Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Line neue Linhcitsstcnographie für Deutschland Für/ die Lesbarkeit der Handschrift kommt noch etwas anderes hinzu. Worin besteht die Unleserlichkeit? Die Schriftzüge haben die Mannig¬ Übertragen wir diesen Gedankengang auf die Kurzschrift. Sie enthält Allerdings, die höhere stenographische Technik, die Redezeichenkunst weiß Freilich, wenn man Zeitschriften wie die "Stenographische Praxis" liest, Unter Redezeichnern, die beruflich nach demselben System arbeiten, herrschen Line neue Linhcitsstcnographie für Deutschland Für/ die Lesbarkeit der Handschrift kommt noch etwas anderes hinzu. Worin besteht die Unleserlichkeit? Die Schriftzüge haben die Mannig¬ Übertragen wir diesen Gedankengang auf die Kurzschrift. Sie enthält Allerdings, die höhere stenographische Technik, die Redezeichenkunst weiß Freilich, wenn man Zeitschriften wie die „Stenographische Praxis" liest, Unter Redezeichnern, die beruflich nach demselben System arbeiten, herrschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322451"/> <fw type="header" place="top"> Line neue Linhcitsstcnographie für Deutschland</fw><lb/> <p xml:id="ID_202"> Für/ die Lesbarkeit der Handschrift kommt noch etwas anderes hinzu.<lb/> Woher lesen wir eine in ihren Schriftzügen verzerrte Handschrift dennoch mit<lb/> Geläufigkeit? Wir entziffern eine bekannte Handschrift leicht, weil wir die<lb/> Züge kennen, und wir lesen selbst unbekannte Handschriften, weil uns die<lb/> Sprache unterstützt. Wir kennen die Worte, wir entziffern den Zusammenhang.<lb/> Viel schwerer wird es uns die Handschrift einer fremden Sprache zu lesen,<lb/> wenn wir sie nicht so beherrschen wie die Muttersprache; hier beginnt schon die<lb/> Entzifferung durch Vergleichung der Schriftzüge untereinander. Ungewöhnlich<lb/> verzerrte Handschriften werden nur von einzelnen an die Züge gewöhnten Per¬<lb/> sonen entziffert. Einzelne Setzer in Druckereien erlangen eine besondere Fähigkeit,<lb/> unleserliehe Handschriften gelehrter Herren ins Leben zu rufen. Hier hört<lb/> aber selbst für den Setzer die mechanische Arbeit auf, er muß versuchen in das<lb/> Verständnis des Zusammenhanges einzudringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_203"> Worin besteht die Unleserlichkeit? Die Schriftzüge haben die Mannig¬<lb/> faltigkeit der Merkmale verloren, sie gehen unkenntlich ineinander über.</p><lb/> <p xml:id="ID_204"> Übertragen wir diesen Gedankengang auf die Kurzschrift. Sie enthält<lb/> schon durch die Feinheit und Geringfügigkeit ihrer Zeichenunterschiede sehr viel<lb/> weniger Stützpunkte für die Lesbarkeit als die Langschrift. Gleiche Zeichen<lb/> groß und klein, stark und schwach bedeuten ganz verschiedenes, die Zeichen selbst<lb/> sind schon die allereinfachsten, weil die äußerste Kürze der Züge erstrebt wird.<lb/> Hier ist also zur Überwindung sehr vermehrter Schwierigkeiten die Aufbietung<lb/> besonderer Fähigkeiten, besonderen Fleißes und vielfältiger Mühen erforderlich. —<lb/> Wie kann eine solche Schrift jemals eine Verkehrsschrift werden?</p><lb/> <p xml:id="ID_205"> Allerdings, die höhere stenographische Technik, die Redezeichenkunst weiß<lb/> dieser Schwierigkeiten der Farblostgkeit durch ein sehr wertvolles Mittel Herr<lb/> zu werden, nämlich durch besondere Kürzungen, die Sigel. Diese müssen, wenn<lb/> sie zuverlässig sein sollen, möglichst scharf erkennbar gewählt werden. Die<lb/> erkennungsleichten Sigel machen eine Kurzschrift erst wahrhaft nutzbar sowohl<lb/> für den Berufstechniker wie für den Privatgebrauch. Der Nedezeichner, der<lb/> Kammerstenograph muß über einen großen Vorrat feststehender Sigel verfügen<lb/> und gleichzeitig die Fähigkeit erwerben für jedes neue Gebiet, das seine Kräfte<lb/> beansprucht, während des Nachschreibens, d. h. augenblicklich neue Kürzungen<lb/> zu erfinden. Das macht den Berufsstenographen zum Künstler.</p><lb/> <p xml:id="ID_206"> Freilich, wenn man Zeitschriften wie die „Stenographische Praxis" liest,<lb/> ersieht man, daß selbst etatmäßige Praktiker in sesfionsfreier Zeit zu ganz<lb/> untergeordneten Bibliotheksarbeiten verurteilt sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Unter Redezeichnern, die beruflich nach demselben System arbeiten, herrschen<lb/> feststehende Kürzungen, damit sie gegenseitig ihre Schrift im Interesse des amt¬<lb/> lichen Dienstes lesen können. Einfacher liegen die Dinge für den Außen¬<lb/> stehenden, der eine Kurzschrift in seinem Berus als Berichterstatter, als Rechts¬<lb/> anwalt, als Gelehrter verwertet. Er kann sie sich nach seinen Sonderbedürfnissen<lb/> zurechtmachen, sie soll nur für ihn allein lesbar sein, und daher braucht es für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Line neue Linhcitsstcnographie für Deutschland
Für/ die Lesbarkeit der Handschrift kommt noch etwas anderes hinzu.
