Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Drei Könige man ihn beim Portepee des preußischen Offiziers zu fassen wußte, eben in Vorübergehend schien es zwar, als ob diese innerlichen Konflikte verstummten, AIs nun die Schleswig-Holsteinischen Vorgänge aufs neue Zerwürfnisse Drei Könige man ihn beim Portepee des preußischen Offiziers zu fassen wußte, eben in Vorübergehend schien es zwar, als ob diese innerlichen Konflikte verstummten, AIs nun die Schleswig-Holsteinischen Vorgänge aufs neue Zerwürfnisse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0622" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323024"/> <fw type="header" place="top"> Drei Könige</fw><lb/> <p xml:id="ID_3039" prev="#ID_3038"> man ihn beim Portepee des preußischen Offiziers zu fassen wußte, eben in<lb/> diesem ausgesprochen militärischen Wesen ruhte doch ein erheblicher Teil auch<lb/> seiner Kraft und Bedeutung als Politiker. Und wenn er den mittelstaatlichen<lb/> Interessen nicht genug Rechnung trug, so verriet er doch nur den gesunden,<lb/> instinktsicheren Egoismus, ohne den nun einmal ein großes Staatswesen ver¬<lb/> kümmern müßte. Dies war es, was Johann seinerseits verkannte. Er war<lb/> Bundeslegitimist. Sein politisches Denken empfing in dieser begrenzten Sphäre<lb/> der Majoritätsbeschlüsse einen formalistischen Anstrich; er unterschätzte den eigen¬<lb/> willigen Machtgedanken, der Österreich und Preußen gegeneinander trieb und<lb/> beide wiederum aus der Zahl der übrigen Mitglieder so hoch und selbständig<lb/> hinaushob. War König Wilhelm ganz einseitig Preuße, so war König Johann<lb/> nicht minder einseitig Sachse. In jedem dieser beiden Herrscher lebten und<lb/> wirkten die eigentümlichen Überlieferungen ihres Hauses, ihres Staates. Es<lb/> war somit natürlich, daß sich diese überpersönlichen Gegensätze gerade in jenen<lb/> Jahren schicksalsschwerer Spannung der beiden Monarchen mit aller Gewalt<lb/> bemächtigten bis zum leidenschaftlichen Zusammenstoß. Das gehört nun einmal<lb/> zur Tragik fürstlicher Freundschaften.</p><lb/> <p xml:id="ID_3040"> Vorübergehend schien es zwar, als ob diese innerlichen Konflikte verstummten,<lb/> und die beiden Könige sich aufatmend der Pflege ihres persönlichen und<lb/> familiären Austausches zuwendeten. Aber die unaufhaltsam vorwärtsschreitenden<lb/> Begebenheiten rissen den Zwiespalt doch immer erneut auf. Über den National¬<lb/> verein war man bereits wieder verschiedener Meinung. Auch Wilhelm war<lb/> natürlich weit entfernt, sich irgendwie mit dessen Zielen gleich zu setzen; aber<lb/> während Johann den Verein geradezu des Hochverrates beschuldigte und<lb/> schärfere Maßregeln verlangte, dämpfte er diesen Eifer und riet abzuwarten,<lb/> bis die Regierungen durch wirklich gefährliches Treiben herausgefordert würden.<lb/> Auch diesmal sieht man den Prinzregenten von der nach vorwärts flutenden<lb/> Strömung stärker berührt als den Wettinischen Vetter. Immerhin, das war<lb/> nur ein verhältnismäßig unbedeutender Gegensatz. Viel tiefer grub und<lb/> erweiterte ihn der Frankfurter Fürstentag. Bismarck hat damals förmlich um<lb/> die Seele seines Herrn gerungen, der sich einer Versammlung nicht entziehen<lb/> wollte, zu der ihn ein König, eben Johann von Sachsen, als Kurier eingeladen hatte.<lb/> Bismarck siegte, Wilhelm folgte dem Freunde nicht. Johann hingegen versuchte ihn<lb/> nochmals schriftlich zu umwerben; er bat, die eben in Frankfurt vereinbarten Richt¬<lb/> linien einer Reform zu prüfen und anzuerkennen. Er mutete ihm ganz unbefangen<lb/> zu, mit dem Gedanken der Hegemonie in Kleindeutschland oder der Mainlinien¬<lb/> trennung in ein preußisches und österreichisches Deutschland zu brechen und gegebenen¬<lb/> falls seine Meinung ungescheut einem Bundesbeschluß unterzuordnen. Ebenso<lb/> naiv wie er Preußen die Vorbedingungen zum selbstherrlichen Großmachtenstaat<lb/> abschnitt, ebenso optimistisch unterschätzt er den habsburgischen Sonderwillen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3041" next="#ID_3042"> AIs nun die Schleswig-Holsteinischen Vorgänge aufs neue Zerwürfnisse<lb/> hervorriefen, sprach es König Wilhelm, dem diesmal Bismarck und sein Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0622]
