Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.T>rei Könige unheilvolle Spaltung Deutschlands, weil ihm Österreich dadurch völlig entfremdet T>rei Könige unheilvolle Spaltung Deutschlands, weil ihm Österreich dadurch völlig entfremdet <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323020"/> <fw type="header" place="top"> T>rei Könige</fw><lb/> <p xml:id="ID_3031" prev="#ID_3030" next="#ID_3032"> unheilvolle Spaltung Deutschlands, weil ihm Österreich dadurch völlig entfremdet<lb/> werde. Man sieht in diesen Zeilen die alten Gegensätze vom Wiener Kongresse<lb/> wieder auftauchen, die Besorgnisse der Wettiner vor dem stärkeren und aus¬<lb/> greifenden Staat der Hohenzollern, Der Prinz wehrte sich besonders lebhaft<lb/> gegen solche Gefahren, weil gerade er sich von jenem Groll gegen Preußen frei¬<lb/> gemacht hatte und über alten Vorurteile» zu schweben glaubte. „Ich war viel¬<lb/> leicht einer der ersten, der in einer Zeit, wo noch der preußische Name unter<lb/> Sachsens Staatsmännern ein Gräuel war, meine Stimme für eine Annäherung<lb/> an Preußen erhob." Solche scharfe Auseinandersetzungen, die sich auch in den<lb/> nächsten Monaten wiederholten, ließen in beider Herzen, so sehr sie aufeinander<lb/> Rücksicht zu nehmen suchten, auch persönliche Verstimmungen zurück. Man trieb<lb/> den Olmützer Tagen entgegen. Johann warnte, beschwichtigte, er sprach von<lb/> einem neuen siebenjährigen Krieg. „Ich fürchte jedoch vielmehr," schrieb er<lb/> am 23. Oktober 1850, „daß uns ein neuer Dreißigjähriger Krieg bevorsteht,<lb/> wenn einmal der erste Kanonenschuß gelöst ist, denn jedenfalls werden die<lb/> populären Leidenschaften mit ins Spiel kommen. Die Möglichkeit, ja die nahe<lb/> Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausganges, wenn Preußen auf seiner Politik<lb/> beharrt, ist leider nicht abzuläugnen. So sehe ich denn überall nichts als<lb/> Unheil auf diesem Wege und nur ein Mittel der Rettung für uns alle: offener<lb/> entschiedener Systemmechsel Seitens Preußens. Aber Preußens Ehre! Aber<lb/> die Ehre seines Königes! Darauf entgegne ich, wenn Preußen seine entschiedene<lb/> Geneigtheit zeigt seinen Weg aufzugeben, so wird man ihm — ich hoffe es —<lb/> goldene Brücken bauen. Aber auch abgesehen hiervon, kann es Preußens Ehre<lb/> seyn, einen Brudermörderischen Kampf zu veranlassen? Kann es Preußens<lb/> Ehre seyn, mit der Revolution, wenn auch nur mit der zahmen, in Bund zu<lb/> treten? Und wenn Hunderte, wenn tausende seinen König der Inconsequenz<lb/> beschuldigen, Hunderttausende werden ihm als dem Retter Deutschlands von<lb/> Herzen danken, und sein eigenes Gefühl wird ihm sagen, daß es besser ist an<lb/> einer verderblichen Bahn umzukehren als sich und andere durch Verharren auf<lb/> derselben ins Verderben zu stürzen!!" Er unterzeichnete diesen Brief: „Dein<lb/> treuer Freund Johann, der dir dann auch treu bleiben wird, wenn du uns<lb/> Kanonenkugeln zuschickst." Eine Woche später erneuerte er denselben Mahnruf<lb/> zum Frieden und zur Umkehr. Auch diesmal eiferte er gegen ein überspanntes<lb/> preußisches Ehrgefühl; aber er war sich doch vollkommen klar darüber, — der<lb/> Ton seiner Zeilen bestätigt es —, daß er dem preußischen Stolz einen außer¬<lb/> ordentlichen Schritt zumutete. Diese flehentlichen Bitten des Freundes mögen<lb/> in dem König immerhin den Boden für die Entschlüsse mit vorbereitet haben,<lb/> die ihn nach Olmütz führten. Aber am Christtag. drei Wochen nach dieser<lb/> Demütigung, war Friedrich'Wilhelm bereits wieder in der Lage, einen über¬<lb/> mütigen Brief nach Dresden zu richten, den er mit Karikaturen schmückte, voll¬<lb/> kommen unbefangen, vollkommen heiter. Das Befremden über die Stimmung<lb/> dieses Schreibens wächst, wenn man sich erinnert, mit welch heißem Groll der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0618]
