
diese Bemerkung ist, so muß man sich doch hüten, sie zu überschätzen, da Ru߬
land aufs äußerste bemüht ist, die wirtschaftliche Beeinträchtigung seiner Stellung
durch um so intensivere politische Arbeit auszugleichen. Das Ergebnis dieser
Arbeit ist der russisch-mongolische Vertrag gewesen, der der Mongolei die Auto¬
nomie garantiert und China — um das Gesicht zu wahren — die Souzerä-
nität unter der Bedingung zubilligt, daß es in keinerlei Beziehung in die
mongolischen Angelegenheiten hineinredet. China wird im gegenwärtigen
Augenblick kaum in der Lage sein, ernsthafte Gegenmaßregeln zu ergreifen;
einstweilen wird es mit dem völligen Verlust der Mongolei rechnen müssen.
Nicht viel anders steht es um die Mandschurei. Mit staunenerregender
Großzügigkeit hat sich Japan hier eine Interessensphäre im wahrsten Sinne des
Wortes geschaffen. Die Japan gehörige südmandschurische Eisenbahn von
Tsangschun bis Dairen (Dalny) mit ihren teils fertiggestellten, teils in Angriff
genommenen Nebenlinien stellt einen wirtschaftlichen Faktor ersten Ranges dar;
nicht minder sind es die reichen Kohlenfelder von Fuschun in der Nähe von
Mulden, die es Japan ermöglichen, in wenigen Jahren gegen 2 Millionen
") Kölnische Zeitung Ur. 1103 vom 4. Oktober 1912.
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