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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Die Laienrichtcrfrage

und vielleicht sogar sein. Wir sehen es ja jetzt bereits vielfach bei den Schieds¬
gerichten, daß der von der Partei gewählte Schiedsrichter sich mehr als deren
Vertreter vorkommt, denn als ihr Richter.

Es wird deshalb zweckmäßig dabei verbleiben müssen, daß der Berufsrichter
vom Staate, d. i. der geordneten Allgemeinheit, angestellt und besoldet wird.
Gleichwohl mögen aber die Bürgschaften dafür, daß er nicht Staatsbeamter im
engeren Sinne ist, äußerlich wie innerlich erhöht werden.

Die Beseitigung der für die übrigen Staatsbeamten gebräuchlichen Titel,
Nangabstufungen und Orden würde schon für die nur die Außenseite betrachtende
Menge von Gewicht sein. Daß den Richtern das sonst aus den Beförderungen
sich ergebende höhere Gehalt nicht genommen werden dürfte, daß also für die
Stellenaufrückung die Dienstalteraufrückuug eintreten müßte, liegt auf der Hand.

Es wird ferner das Selbstbestimmungsrecht des Richters hinsichtlich des
Ortes wie der Art seiner Beschäftigung in höherem Maße als bisher gewährleistet
werden müssen, damit es nicht den Anschein gewinnen kann, ein der Staatsleitung
vermeintlich mißliebiger Richter werde an einem ihm unangenehmen Dienstorte
oder in einer ihm widerstrebenden Diensttätigkeit geflissentlich belassen. Es wird
auch ratsam sein, nicht der Staatsleitung, sondern einem zustündigen Teile des
Richterstandes selbst, ähnlich wie beim Offiziersstande, die Zumahl des neuen
Nachwuchses zu überlassen.

Es wird schließlich die reinrichterliche Tätigkeit der staatlichen Richter ganz
genau zu umgrenzen und von ihren sonstigen beamtlichen Pflichten zu scheiden
sein. Mit Recht hat sowohl der Deutsche Richtertag in Dresden wie der
Allgemeine Richtertag in Wien den Erlaß eines besonderen Richtergesetzes zur
Erfüllung dieses gesamten Verlangens als nötig bezeichnet.

Wird hierdurch die Gewähr für eine völlige Unabhängigkeit der beamteten
Berufsrichter gegeben, so wird sicherlich bald das Verlangen nach der Beigesellung
von Laienrichtern nachlassen.

Jetzt glaubt man immer noch in den Laienrichtern die unabhängigeren
Richter zu besitzen -- wobei man verkennt, daß die ersteren, besonders in den
kleineren und mittleren Städten, wirtschaftlich und politisch von bestimmten
Kreisen viel mehr abhängig sind als die angestellte!: Berufsrichter -- und in
ihnen Bürgen dafür zu haben, daß in die Rechtsprechung kein Einfluß von oben
her eindringe. Es ist nicht die "Weltfremdheit" der Berufsrichter, die man
fürchtet -- ein Landwirt wird in städtischen Dingen oft noch mehr unerfahren
sein und der Städter in landwirtschaftlichen, wie der Richter --, sondern eine
unsichtbare Abhängigkeit und Unfreiheit.

Mit Recht stehen deshalb das Verlangen der Berufsrichter nach einer vollen
äußeren Sicherstellung ihrer Unabhängigkeit und ihr Widerstreben gegen die
Erweiterung des Laienrichtertums in innerem Zusammenhange. Sobald die
Allgemeinheit sich von der zuverlässigen Unabhängigkeit der beamteten Berufs¬
richter überzeugt haben wird, wird sie sicherlich auf die Laienrichter gern verzichten.


Die Laienrichtcrfrage

und vielleicht sogar sein. Wir sehen es ja jetzt bereits vielfach bei den Schieds¬
gerichten, daß der von der Partei gewählte Schiedsrichter sich mehr als deren
Vertreter vorkommt, denn als ihr Richter.

Es wird deshalb zweckmäßig dabei verbleiben müssen, daß der Berufsrichter
vom Staate, d. i. der geordneten Allgemeinheit, angestellt und besoldet wird.
Gleichwohl mögen aber die Bürgschaften dafür, daß er nicht Staatsbeamter im
engeren Sinne ist, äußerlich wie innerlich erhöht werden.

Die Beseitigung der für die übrigen Staatsbeamten gebräuchlichen Titel,
Nangabstufungen und Orden würde schon für die nur die Außenseite betrachtende
Menge von Gewicht sein. Daß den Richtern das sonst aus den Beförderungen
sich ergebende höhere Gehalt nicht genommen werden dürfte, daß also für die
Stellenaufrückung die Dienstalteraufrückuug eintreten müßte, liegt auf der Hand.

Es wird ferner das Selbstbestimmungsrecht des Richters hinsichtlich des
Ortes wie der Art seiner Beschäftigung in höherem Maße als bisher gewährleistet
werden müssen, damit es nicht den Anschein gewinnen kann, ein der Staatsleitung
vermeintlich mißliebiger Richter werde an einem ihm unangenehmen Dienstorte
oder in einer ihm widerstrebenden Diensttätigkeit geflissentlich belassen. Es wird
auch ratsam sein, nicht der Staatsleitung, sondern einem zustündigen Teile des
Richterstandes selbst, ähnlich wie beim Offiziersstande, die Zumahl des neuen
Nachwuchses zu überlassen.

