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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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weiteren Experimenten abgeschreckt worden.
Diese Mißerfolge hatten ihre guten Gründe.
Erstens wurde mit der Fütterung gewöhnlich
viel zu spät, d, h, erst bei hohem Schnee
und anhaltendem Froste, begonnen. Das
Wild braucht jedoch einige Zeit, ehe es sich
an den ihm vom Menschen gedeckten Tisch
gewöhnt und seine natürliche Scheu vor
Futterhütten, Krippen usw. überwindet.
Zweitens war es aber auch, wenn es die
Fütterungen endlich annahm, schon so ent¬
kräftet, daß ihm die hastige Aufnahme größerer
Quantitäten ungewohnter Nahrung wie Heu,
Kartoffeln und Rüben schwere Verdauungs¬
störungen zuzog und so das Eingehen manches
Stückes beschleunigte.

In seinem Buche "Die rationelle Wild-
fnttcnmg, insbesondere die Wintcrfüttcrung
des Rehwildes <J. Neumnnn, Neudamm,
M. 2.S0) gibt der Privatförster Fr. SchePPer
nun eine Anweisung, wie sich die geschilderten
Mißstände des künstlichen Ersatzes für die
fehlende natürliche Äsung vermeiden lassen,
ohne daß die beabsichtigte Wirkung der
Fütterung, die schon zeitig im Herbste be¬
ginnen muß, durch ungebetene Gäste wie
Mäuse, Eichhörnchen, Häher usw. beeinträch¬
tigt wird. SchePPer hat eine automatische
Futterkrippe für Rehwild -- in größerem
Formate auch für Hochwild -- konstruiert,
deren Herstellung nicht allzu kostspielig und
deren Mechanismus so einfach ist, daß sie
jahrelang in Gebrauch bleiben kann. Er ist
durch einen Zufall auf diese Erfindung ge¬
bracht worden, denn er beobachtete, wie eine
Ricke mit Kitz auf dem Fasanenfutterplcche
erschien, durch Niedertreten des Trittblechs
den Deckel eines der längst bewährten
Fnsanenfutterlasten hob und nun begierig
den kurz vorher eingeschütteten Mais äste.
Die Folgerung, daß Rehe, wenn sie freiwillig
und ohne Scheu einen aus Eisenblech ver¬
fertigten Kasten öffneten, um zum Futter zu
gelangen, auch einen größeren, eigens für sie
bestimmten Futterbehälter öffnen würden,
lag nahe. Der Versasser baute zwei Kasten
aus Holz, verwitterte sie durch einen Anstrich
aus Erdbrei und stellte sie im Walde um
Stellen auf, wo Rehe gern standen und durch
Ausstreuen von Kastanien und Rüben an¬
gekirrt waren. Er legte jetzt nur wenig

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Futter aus den Boden, desto mehr aber in
die Krippe, deren Deckel durch einen Stell¬
stift ganz hoch gestellt war. Zunächst wurden
die Kastanien, Rübenstücke und Kohlblütter
in der Krippe von den Rehen unbeachtet ge¬
lassen, nach wenigen Tagen aber doch ge¬
nommen, worauf SchePPer die Kasten nur
noch mit Kastanien und Eicheln füllte, auf
den Boden jedoch nur einige Reste aus der
Krippe sowie einige wenige Blätter warf.
"Nach acht Tagen wurde der Krippendeckel
mittels des StellstiftS etwas tiefer gestellt,
so daß er sich beim Betreten des Fußbrettes
etwas bewegte; auch hieran gewöhnten sich
die Rehe in einigen Tagen, und zwei Wochen
später hatten sie gelernt, vertraut die ganz
geschlossene Krippe zu öffnen, d. h. durch
Niedertreten des Fußbrettes den Deckel in
die Höhe zu schnellen! sie erschraken auch nicht
im geringsten beim Niederfallen des Deckels,
obgleich dabei ein ziemlich lautes Klappen
erfolgte."

