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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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I^atikunäia Komsm per^iciere

Domänen, Minen und anderem Staatseigentum, das dem besiegten Staate oder
Fürsten abgenommen war. So bedeutete jeder siegreiche Feldzug damals eine
neue Hochkonjunktur.

Dieser politisch-merkantile Aufstieg hatte eine sehr lange Dauer; er währte
mit Unterbrechungen bis zur Begründung der Alleinherrschaft des Augustus,
also über anderthalb Jahrhunderte. Daß er dann nachließ, hatte seine Gründe
darin, daß erst der römische Stamm sich verzehrte und verschwand, dann der
latinische und endlich das ganze italische Volk. Schon seit dem Jahre 200 v. Chr.
begann die Wanderung des Landvolks nach Rom und von da nach den über-
seeischen Gebieten. Von den kleinen Leuten verkauften viele den Acker ihrer
Väter und erstanden dafür ein Schiff. Der Blick richtete sich nach Rom, wo
es ungeahnt viel zu verdienen gab. und dann in die weitere Ferne. So viele
Leute zogen vom Lande in die Hauptstadt, daß die ladinischen Städte darüber
beim Senat Klage führten. Während die Weltstadt wuchs und die Preise des
städtischen Grundbesitzes gewaltig in die Höhe gingen (Cicero kaufte ein Wohn¬
haus auf dem Palatin für 3^2 Mill. Sesterzen etwa 700000 Mary, trat
eine Entwertung des ländlichen Bodens ein. Bereits nach der Zerstörung der
Handelsrivalcn Karthago und Korinth (146 v. Chr.) geriet die Landwirtschaft
in eine schwere Krise, die alsbald zum Untergang der Getreide- (vereinigten
Getreide- und Vieh ) Wirtschaft und späterhin zum Verschwinden des Mittel¬
standes und seiner Ersetzung durch eine ausländische Sklavenschaft führte.

Für diesen Umschwung ist ein Wort bezeichnend, das in einer sehr viel
späteren, bereits abgeklärten Zeit, nämlich um das Jahr 100 n. Chr., der
römische Schriftsteller Plinius (Rat. hist. 18. 35) geschrieben hat: "Noäum
aZri inprimis servaneium antiqui putavere. . . Verumque conMentibus,
latifunäia peicliciere Jtälmen." "Daß vor allem ein gewisses Maß im Land¬
besitz einzuhalten sei. haben die Vorfahren als notwendig angesehen. ... Und
für Einsichtige (ist es) zweifellos, die Großgüter haben Italien zugrunde ge¬
richtet." Dies Wort wird heute gern übertragen, einerseits auf unsere modernen
Verhältnisse, anderseits auf das persönlich-politische Gebiet, und aus dieser Über¬
tragung heraus ungefähr in dem Sinne gebraucht, daß der Rittergutsbesitzer
die Quelle alles Übels sei. Wir wollen nun hier von Parteipolitik absehen,
aber -- die einmal angeschnittene Parallele zwischen dem altrömischen und dem
preußisch-deutschen Staate weiter verfolgend -- uns fragen, ob die in dem
altrömischen Satze anscheinend ausgesprochene Verurteilung des ländlichen Groß"
besitzes vor den Tatsachen und der Geschichte zu Recht besteht.

Diejenige Landverteilung, die wir heute noch im wesentlichen in Ostelbien
haben, besteht seit jener Zeit des Mittelalters, als die Deutschen, über die Elbe
nach Osten zurückflutend, bis nach Ostpreußen, ja bis nach Livland und Estland
ihre siegreichen Waffen und ihre höhere Kultur trugen. Selbst die Landes¬
kulturgesetzgebung, welche Anfang des vorigen Jahrhunderts einsetzte, hat so
sehr wesentliche Änderungen nicht gebracht, da sie die Städte und königlichen


I^atikunäia Komsm per^iciere

Domänen, Minen und anderem Staatseigentum, das dem besiegten Staate oder
Fürsten abgenommen war. So bedeutete jeder siegreiche Feldzug damals eine
neue Hochkonjunktur.

Dieser politisch-merkantile Aufstieg hatte eine sehr lange Dauer; er währte
mit Unterbrechungen bis zur Begründung der Alleinherrschaft des Augustus,
also über anderthalb Jahrhunderte. Daß er dann nachließ, hatte seine Gründe
darin, daß erst der römische Stamm sich verzehrte und verschwand, dann der
latinische und endlich das ganze italische Volk. Schon seit dem Jahre 200 v. Chr.
begann die Wanderung des Landvolks nach Rom und von da nach den über-
seeischen Gebieten. Von den kleinen Leuten verkauften viele den Acker ihrer
Väter und erstanden dafür ein Schiff. Der Blick richtete sich nach Rom, wo
es ungeahnt viel zu verdienen gab. und dann in die weitere Ferne. So viele
Leute zogen vom Lande in die Hauptstadt, daß die ladinischen Städte darüber
beim Senat Klage führten. Während die Weltstadt wuchs und die Preise des
städtischen Grundbesitzes gewaltig in die Höhe gingen (Cicero kaufte ein Wohn¬
haus auf dem Palatin für 3^2 Mill. Sesterzen etwa 700000 Mary, trat
eine Entwertung des ländlichen Bodens ein. Bereits nach der Zerstörung der
Handelsrivalcn Karthago und Korinth (146 v. Chr.) geriet die Landwirtschaft
in eine schwere Krise, die alsbald zum Untergang der Getreide- (vereinigten
Getreide- und Vieh ) Wirtschaft und späterhin zum Verschwinden des Mittel¬
standes und seiner Ersetzung durch eine ausländische Sklavenschaft führte.

Für diesen Umschwung ist ein Wort bezeichnend, das in einer sehr viel
späteren, bereits abgeklärten Zeit, nämlich um das Jahr 100 n. Chr., der
römische Schriftsteller Plinius (Rat. hist. 18. 35) geschrieben hat: „Noäum
aZri inprimis servaneium antiqui putavere. . . Verumque conMentibus,
latifunäia peicliciere Jtälmen." „Daß vor allem ein gewisses Maß im Land¬
besitz einzuhalten sei. haben die Vorfahren als notwendig angesehen. ... Und
für Einsichtige (ist es) zweifellos, die Großgüter haben Italien zugrunde ge¬
richtet." Dies Wort wird heute gern übertragen, einerseits auf unsere modernen
Verhältnisse, anderseits auf das persönlich-politische Gebiet, und aus dieser Über¬
tragung heraus ungefähr in dem Sinne gebraucht, daß der Rittergutsbesitzer
die Quelle alles Übels sei. Wir wollen nun hier von Parteipolitik absehen,
aber — die einmal angeschnittene Parallele zwischen dem altrömischen und dem
preußisch-deutschen Staate weiter verfolgend — uns fragen, ob die in dem
altrömischen Satze anscheinend ausgesprochene Verurteilung des ländlichen Groß»
besitzes vor den Tatsachen und der Geschichte zu Recht besteht.

Diejenige Landverteilung, die wir heute noch im wesentlichen in Ostelbien
haben, besteht seit jener Zeit des Mittelalters, als die Deutschen, über die Elbe
nach Osten zurückflutend, bis nach Ostpreußen, ja bis nach Livland und Estland
ihre siegreichen Waffen und ihre höhere Kultur trugen. Selbst die Landes¬
kulturgesetzgebung, welche Anfang des vorigen Jahrhunderts einsetzte, hat so
sehr wesentliche Änderungen nicht gebracht, da sie die Städte und königlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/79>, abgerufen am 15.01.2025.