Es wird schließlich die reinrichterliche Tätigkeit der staatlichen Richter ganz
genau zu umgrenzen und von ihren sonstigen beamtlichen Pflichten zu scheiden
sein. Mit Recht hat sowohl der Deutsche Richtertag in Dresden wie der
Allgemeine Richtertag in Wien den Erlaß eines besonderen Richtergesetzes zur
Erfüllung dieses gesamten Verlangens als nötig bezeichnet.

Wird hierdurch die Gewähr für eine völlige Unabhängigkeit der beamteten
Berufsrichter gegeben, so wird sicherlich bald das Verlangen nach der Beigesellung
von Laienrichtern nachlassen.

Jetzt glaubt man immer noch in den Laienrichtern die unabhängigeren
Richter zu besitzen — wobei man verkennt, daß die ersteren, besonders in den
kleineren und mittleren Städten, wirtschaftlich und politisch von bestimmten
Kreisen viel mehr abhängig sind als die angestellte!: Berufsrichter — und in
ihnen Bürgen dafür zu haben, daß in die Rechtsprechung kein Einfluß von oben
her eindringe. Es ist nicht die „Weltfremdheit" der Berufsrichter, die man
fürchtet — ein Landwirt wird in städtischen Dingen oft noch mehr unerfahren
sein und der Städter in landwirtschaftlichen, wie der Richter —, sondern eine
unsichtbare Abhängigkeit und Unfreiheit.

Mit Recht stehen deshalb das Verlangen der Berufsrichter nach einer vollen
äußeren Sicherstellung ihrer Unabhängigkeit und ihr Widerstreben gegen die
Erweiterung des Laienrichtertums in innerem Zusammenhange. Sobald die
Allgemeinheit sich von der zuverlässigen Unabhängigkeit der beamteten Berufs¬
richter überzeugt haben wird, wird sie sicherlich auf die Laienrichter gern verzichten.


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[0627] Die Laienrichtcrfrage und vielleicht sogar sein. Wir sehen es ja jetzt bereits vielfach bei den Schieds¬ gerichten, daß der von der Partei gewählte Schiedsrichter sich mehr als deren Vertreter vorkommt, denn als ihr Richter. Es wird deshalb zweckmäßig dabei verbleiben müssen, daß der Berufsrichter vom Staate, d. i. der geordneten Allgemeinheit, angestellt und besoldet wird. Gleichwohl mögen aber die Bürgschaften dafür, daß er nicht Staatsbeamter im engeren Sinne ist, äußerlich wie innerlich erhöht werden. Die Beseitigung der für die übrigen Staatsbeamten gebräuchlichen Titel, Nangabstufungen und Orden würde schon für die nur die Außenseite betrachtende Menge von Gewicht sein. Daß den Richtern das sonst aus den Beförderungen sich ergebende höhere Gehalt nicht genommen werden dürfte, daß also für die Stellenaufrückung die Dienstalteraufrückuug eintreten müßte, liegt auf der Hand. Es wird ferner das Selbstbestimmungsrecht des Richters hinsichtlich des Ortes wie der Art seiner Beschäftigung in höherem Maße als bisher gewährleistet werden müssen, damit es nicht den Anschein gewinnen kann, ein der Staatsleitung vermeintlich mißliebiger Richter werde an einem ihm unangenehmen Dienstorte oder in einer ihm widerstrebenden Diensttätigkeit geflissentlich belassen. Es wird auch ratsam sein, nicht der Staatsleitung, sondern einem zustündigen Teile des Richterstandes selbst, ähnlich wie beim Offiziersstande, die Zumahl des neuen Nachwuchses zu überlassen. Es wird schließlich die reinrichterliche Tätigkeit der staatlichen Richter ganz genau zu umgrenzen und von ihren sonstigen beamtlichen Pflichten zu scheiden sein. Mit Recht hat sowohl der Deutsche Richtertag in Dresden wie der Allgemeine Richtertag in Wien den Erlaß eines besonderen Richtergesetzes zur Erfüllung dieses gesamten Verlangens als nötig bezeichnet. Wird hierdurch die Gewähr für eine völlige Unabhängigkeit der beamteten Berufsrichter gegeben, so wird sicherlich bald das Verlangen nach der Beigesellung von Laienrichtern nachlassen. Jetzt glaubt man immer noch in den Laienrichtern die unabhängigeren Richter zu besitzen — wobei man verkennt, daß die ersteren, besonders in den kleineren und mittleren Städten, wirtschaftlich und politisch von bestimmten Kreisen viel mehr abhängig sind als die angestellte!: Berufsrichter — und in ihnen Bürgen dafür zu haben, daß in die Rechtsprechung kein Einfluß von oben her eindringe. Es ist nicht die „Weltfremdheit" der Berufsrichter, die man fürchtet — ein Landwirt wird in städtischen Dingen oft noch mehr unerfahren sein und der Städter in landwirtschaftlichen, wie der Richter —, sondern eine unsichtbare Abhängigkeit und Unfreiheit. Mit Recht stehen deshalb das Verlangen der Berufsrichter nach einer vollen äußeren Sicherstellung ihrer Unabhängigkeit und ihr Widerstreben gegen die Erweiterung des Laienrichtertums in innerem Zusammenhange. Sobald die Allgemeinheit sich von der zuverlässigen Unabhängigkeit der beamteten Berufs¬ richter überzeugt haben wird, wird sie sicherlich auf die Laienrichter gern verzichten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/627>, abgerufen am 15.01.2025.