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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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l^stikunäia Komam per^iäers

Ermöglicht wird dieser Vorgang erst durch das Eintreten des Geldes in
die Geschichte. Indem das Geld allgemeiner Tauschfaktor und Machtträger
wird, räumt es auf mit einem großen Teil der Abhängigkeitsbeziehungen, die
früher dem väterlichen Verhältnis nachgebildet waren. Aus Herrschaft und
Gesinde werden Arbeitgeber und -nehmer, aus dem persönlich - untertänigen
Bande wird ein sachlich-wirtschaftliches. Die persönlichen Autoritäten des
früheren sozialen Lebens treten zurück und das unpersönliche Geld tritt an ihre Stelle.
Die in fabrikmäßige Bahnen einlenkende Landwirtschaft kennt kein Band persön¬
licher oder gemütlicher Färbung mehr, sondern ist, wie ein Hochofen oder eine
Papierfabrik, nur noch Geldherstellungswerkzeug.

Groß sind die materiellen Erfolge dieser Entwicklung. Der Übergang von
der patriarchalisch-persönlichen Gebundenheit zur sachlich-wirtschaftlichen Freiheit
bewirkt die höchste Blüte und Entfaltung aller Kräfte. Aber schon trägt sie
den Keim späterer Zersetzung und Auflösung in sich. Es leidet das Familien¬
leben, die Heiligkeit der Ehe und die Ehrfurcht vor Eltern und Obrigkeit. Kinder
werden eine wirtschaftliche Last. Es leidet die in der Urzeit angesammelte
körperliche und ethische Kraft des Menschen. Wurde früher der menschliche Geist
innerhalb der vorhandenen Vielseitigkeit der Natur sortwährend auf neue Gebiete
abgelenkt, so beginnt jetzt eine nervenzerreibende, intensive Anspannung in immer
gleichbleibender einseitiger Richtung.

Diese nunmehr genugsam gekennzeichnete Wandlung hat das alte Italien
in vollstem Maße durchgemacht.

Eigentliche landwirtschaftliche Großbetriebe, das heißt solche mit plan¬
mäßiger, einheitlich organisierter Oberleitung, hat es in der älteren römischen
Geschichte und zur Zeit des älteren römischen Adels (des Landadels oder
Patriziats) nicht gegeben. "Eine eigentliche Großwirtschaft, gestützt auf einen
ansehnlichen Sklavenstand, wie wir sie später in Rom finden, kann für diese
Zeit nicht angenommen werden" (Mommsen I, S. 188). Wer damals viel
Land hatte, besaß damit nichts anderes, als eine Summe von Kleinbetrieben.
Der Patriziat war ein auf dem Lande wohnender Bauernadel, Rom zu seiner
Zeit lediglich ein Markt- und Tempelflecken, Hauptort eines Bauernstaates von
wenigen Quadratmeilen Größe. Selbst zur Zeit der Aufhebung des Patriziats
beziehungsweise der Abschaffung seiner Vorrechte (367 v. Chr. durch die Licmisch-
Sextischen Gesetze) hatte das römische Gebiet erst die Größe von ein bis zwei
heutigen preußischen Kreisen erreicht. Wie sehr alles noch in der reinsten Natural¬
wirtschaft steckte, ist daraus zu ersehen, daß in Rom bis etwa zum Jahre 450 v. Chr.
überhaupt nicht gemünzt wurde und als Tauschmittel anfangs das Vieh
(pLLUnia), später Kupfer nach dem Gewicht diente. Erst im Jahre 268 v. Chr.
wurden die ersten Silbermünzen geprägt. Daß solche primitiven Zustände
einen Großbetrieb ausschließen, liegt auf der Hand, und völlig verkehrt und
auf einen Anachronismus zurückzuführen ist daher die landläufige Vorstellung,
das Wort I^tikunäia Komam percllcZLre beziehe sich auf den Großbesitz des