Nach diesem günstigen Ergebnis hat
SchePPer in den letzten Jahren eine große
Anzahl automatischer Krippen aufgestellt und
dadurch seinen Rehbestand unvermindert auch
durch strenge Winter hindurchgebracht. Außer
Kastanien, die übrigens zerquetscht verfüttert
werden müssen, und Eicheln verwendete er
in seinen Kasten später auch Mais, Bohnen,
Erbsen, statt dieser neuerdings aber vor allein
die bekannten, von Denkers Pferde-Kakes-
fabrik, Mona (Elbe) in den Handel ge¬
brachten Wildtnkes, denen er eine kleine Gabe
Phosphorsaurer Kalk und Kochsalz beifügt.
Es verdient besondere Anerkennung, daß der
Verfasser es verschmäht, seine Erfindung ge¬
schäftsmäßig auszunutzen, daß er sie vielmehr
aus Liebe zum Wilde und im Interesse
einer vernünftigen Hege der Allgemeinheit
preisgibt. Genaue Abbildungen der Krippe
und ihrer einzelnen Teile ermöglichen es
jedem Weidmann, sich diese nützliche Vor¬
richtung selbst herzustellen oder durch den
ersten besten Tischler anfertigen zu lassen.
Ein geradezu herzerfreuender Schmuck des
Buches sind die vorzüglichen, nach Photo¬
graphischen Momentaufnahmen wiederge-
gebenen Abbildungen der "in vollem Betrieb"
befindlichen Futterplätze für Rehwild und
Fasanen.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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weiteren Experimenten abgeschreckt worden.
Diese Mißerfolge hatten ihre guten Gründe.
Erstens wurde mit der Fütterung gewöhnlich
viel zu spät, d, h, erst bei hohem Schnee
und anhaltendem Froste, begonnen. Das
Wild braucht jedoch einige Zeit, ehe es sich
an den ihm vom Menschen gedeckten Tisch
gewöhnt und seine natürliche Scheu vor
Futterhütten, Krippen usw. überwindet.
Zweitens war es aber auch, wenn es die
Fütterungen endlich annahm, schon so ent¬
kräftet, daß ihm die hastige Aufnahme größerer
Quantitäten ungewohnter Nahrung wie Heu,
Kartoffeln und Rüben schwere Verdauungs¬
störungen zuzog und so das Eingehen manches
Stückes beschleunigte.

In seinem Buche „Die rationelle Wild-
fnttcnmg, insbesondere die Wintcrfüttcrung
des Rehwildes <J. Neumnnn, Neudamm,
M. 2.S0) gibt der Privatförster Fr. SchePPer
nun eine Anweisung, wie sich die geschilderten
Mißstände des künstlichen Ersatzes für die
fehlende natürliche Äsung vermeiden lassen,
ohne daß die beabsichtigte Wirkung der
Fütterung, die schon zeitig im Herbste be¬
ginnen muß, durch ungebetene Gäste wie
Mäuse, Eichhörnchen, Häher usw. beeinträch¬
tigt wird. SchePPer hat eine automatische
Futterkrippe für Rehwild — in größerem
Formate auch für Hochwild — konstruiert,
deren Herstellung nicht allzu kostspielig und
deren Mechanismus so einfach ist, daß sie
jahrelang in Gebrauch bleiben kann. Er ist
durch einen Zufall auf diese Erfindung ge¬
bracht worden, denn er beobachtete, wie eine
Ricke mit Kitz auf dem Fasanenfutterplcche
erschien, durch Niedertreten des Trittblechs
den Deckel eines der längst bewährten
Fnsanenfutterlasten hob und nun begierig
den kurz vorher eingeschütteten Mais äste.
Die Folgerung, daß Rehe, wenn sie freiwillig
und ohne Scheu einen aus Eisenblech ver¬
fertigten Kasten öffneten, um zum Futter zu
gelangen, auch einen größeren, eigens für sie
bestimmten Futterbehälter öffnen würden,
lag nahe. Der Versasser baute zwei Kasten
aus Holz, verwitterte sie durch einen Anstrich
aus Erdbrei und stellte sie im Walde um
Stellen auf, wo Rehe gern standen und durch
Ausstreuen von Kastanien und Rüben an¬
gekirrt waren. Er legte jetzt nur wenig