T>rei Könige
unheilvolle Spaltung Deutschlands, weil ihm Österreich dadurch völlig entfremdet
werde. Man sieht in diesen Zeilen die alten Gegensätze vom Wiener Kongresse
wieder auftauchen, die Besorgnisse der Wettiner vor dem stärkeren und aus¬
greifenden Staat der Hohenzollern, Der Prinz wehrte sich besonders lebhaft
gegen solche Gefahren, weil gerade er sich von jenem Groll gegen Preußen frei¬
gemacht hatte und über alten Vorurteile» zu schweben glaubte. „Ich war viel¬
leicht einer der ersten, der in einer Zeit, wo noch der preußische Name unter
Sachsens Staatsmännern ein Gräuel war, meine Stimme für eine Annäherung
an Preußen erhob." Solche scharfe Auseinandersetzungen, die sich auch in den
nächsten Monaten wiederholten, ließen in beider Herzen, so sehr sie aufeinander
Rücksicht zu nehmen suchten, auch persönliche Verstimmungen zurück. Man trieb
den Olmützer Tagen entgegen. Johann warnte, beschwichtigte, er sprach von
einem neuen siebenjährigen Krieg. „Ich fürchte jedoch vielmehr," schrieb er
am 23. Oktober 1850, „daß uns ein neuer Dreißigjähriger Krieg bevorsteht,
wenn einmal der erste Kanonenschuß gelöst ist, denn jedenfalls werden die
populären Leidenschaften mit ins Spiel kommen. Die Möglichkeit, ja die nahe
Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausganges, wenn Preußen auf seiner Politik
beharrt, ist leider nicht abzuläugnen. So sehe ich denn überall nichts als
Unheil auf diesem Wege und nur ein Mittel der Rettung für uns alle: offener
entschiedener Systemmechsel Seitens Preußens. Aber Preußens Ehre! Aber
die Ehre seines Königes! Darauf entgegne ich, wenn Preußen seine entschiedene
Geneigtheit zeigt seinen Weg aufzugeben, so wird man ihm — ich hoffe es —
goldene Brücken bauen. Aber auch abgesehen hiervon, kann es Preußens Ehre
seyn, einen Brudermörderischen Kampf zu veranlassen? Kann es Preußens
Ehre seyn, mit der Revolution, wenn auch nur mit der zahmen, in Bund zu
treten? Und wenn Hunderte, wenn tausende seinen König der Inconsequenz
beschuldigen, Hunderttausende werden ihm als dem Retter Deutschlands von
Herzen danken, und sein eigenes Gefühl wird ihm sagen, daß es besser ist an
einer verderblichen Bahn umzukehren als sich und andere durch Verharren auf
derselben ins Verderben zu stürzen!!" Er unterzeichnete diesen Brief: „Dein
treuer Freund Johann, der dir dann auch treu bleiben wird, wenn du uns
Kanonenkugeln zuschickst." Eine Woche später erneuerte er denselben Mahnruf
zum Frieden und zur Umkehr. Auch diesmal eiferte er gegen ein überspanntes
preußisches Ehrgefühl; aber er war sich doch vollkommen klar darüber, — der
Ton seiner Zeilen bestätigt es —, daß er dem preußischen Stolz einen außer¬
ordentlichen Schritt zumutete. Diese flehentlichen Bitten des Freundes mögen
in dem König immerhin den Boden für die Entschlüsse mit vorbereitet haben,
die ihn nach Olmütz führten. Aber am Christtag. drei Wochen nach dieser
Demütigung, war Friedrich'Wilhelm bereits wieder in der Lage, einen über¬
mütigen Brief nach Dresden zu richten, den er mit Karikaturen schmückte, voll¬
kommen unbefangen, vollkommen heiter. Das Befremden über die Stimmung
dieses Schreibens wächst, wenn man sich erinnert, mit welch heißem Groll der
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