Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Drei Könige Über Regierungsmaßregeln so wohl, als über die Personen, denen die Aus¬ Indessen die Ereignisse selber zwangen die beiden Monarchen in ver¬ Drei Könige Über Regierungsmaßregeln so wohl, als über die Personen, denen die Aus¬ Indessen die Ereignisse selber zwangen die beiden Monarchen in ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0621" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323023"/> <fw type="header" place="top"> Drei Könige</fw><lb/> <p xml:id="ID_3037" prev="#ID_3036"> Über Regierungsmaßregeln so wohl, als über die Personen, denen die Aus¬<lb/> führung derselben oblag, stand — die mir zeigten, daß es ihm nur an der<lb/> Freiheit des Handelnkönnens gebrach, nur so manches in Preußen zu ändern.<lb/> Hierdurch bin ich gekräftigt worden, Verhältnisse eintreten zu lassen, die. wenn<lb/> der König seine völlige, freie Geisteskraft wieder gewinnt, seine Zustimmung<lb/> haben würden. In diesem Sinne handle ich mit Gottes Beistand. Leicht ist<lb/> meine Lage nicht, aber bei dem redlichen, festen und consequenten Willen, den<lb/> man bei mir kennt, wird man wissen, was man von mir zu halten hat: daß<lb/> ich so Gott will, die goldene Mittelstraße zu wandeln gedenke- — da ich von<lb/> jeher allen Extremen Feind gewesen bin! Auf Dein und aller deutschen<lb/> souveraine Vertrauen rechne ich dabei, wenn es deutsche und Europäische<lb/> Interessen gilt, die Eins sein müssen und Können!"</p><lb/> <p xml:id="ID_3038" next="#ID_3039"> Indessen die Ereignisse selber zwangen die beiden Monarchen in ver¬<lb/> schiedene Richtung und ließen bald keinen Zweifel darüber, wie jäh und schroff<lb/> ihre Wege auseinandergingen, auseinandergehen mußten. Schon in der<lb/> italienischen Krisis des folgenden Jahres meldete sich der Gegensatz mit hörbarer<lb/> Bestimmtheit zu Wort. Johann erwartete von dem König von Preußen, daß<lb/> er für Österreichs gutes Recht in Italien sein Ansehen, und wenn es gelte,<lb/> sein Schwert in die Wagschale werfe, und erklärte sich bereit, ihm mit den<lb/> anderen Bundesfürsten auf dieser Bahn zu folgen. Er drängte zu raschem,<lb/> entschiedenem Eingreifen gegen Frankreich. Wilhelm blieb zurückhaltend. Seine<lb/> Regierung nahm eine neutrale Stellung ein und hielt daran fest, daß der<lb/> Krieg in Italien den Bund nichts angehe, sofern nicht gerade der Schutz des<lb/> Bundesgebietes in Frage komme. Vergeblich suchte Johann die Einwände des<lb/> Prinzregenten, der den preußischen Standpunkt verteidigte, zu entkräften. Er<lb/> steigerte seine Beredsamkeit zu einer Wärme, die gerade diesem überlegten,<lb/> besonnenen Mann wohl anstand: „Ich bitte und beschwöre Dich als Freund,<lb/> als Fürst, als Teutschen, laß diese Gelegenheit nicht vorübergehen, daß wir<lb/> alle wie Ein Mann dem Feind der öffentlichen Ruhe, der jetzt zum Glück die<lb/> Maske abgeworfen hat, entgegentreten. Ihr sprecht immer von Initiative.<lb/> Ergreift sie! und wir werden folgen." Es half nichts, der fürstliche Freund<lb/> setzte ihm vielmehr die Notwendigkeit einer Reform des Bundeskriegswesens<lb/> auseinander, wobei er ihm gereizte Worte und bittere Anspielungen auf Rhein¬<lb/> bundsgelüste entgegenschleuderte und die beiden Großmächte Preußen und<lb/> Österreich scharf gegenüber den kleineren Staaten ins Zentrum rückte. Man<lb/> wird sich nicht wundern, daß diese Sprache Johann schmerzte. Er warf<lb/> dem König vor, er betrachte die Dinge zu einseitig als Militär, zu wenig als<lb/> Politiker. Er verstehe es nicht, sich in die Lage der Mittelstaaten hinein¬<lb/> zudenken, die man nicht mit einem beliebigen Herzogtum vergleichen dürfe!<lb/> Diese Vorwürfe waren gewiß nicht ganz unbegründet. Aber eben in diesem<lb/> ausgeprägten militärischen Bewußtsein Wilhelms, der als König wohl einmal<lb/> verzagen konnte, aber sich zu seinem ganzen Stolze wiederaufrichtete, sobald</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0621]
Drei Könige
Über Regierungsmaßregeln so wohl, als über die Personen, denen die Aus¬
führung derselben oblag, stand — die mir zeigten, daß es ihm nur an der
Freiheit des Handelnkönnens gebrach, nur so manches in Preußen zu ändern.