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Futter aus den Boden, desto mehr aber in
die Krippe, deren Deckel durch einen Stell¬
stift ganz hoch gestellt war. Zunächst wurden
die Kastanien, Rübenstücke und Kohlblütter
in der Krippe von den Rehen unbeachtet ge¬
lassen, nach wenigen Tagen aber doch ge¬
nommen, worauf SchePPer die Kasten nur
noch mit Kastanien und Eicheln füllte, auf
den Boden jedoch nur einige Reste aus der
Krippe sowie einige wenige Blätter warf.
„Nach acht Tagen wurde der Krippendeckel
mittels des StellstiftS etwas tiefer gestellt,
so daß er sich beim Betreten des Fußbrettes
etwas bewegte; auch hieran gewöhnten sich
die Rehe in einigen Tagen, und zwei Wochen
später hatten sie gelernt, vertraut die ganz
geschlossene Krippe zu öffnen, d. h. durch
Niedertreten des Fußbrettes den Deckel in
die Höhe zu schnellen! sie erschraken auch nicht
im geringsten beim Niederfallen des Deckels,
obgleich dabei ein ziemlich lautes Klappen
erfolgte."

Nach diesem günstigen Ergebnis hat
SchePPer in den letzten Jahren eine große
Anzahl automatischer Krippen aufgestellt und
dadurch seinen Rehbestand unvermindert auch
durch strenge Winter hindurchgebracht. Außer
Kastanien, die übrigens zerquetscht verfüttert
werden müssen, und Eicheln verwendete er
in seinen Kasten später auch Mais, Bohnen,
Erbsen, statt dieser neuerdings aber vor allein
die bekannten, von Denkers Pferde-Kakes-
fabrik, Mona (Elbe) in den Handel ge¬
brachten Wildtnkes, denen er eine kleine Gabe
Phosphorsaurer Kalk und Kochsalz beifügt.
Es verdient besondere Anerkennung, daß der
Verfasser es verschmäht, seine Erfindung ge¬
schäftsmäßig auszunutzen, daß er sie vielmehr
aus Liebe zum Wilde und im Interesse
einer vernünftigen Hege der Allgemeinheit
preisgibt. Genaue Abbildungen der Krippe
und ihrer einzelnen Teile ermöglichen es
jedem Weidmann, sich diese nützliche Vor¬
richtung selbst herzustellen oder durch den
ersten besten Tischler anfertigen zu lassen.
Ein geradezu herzerfreuender Schmuck des
Buches sind die vorzüglichen, nach Photo¬
graphischen Momentaufnahmen wiederge-
gebenen Abbildungen der „in vollem Betrieb"
befindlichen Futterplätze für Rehwild und
Fasanen.

