Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Karl Salzer Nach einer Weile füllen sich die Bänke. Ohne großen Anstand kommen die jungen Kerle herein, knien sich, legen das Als sie Karl sehen, stoßen sie sich an und schminken die Köpfe. Was will Bisweilen dringt ein Wort an Karls Ohr. Er gibt sich Mühe, nicht zu Ein großes Geräusch geht durch das weite Gotteshaus, ein Scharren, Die Orgel fängt zu spielen an. Der Pfarrer kommt aus der Sakristei und geht hinauf an den Altar. Vier Am Altare teilt sich der Zug der Meßdiener; zweie knien sich auf die rechte, Dem Burschen kommt es vor, als habe er das alles schon eine Ewigkeit Nachdem der Priester die gold- und edelsteinfunkelnde Monstranz dem Der duftende Rauch steigt empor. Die Sonnenstrahlen streuen die bunten Die Altarschellen rasseln. Der Pfarrer steigt wieder die Altarstufen hinauf, Karl Salzer Nach einer Weile füllen sich die Bänke. Ohne großen Anstand kommen die jungen Kerle herein, knien sich, legen das Als sie Karl sehen, stoßen sie sich an und schminken die Köpfe. Was will Bisweilen dringt ein Wort an Karls Ohr. Er gibt sich Mühe, nicht zu Ein großes Geräusch geht durch das weite Gotteshaus, ein Scharren, Die Orgel fängt zu spielen an. Der Pfarrer kommt aus der Sakristei und geht hinauf an den Altar. Vier Am Altare teilt sich der Zug der Meßdiener; zweie knien sich auf die rechte, Dem Burschen kommt es vor, als habe er das alles schon eine Ewigkeit Nachdem der Priester die gold- und edelsteinfunkelnde Monstranz dem Der duftende Rauch steigt empor. Die Sonnenstrahlen streuen die bunten Die Altarschellen rasseln. Der Pfarrer steigt wieder die Altarstufen hinauf, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322835"/> <fw type="header" place="top"> Karl Salzer</fw><lb/> <p xml:id="ID_2133"> Nach einer Weile füllen sich die Bänke.</p><lb/> <p xml:id="ID_2134"> Ohne großen Anstand kommen die jungen Kerle herein, knien sich, legen das<lb/> Gesangbuch auf das schmale Bankbrett und siegeln mit den Armen darüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_2135"> Als sie Karl sehen, stoßen sie sich an und schminken die Köpfe. Was will<lb/> denn der da auf einmal wieder? Sie erheben sich von dem niederen Kniestuhl<lb/> der Bänke und setzen sich, strecken die Köpfe zusammen und tuscheln. Vielleicht<lb/> habe der nun wieder das Herz, zu kommen, weil seinem Vater seine Angelegen¬<lb/> heiten geregelt wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_2136"> Bisweilen dringt ein Wort an Karls Ohr. Er gibt sich Mühe, nicht zu<lb/> hören, was da geschwatzt wird, aber es gelingt ihm schwer. Immer wieder ertappt<lb/> er sich dabei, daß er den Burschen doch Aufmerksamkeit schenkt. Er ist froh, als<lb/> der Glöckner endlich an der neben der Sakristeitür angebrachten Schelle zieht, das<lb/> Zeichen zum Beginne des Amtes.</p><lb/> <p xml:id="ID_2137"> Ein großes Geräusch geht durch das weite Gotteshaus, ein Scharren,<lb/> Rascheln und Rauschen. Man erhebt sich von den Sitzen und läßt sich auf die<lb/> Knie nieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_2138"> Die Orgel fängt zu spielen an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2139"> Der Pfarrer kommt aus der Sakristei und geht hinauf an den Altar. Vier<lb/> Meßdiener schreiten ihm voraus, die zwei vorderen die Hände vor der Brust<lb/> gefaltet. Von den anderen schwingt der eine leise das silberne Weihrauchfaß, der<lb/> andere trägt das Silberschiffchen, das die Weihrauchkörner enthält, zwischen den<lb/> ebenfalls gefalteten Händen. Der Priester hat in der linken Hand den mit dem<lb/> weißseidenen Velum verhüllten Kelch, die rechte liegt leicht darauf, damit die<lb/> darüber gedeckte goldene Opferschale, die Palme, nicht herunterfalle.</p><lb/> <p xml:id="ID_2140"> Am Altare teilt sich der Zug der Meßdiener; zweie knien sich auf die rechte,<lb/> zweie auf die linke Seite des Altares, während der Pfarrer in der Mitte die<lb/> Stufen hinaufgeht, den Kelch auf den Tisch niederstellt und dann das Tabernakel<lb/> ausschließt. Es ist sakramentalischer Sonntag, an dem der Segen mit dem Aller-<lb/> heiligsten gegeben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2141"> Dem Burschen kommt es vor, als habe er das alles schon eine Ewigkeit<lb/> nicht mehr gesehen, so neu mutet es ihn an. 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Karl Salzer
Nach einer Weile füllen sich die Bänke.