Hierdurch bin ich gekräftigt worden, Verhältnisse eintreten zu lassen, die. wenn
der König seine völlige, freie Geisteskraft wieder gewinnt, seine Zustimmung
haben würden. In diesem Sinne handle ich mit Gottes Beistand. Leicht ist
meine Lage nicht, aber bei dem redlichen, festen und consequenten Willen, den
man bei mir kennt, wird man wissen, was man von mir zu halten hat: daß
ich so Gott will, die goldene Mittelstraße zu wandeln gedenke- — da ich von
jeher allen Extremen Feind gewesen bin! Auf Dein und aller deutschen
souveraine Vertrauen rechne ich dabei, wenn es deutsche und Europäische
Interessen gilt, die Eins sein müssen und Können!"
Indessen die Ereignisse selber zwangen die beiden Monarchen in ver¬
schiedene Richtung und ließen bald keinen Zweifel darüber, wie jäh und schroff
ihre Wege auseinandergingen, auseinandergehen mußten. Schon in der
italienischen Krisis des folgenden Jahres meldete sich der Gegensatz mit hörbarer
Bestimmtheit zu Wort. Johann erwartete von dem König von Preußen, daß
er für Österreichs gutes Recht in Italien sein Ansehen, und wenn es gelte,
sein Schwert in die Wagschale werfe, und erklärte sich bereit, ihm mit den
anderen Bundesfürsten auf dieser Bahn zu folgen. Er drängte zu raschem,
entschiedenem Eingreifen gegen Frankreich. Wilhelm blieb zurückhaltend. Seine
Regierung nahm eine neutrale Stellung ein und hielt daran fest, daß der
Krieg in Italien den Bund nichts angehe, sofern nicht gerade der Schutz des
Bundesgebietes in Frage komme. Vergeblich suchte Johann die Einwände des
Prinzregenten, der den preußischen Standpunkt verteidigte, zu entkräften. Er
steigerte seine Beredsamkeit zu einer Wärme, die gerade diesem überlegten,
besonnenen Mann wohl anstand: „Ich bitte und beschwöre Dich als Freund,
als Fürst, als Teutschen, laß diese Gelegenheit nicht vorübergehen, daß wir
alle wie Ein Mann dem Feind der öffentlichen Ruhe, der jetzt zum Glück die
Maske abgeworfen hat, entgegentreten. Ihr sprecht immer von Initiative.
Ergreift sie! und wir werden folgen." Es half nichts, der fürstliche Freund
setzte ihm vielmehr die Notwendigkeit einer Reform des Bundeskriegswesens
auseinander, wobei er ihm gereizte Worte und bittere Anspielungen auf Rhein¬
bundsgelüste entgegenschleuderte und die beiden Großmächte Preußen und
Österreich scharf gegenüber den kleineren Staaten ins Zentrum rückte. Man
wird sich nicht wundern, daß diese Sprache Johann schmerzte. Er warf
dem König vor, er betrachte die Dinge zu einseitig als Militär, zu wenig als
Politiker. Er verstehe es nicht, sich in die Lage der Mittelstaaten hinein¬
zudenken, die man nicht mit einem beliebigen Herzogtum vergleichen dürfe!
Diese Vorwürfe waren gewiß nicht ganz unbegründet. Aber eben in diesem
ausgeprägten militärischen Bewußtsein Wilhelms, der als König wohl einmal
verzagen konnte, aber sich zu seinem ganzen Stolze wiederaufrichtete, sobald
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