Woher lesen wir eine in ihren Schriftzügen verzerrte Handschrift dennoch mit
Geläufigkeit? Wir entziffern eine bekannte Handschrift leicht, weil wir die
Züge kennen, und wir lesen selbst unbekannte Handschriften, weil uns die
Sprache unterstützt. Wir kennen die Worte, wir entziffern den Zusammenhang.
Viel schwerer wird es uns die Handschrift einer fremden Sprache zu lesen,
wenn wir sie nicht so beherrschen wie die Muttersprache; hier beginnt schon die
Entzifferung durch Vergleichung der Schriftzüge untereinander. Ungewöhnlich
verzerrte Handschriften werden nur von einzelnen an die Züge gewöhnten Per¬
sonen entziffert. Einzelne Setzer in Druckereien erlangen eine besondere Fähigkeit,
unleserliehe Handschriften gelehrter Herren ins Leben zu rufen. Hier hört
aber selbst für den Setzer die mechanische Arbeit auf, er muß versuchen in das
Verständnis des Zusammenhanges einzudringen.
Worin besteht die Unleserlichkeit? Die Schriftzüge haben die Mannig¬
faltigkeit der Merkmale verloren, sie gehen unkenntlich ineinander über.
Übertragen wir diesen Gedankengang auf die Kurzschrift. Sie enthält
schon durch die Feinheit und Geringfügigkeit ihrer Zeichenunterschiede sehr viel
weniger Stützpunkte für die Lesbarkeit als die Langschrift. Gleiche Zeichen
groß und klein, stark und schwach bedeuten ganz verschiedenes, die Zeichen selbst
sind schon die allereinfachsten, weil die äußerste Kürze der Züge erstrebt wird.
Hier ist also zur Überwindung sehr vermehrter Schwierigkeiten die Aufbietung
besonderer Fähigkeiten, besonderen Fleißes und vielfältiger Mühen erforderlich. —
Wie kann eine solche Schrift jemals eine Verkehrsschrift werden?
Allerdings, die höhere stenographische Technik, die Redezeichenkunst weiß
dieser Schwierigkeiten der Farblostgkeit durch ein sehr wertvolles Mittel Herr
zu werden, nämlich durch besondere Kürzungen, die Sigel. Diese müssen, wenn
sie zuverlässig sein sollen, möglichst scharf erkennbar gewählt werden. Die
erkennungsleichten Sigel machen eine Kurzschrift erst wahrhaft nutzbar sowohl
für den Berufstechniker wie für den Privatgebrauch. Der Nedezeichner, der
Kammerstenograph muß über einen großen Vorrat feststehender Sigel verfügen
und gleichzeitig die Fähigkeit erwerben für jedes neue Gebiet, das seine Kräfte
beansprucht, während des Nachschreibens, d. h. augenblicklich neue Kürzungen
zu erfinden. Das macht den Berufsstenographen zum Künstler.
Freilich, wenn man Zeitschriften wie die „Stenographische Praxis" liest,
ersieht man, daß selbst etatmäßige Praktiker in sesfionsfreier Zeit zu ganz
untergeordneten Bibliotheksarbeiten verurteilt sind.
Unter Redezeichnern, die beruflich nach demselben System arbeiten, herrschen
feststehende Kürzungen, damit sie gegenseitig ihre Schrift im Interesse des amt¬
lichen Dienstes lesen können. Einfacher liegen die Dinge für den Außen¬
stehenden, der eine Kurzschrift in seinem Berus als Berichterstatter, als Rechts¬
anwalt, als Gelehrter verwertet. Er kann sie sich nach seinen Sonderbedürfnissen
zurechtmachen, sie soll nur für ihn allein lesbar sein, und daher braucht es für
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