Ohne großen Anstand kommen die jungen Kerle herein, knien sich, legen das
Gesangbuch auf das schmale Bankbrett und siegeln mit den Armen darüber.
Als sie Karl sehen, stoßen sie sich an und schminken die Köpfe. Was will
denn der da auf einmal wieder? Sie erheben sich von dem niederen Kniestuhl
der Bänke und setzen sich, strecken die Köpfe zusammen und tuscheln. Vielleicht
habe der nun wieder das Herz, zu kommen, weil seinem Vater seine Angelegen¬
heiten geregelt wären.
Bisweilen dringt ein Wort an Karls Ohr. Er gibt sich Mühe, nicht zu
hören, was da geschwatzt wird, aber es gelingt ihm schwer. Immer wieder ertappt
er sich dabei, daß er den Burschen doch Aufmerksamkeit schenkt. Er ist froh, als
der Glöckner endlich an der neben der Sakristeitür angebrachten Schelle zieht, das
Zeichen zum Beginne des Amtes.
Ein großes Geräusch geht durch das weite Gotteshaus, ein Scharren,
Rascheln und Rauschen. Man erhebt sich von den Sitzen und läßt sich auf die
Knie nieder.
Die Orgel fängt zu spielen an.
Der Pfarrer kommt aus der Sakristei und geht hinauf an den Altar. Vier
Meßdiener schreiten ihm voraus, die zwei vorderen die Hände vor der Brust
gefaltet. Von den anderen schwingt der eine leise das silberne Weihrauchfaß, der
andere trägt das Silberschiffchen, das die Weihrauchkörner enthält, zwischen den
ebenfalls gefalteten Händen. Der Priester hat in der linken Hand den mit dem
weißseidenen Velum verhüllten Kelch, die rechte liegt leicht darauf, damit die
darüber gedeckte goldene Opferschale, die Palme, nicht herunterfalle.
Am Altare teilt sich der Zug der Meßdiener; zweie knien sich auf die rechte,
zweie auf die linke Seite des Altares, während der Pfarrer in der Mitte die
Stufen hinaufgeht, den Kelch auf den Tisch niederstellt und dann das Tabernakel
ausschließt. Es ist sakramentalischer Sonntag, an dem der Segen mit dem Aller-
heiligsten gegeben wird.
Dem Burschen kommt es vor, als habe er das alles schon eine Ewigkeit
nicht mehr gesehen, so neu mutet es ihn an. Aufmerksam verfolgt er alle Vor¬
gänge am Altare.
Nachdem der Priester die gold- und edelsteinfunkelnde Monstranz dem
Tabernakel entnommen und sie auf die Platte des Altars gestellt, kommt er
gemessenen Schrittes, die priesterlichen Gewänder schleifen ihm würdevoll nach,
die Stufen wieder herunter, und zwei der Meßdiener treten an seine Seite. Der
eine zieht den Deckel des Weihrauchfasses in die Höhe und hält es dem Pfarrer
handlick entgegen; der andere öffnet das Schiffchen und legt das Löffelchen darin
handgerecht. Der Priester schöpft damit die goldgelben und weißen Harzkörner
auf die rotglühenden Holzkohlen.
Der duftende Rauch steigt empor. Die Sonnenstrahlen streuen die bunten
Farben der Glasgemälde auf den hohen gotischen Fenstern in das blaue Rauch-
gequirle.
Die Altarschellen rasseln. Der Pfarrer steigt wieder die Altarstufen hinauf,
umfaßt die Monstranz und hält sie dem Volke entgegen. Die Orgel stimmt an
und die Gläubigen singen:
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