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[0593] Maßgebliches und Unmaßgebliches weiteren Experimenten abgeschreckt worden. Diese Mißerfolge hatten ihre guten Gründe. Erstens wurde mit der Fütterung gewöhnlich viel zu spät, d, h, erst bei hohem Schnee und anhaltendem Froste, begonnen. Das Wild braucht jedoch einige Zeit, ehe es sich an den ihm vom Menschen gedeckten Tisch gewöhnt und seine natürliche Scheu vor Futterhütten, Krippen usw. überwindet. Zweitens war es aber auch, wenn es die Fütterungen endlich annahm, schon so ent¬ kräftet, daß ihm die hastige Aufnahme größerer Quantitäten ungewohnter Nahrung wie Heu, Kartoffeln und Rüben schwere Verdauungs¬ störungen zuzog und so das Eingehen manches Stückes beschleunigte. In seinem Buche „Die rationelle Wild- fnttcnmg, insbesondere die Wintcrfüttcrung des Rehwildes <J. Neumnnn, Neudamm, M. 2.S0) gibt der Privatförster Fr. SchePPer nun eine Anweisung, wie sich die geschilderten Mißstände des künstlichen Ersatzes für die fehlende natürliche Äsung vermeiden lassen, ohne daß die beabsichtigte Wirkung der Fütterung, die schon zeitig im Herbste be¬ ginnen muß, durch ungebetene Gäste wie Mäuse, Eichhörnchen, Häher usw. beeinträch¬ tigt wird. SchePPer hat eine automatische Futterkrippe für Rehwild — in größerem Formate auch für Hochwild — konstruiert, deren Herstellung nicht allzu kostspielig und deren Mechanismus so einfach ist, daß sie jahrelang in Gebrauch bleiben kann. Er ist durch einen Zufall auf diese Erfindung ge¬ bracht worden, denn er beobachtete, wie eine Ricke mit Kitz auf dem Fasanenfutterplcche erschien, durch Niedertreten des Trittblechs den Deckel eines der längst bewährten Fnsanenfutterlasten hob und nun begierig den kurz vorher eingeschütteten Mais äste. Die Folgerung, daß Rehe, wenn sie freiwillig und ohne Scheu einen aus Eisenblech ver¬ fertigten Kasten öffneten, um zum Futter zu gelangen, auch einen größeren, eigens für sie bestimmten Futterbehälter öffnen würden, lag nahe. Der Versasser baute zwei Kasten aus Holz, verwitterte sie durch einen Anstrich aus Erdbrei und stellte sie im Walde um Stellen auf, wo Rehe gern standen und durch Ausstreuen von Kastanien und Rüben an¬ gekirrt waren. Er legte jetzt nur wenig Futter aus den Boden, desto mehr aber in die Krippe, deren Deckel durch einen Stell¬ stift ganz hoch gestellt war. Zunächst wurden die Kastanien, Rübenstücke und Kohlblütter in der Krippe von den Rehen unbeachtet ge¬ lassen, nach wenigen Tagen aber doch ge¬ nommen, worauf SchePPer die Kasten nur noch mit Kastanien und Eicheln füllte, auf den Boden jedoch nur einige Reste aus der Krippe sowie einige wenige Blätter warf. „Nach acht Tagen wurde der Krippendeckel mittels des StellstiftS etwas tiefer gestellt, so daß er sich beim Betreten des Fußbrettes etwas bewegte; auch hieran gewöhnten sich die Rehe in einigen Tagen, und zwei Wochen später hatten sie gelernt, vertraut die ganz geschlossene Krippe zu öffnen, d. h. durch Niedertreten des Fußbrettes den Deckel in die Höhe zu schnellen! sie erschraken auch nicht im geringsten beim Niederfallen des Deckels, obgleich dabei ein ziemlich lautes Klappen erfolgte." Nach diesem günstigen Ergebnis hat SchePPer in den letzten Jahren eine große Anzahl automatischer Krippen aufgestellt und dadurch seinen Rehbestand unvermindert auch durch strenge Winter hindurchgebracht. Außer Kastanien, die übrigens zerquetscht verfüttert werden müssen, und Eicheln verwendete er in seinen Kasten später auch Mais, Bohnen, Erbsen, statt dieser neuerdings aber vor allein die bekannten, von Denkers Pferde-Kakes- fabrik, Mona (Elbe) in den Handel ge¬ brachten Wildtnkes, denen er eine kleine Gabe Phosphorsaurer Kalk und Kochsalz beifügt. Es verdient besondere Anerkennung, daß der Verfasser es verschmäht, seine Erfindung ge¬ schäftsmäßig auszunutzen, daß er sie vielmehr aus Liebe zum Wilde und im Interesse einer vernünftigen Hege der Allgemeinheit preisgibt. Genaue Abbildungen der Krippe und ihrer einzelnen Teile ermöglichen es jedem Weidmann, sich diese nützliche Vor¬ richtung selbst herzustellen oder durch den ersten besten Tischler anfertigen zu lassen. Ein geradezu herzerfreuender Schmuck des Buches sind die vorzüglichen, nach Photo¬ graphischen Momentaufnahmen wiederge- gebenen Abbildungen der „in vollem Betrieb" befindlichen Futterplätze für Rehwild und Fasanen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/593>, abgerufen am 15.01.2025.