Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Drei Könige andere, was Noth tut," fuhr er fort, "ist aber eine zweckmäßige Umgestaltung Als die zwei Freunde diese merkwürdigen Bekenntnisse austauschten, standen Drei Könige andere, was Noth tut," fuhr er fort, „ist aber eine zweckmäßige Umgestaltung Als die zwei Freunde diese merkwürdigen Bekenntnisse austauschten, standen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0616" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323018"/> <fw type="header" place="top"> Drei Könige</fw><lb/> <p xml:id="ID_3027" prev="#ID_3026"> andere, was Noth tut," fuhr er fort, „ist aber eine zweckmäßige Umgestaltung<lb/> des Bundes, damit er inneres Leben und Kraft gewinne, und hier würde ich<lb/> mich in unseren oft besprochenen patriotischen Phantasien verlieren, wenn ich<lb/> mehr sagen wollte. Ich habe mir aber vorgenommen, einmal meine Ideen zu<lb/> Papier zu bringen und sie Dir dann zu schicken. Das einzige Mittel, hierzu<lb/> zu gelangen, wäre aber vielleicht ein Fürstenkongreß für Deutschland; doch<lb/> müßte matt freilich vorher über die Hauptideen einig seyn. Verzeihe, theuerster<lb/> Freund, diesen patriotischen Excurs. Ich konnte meine Gesinnungen Dir, der<lb/> Du mein Herz kennst, hier nicht verbergen, denn die Zeit läuft und der Boden<lb/> wird hohl in Teutschland. Sollte es möglich sein, jene schönen Träume zu<lb/> realisieren, dann wäre es an der Zeit, mit ganzer Kraft gegen alles Schlechte<lb/> aufzutreten, denn man wäre der Meinung der Besseren gewiß." Kronprinz<lb/> Friedrich Wilhelm nannte in seiner Antwort die deutschen Fürstentage seine<lb/> Lieblingsidee. Und was er in seiner sprudelnden, fahrigen, halbwitzelnden Art<lb/> hinzufügte, ist unendlich bezeichnend für diesen als Menschen wie als Politiker<lb/> so schillernden Monarchen. „Ich fürchte, ich fürchte," schrieb er, „die Zeit ist<lb/> zu matt und miserabel, um irgend eine Jnstituzion zu gründen, die über die<lb/> quatsche Charten-Schablone hinausgeht. Das ist zum Verzweifeln für die,<lb/> denen der Teutsche Nahme und das teutsche Wesen so heiß in Herz und Ein¬<lb/> geweide brennen wie mir!I!I! Nun Gott besser's. Amen. Meine Phantasie<lb/> geht mit mir durch (um die Sprache des Zeitgeistes zu reden), wenn ich auf<lb/> dies Capittel komme. Doch gestehe ich, daß in diesem Ausdruck etwas hypo-<lb/> critisches liegt — denn eigentlich meine ich, daß in Allem, was mir darüber<lb/> in Kopf und Herz liegt, wirklich ein sinnliches Gleichgewicht zwischen Verstand<lb/> und Gefühl vorhanden ist. Ich glaube, daß nicht Alle, die der Zeit Geist für<lb/> toll hält, wahnsinnig sind, und daß nicht alle, die der Zeit Geist für ernste,<lb/> zeitgemäß organisierte Männer hält, auch nur ein Scherflein gesunden Menschen<lb/> Verstandes haben —. Aber brechen wir lieber davon ab. Ich würde sonst<lb/> nicht endigen." Und er endigte in der Tat nicht. Ruhelos, kokett springt<lb/> dieses Schreiben von einem Gegenstand zum anderen über, vom Erhabenen<lb/> zum Alltäglichen, vom Politischen ins Persönliche, vom rauschenden Pathos, mit<lb/> dem er jedoch halb ironisch spielt, zum flachen Berliner Witz, ein Romantiker¬<lb/> brief durch und durch, mit verblüffenden Übergängen. In dieser Form konnte<lb/> ihn nur einer, eben Friedrich Wilhelm der Vierte, verfassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3028" next="#ID_3029"> Als die zwei Freunde diese merkwürdigen Bekenntnisse austauschten, standen<lb/> sie in der vollsten Blüte ihrer Jugendjahre, beide noch nicht an führender Stelle.<lb/> Als das Jahr 1848 die deutsche Frage, jetzt eine Herzensfrage des ganzen<lb/> Volkes, aufrollte, waren sie auf der Höhe des Mannesalters angelangt, und<lb/> der eine als König von Preußen der Fürst, in dessen Hand die Geschicke der<lb/> Nation gelegt waren. Nachdem die preußische Negierung im Innern wieder einiger¬<lb/> maßen ins Gleichgewicht gekommen war, steuerte sie seit Anfang 1849 abermals<lb/> der Lösung des deutschen Problems zu. Der Konflikt der hohenzollernschen und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0616]