Drei Könige
man ihn beim Portepee des preußischen Offiziers zu fassen wußte, eben in
diesem ausgesprochen militärischen Wesen ruhte doch ein erheblicher Teil auch
seiner Kraft und Bedeutung als Politiker. Und wenn er den mittelstaatlichen
Interessen nicht genug Rechnung trug, so verriet er doch nur den gesunden,
instinktsicheren Egoismus, ohne den nun einmal ein großes Staatswesen ver¬
kümmern müßte. Dies war es, was Johann seinerseits verkannte. Er war
Bundeslegitimist. Sein politisches Denken empfing in dieser begrenzten Sphäre
der Majoritätsbeschlüsse einen formalistischen Anstrich; er unterschätzte den eigen¬
willigen Machtgedanken, der Österreich und Preußen gegeneinander trieb und
beide wiederum aus der Zahl der übrigen Mitglieder so hoch und selbständig
hinaushob. War König Wilhelm ganz einseitig Preuße, so war König Johann
nicht minder einseitig Sachse. In jedem dieser beiden Herrscher lebten und
wirkten die eigentümlichen Überlieferungen ihres Hauses, ihres Staates. Es
war somit natürlich, daß sich diese überpersönlichen Gegensätze gerade in jenen
Jahren schicksalsschwerer Spannung der beiden Monarchen mit aller Gewalt
bemächtigten bis zum leidenschaftlichen Zusammenstoß. Das gehört nun einmal
zur Tragik fürstlicher Freundschaften.
Vorübergehend schien es zwar, als ob diese innerlichen Konflikte verstummten,
und die beiden Könige sich aufatmend der Pflege ihres persönlichen und
familiären Austausches zuwendeten. Aber die unaufhaltsam vorwärtsschreitenden
Begebenheiten rissen den Zwiespalt doch immer erneut auf. Über den National¬
verein war man bereits wieder verschiedener Meinung. Auch Wilhelm war
natürlich weit entfernt, sich irgendwie mit dessen Zielen gleich zu setzen; aber
während Johann den Verein geradezu des Hochverrates beschuldigte und
schärfere Maßregeln verlangte, dämpfte er diesen Eifer und riet abzuwarten,
bis die Regierungen durch wirklich gefährliches Treiben herausgefordert würden.
Auch diesmal sieht man den Prinzregenten von der nach vorwärts flutenden
Strömung stärker berührt als den Wettinischen Vetter. Immerhin, das war
nur ein verhältnismäßig unbedeutender Gegensatz. Viel tiefer grub und
erweiterte ihn der Frankfurter Fürstentag. Bismarck hat damals förmlich um
die Seele seines Herrn gerungen, der sich einer Versammlung nicht entziehen
wollte, zu der ihn ein König, eben Johann von Sachsen, als Kurier eingeladen hatte.
Bismarck siegte, Wilhelm folgte dem Freunde nicht. Johann hingegen versuchte ihn
nochmals schriftlich zu umwerben; er bat, die eben in Frankfurt vereinbarten Richt¬
linien einer Reform zu prüfen und anzuerkennen. Er mutete ihm ganz unbefangen
zu, mit dem Gedanken der Hegemonie in Kleindeutschland oder der Mainlinien¬
trennung in ein preußisches und österreichisches Deutschland zu brechen und gegebenen¬
falls seine Meinung ungescheut einem Bundesbeschluß unterzuordnen. Ebenso
naiv wie er Preußen die Vorbedingungen zum selbstherrlichen Großmachtenstaat
abschnitt, ebenso optimistisch unterschätzt er den habsburgischen Sonderwillen.
AIs nun die Schleswig-Holsteinischen Vorgänge aufs neue Zerwürfnisse
hervorriefen, sprach es König Wilhelm, dem diesmal Bismarck und sein Ge-
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