l^stikunäia Komam per^iäers

Ermöglicht wird dieser Vorgang erst durch das Eintreten des Geldes in
die Geschichte. Indem das Geld allgemeiner Tauschfaktor und Machtträger
wird, räumt es auf mit einem großen Teil der Abhängigkeitsbeziehungen, die
früher dem väterlichen Verhältnis nachgebildet waren. Aus Herrschaft und
Gesinde werden Arbeitgeber und -nehmer, aus dem persönlich - untertänigen
Bande wird ein sachlich-wirtschaftliches. Die persönlichen Autoritäten des
früheren sozialen Lebens treten zurück und das unpersönliche Geld tritt an ihre Stelle.
Die in fabrikmäßige Bahnen einlenkende Landwirtschaft kennt kein Band persön¬
licher oder gemütlicher Färbung mehr, sondern ist, wie ein Hochofen oder eine
Papierfabrik, nur noch Geldherstellungswerkzeug.

Groß sind die materiellen Erfolge dieser Entwicklung. Der Übergang von
der patriarchalisch-persönlichen Gebundenheit zur sachlich-wirtschaftlichen Freiheit
bewirkt die höchste Blüte und Entfaltung aller Kräfte. Aber schon trägt sie
den Keim späterer Zersetzung und Auflösung in sich. Es leidet das Familien¬
leben, die Heiligkeit der Ehe und die Ehrfurcht vor Eltern und Obrigkeit. Kinder
werden eine wirtschaftliche Last. Es leidet die in der Urzeit angesammelte
körperliche und ethische Kraft des Menschen. Wurde früher der menschliche Geist
innerhalb der vorhandenen Vielseitigkeit der Natur sortwährend auf neue Gebiete
abgelenkt, so beginnt jetzt eine nervenzerreibende, intensive Anspannung in immer
gleichbleibender einseitiger Richtung.

Diese nunmehr genugsam gekennzeichnete Wandlung hat das alte Italien
in vollstem Maße durchgemacht.

Eigentliche landwirtschaftliche Großbetriebe, das heißt solche mit plan¬
mäßiger, einheitlich organisierter Oberleitung, hat es in der älteren römischen
Geschichte und zur Zeit des älteren römischen Adels (des Landadels oder
Patriziats) nicht gegeben. „Eine eigentliche Großwirtschaft, gestützt auf einen
ansehnlichen Sklavenstand, wie wir sie später in Rom finden, kann für diese
Zeit nicht angenommen werden" (Mommsen I, S. 188). Wer damals viel
Land hatte, besaß damit nichts anderes, als eine Summe von Kleinbetrieben.
Der Patriziat war ein auf dem Lande wohnender Bauernadel, Rom zu seiner
Zeit lediglich ein Markt- und Tempelflecken, Hauptort eines Bauernstaates von
wenigen Quadratmeilen Größe. Selbst zur Zeit der Aufhebung des Patriziats
beziehungsweise der Abschaffung seiner Vorrechte (367 v. Chr. durch die Licmisch-
Sextischen Gesetze) hatte das römische Gebiet erst die Größe von ein bis zwei
heutigen preußischen Kreisen erreicht. Wie sehr alles noch in der reinsten Natural¬
wirtschaft steckte, ist daraus zu ersehen, daß in Rom bis etwa zum Jahre 450 v. Chr.
überhaupt nicht gemünzt wurde und als Tauschmittel anfangs das Vieh
(pLLUnia), später Kupfer nach dem Gewicht diente. Erst im Jahre 268 v. Chr.
wurden die ersten Silbermünzen geprägt. Daß solche primitiven Zustände
einen Großbetrieb ausschließen, liegt auf der Hand, und völlig verkehrt und
auf einen Anachronismus zurückzuführen ist daher die landläufige Vorstellung,
das Wort I^tikunäia Komam percllcZLre beziehe sich auf den Großbesitz des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/82>, abgerufen am 15.01.2025.