Drei Könige
andere, was Noth tut," fuhr er fort, „ist aber eine zweckmäßige Umgestaltung
des Bundes, damit er inneres Leben und Kraft gewinne, und hier würde ich
mich in unseren oft besprochenen patriotischen Phantasien verlieren, wenn ich
mehr sagen wollte. Ich habe mir aber vorgenommen, einmal meine Ideen zu
Papier zu bringen und sie Dir dann zu schicken. Das einzige Mittel, hierzu
zu gelangen, wäre aber vielleicht ein Fürstenkongreß für Deutschland; doch
müßte matt freilich vorher über die Hauptideen einig seyn. Verzeihe, theuerster
Freund, diesen patriotischen Excurs. Ich konnte meine Gesinnungen Dir, der
Du mein Herz kennst, hier nicht verbergen, denn die Zeit läuft und der Boden
wird hohl in Teutschland. Sollte es möglich sein, jene schönen Träume zu
realisieren, dann wäre es an der Zeit, mit ganzer Kraft gegen alles Schlechte
aufzutreten, denn man wäre der Meinung der Besseren gewiß." Kronprinz
Friedrich Wilhelm nannte in seiner Antwort die deutschen Fürstentage seine
Lieblingsidee. Und was er in seiner sprudelnden, fahrigen, halbwitzelnden Art
hinzufügte, ist unendlich bezeichnend für diesen als Menschen wie als Politiker
so schillernden Monarchen. „Ich fürchte, ich fürchte," schrieb er, „die Zeit ist
zu matt und miserabel, um irgend eine Jnstituzion zu gründen, die über die
quatsche Charten-Schablone hinausgeht. Das ist zum Verzweifeln für die,
denen der Teutsche Nahme und das teutsche Wesen so heiß in Herz und Ein¬
geweide brennen wie mir!I!I! Nun Gott besser's. Amen. Meine Phantasie
geht mit mir durch (um die Sprache des Zeitgeistes zu reden), wenn ich auf
dies Capittel komme. Doch gestehe ich, daß in diesem Ausdruck etwas hypo-
critisches liegt — denn eigentlich meine ich, daß in Allem, was mir darüber
in Kopf und Herz liegt, wirklich ein sinnliches Gleichgewicht zwischen Verstand
und Gefühl vorhanden ist. Ich glaube, daß nicht Alle, die der Zeit Geist für
toll hält, wahnsinnig sind, und daß nicht alle, die der Zeit Geist für ernste,
zeitgemäß organisierte Männer hält, auch nur ein Scherflein gesunden Menschen
Verstandes haben —. Aber brechen wir lieber davon ab. Ich würde sonst
nicht endigen." Und er endigte in der Tat nicht. Ruhelos, kokett springt
dieses Schreiben von einem Gegenstand zum anderen über, vom Erhabenen
zum Alltäglichen, vom Politischen ins Persönliche, vom rauschenden Pathos, mit
dem er jedoch halb ironisch spielt, zum flachen Berliner Witz, ein Romantiker¬
brief durch und durch, mit verblüffenden Übergängen. In dieser Form konnte
ihn nur einer, eben Friedrich Wilhelm der Vierte, verfassen.
Als die zwei Freunde diese merkwürdigen Bekenntnisse austauschten, standen
sie in der vollsten Blüte ihrer Jugendjahre, beide noch nicht an führender Stelle.
Als das Jahr 1848 die deutsche Frage, jetzt eine Herzensfrage des ganzen
Volkes, aufrollte, waren sie auf der Höhe des Mannesalters angelangt, und
der eine als König von Preußen der Fürst, in dessen Hand die Geschicke der
Nation gelegt waren. Nachdem die preußische Negierung im Innern wieder einiger¬
maßen ins Gleichgewicht gekommen war, steuerte sie seit Anfang 1849 abermals
der Lösung des deutschen Problems zu. Der Konflikt der hohenzollernschen und
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