Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Aarl Walzer <Lin Roman Richard Arles von (Fünfte Fortsetzung) "Tante Settchenl" sagt Karl, "drauß die denn Angst, sie bekämen ihren Ein ängstlich fieberndes Fragen ist in seinen Augen und ein Hilfe¬ "Gott sei Dank, lieber Bub, daß ich mir ein Bißchen von meinem Haus¬ Karl holt ein Stückchen Kreide hervor und rechnet damit auf der Tischplatte. "Stimmt! Zweiundsiebzig Mark und einunddreißig Pfenning machts, Tante Tante Seelchen spricht die Zahl nach, hört mit der Arbeit am Herde auf, "Zehn, zwanzig, vierzig, zweiundvierzig, siebenundvierzig, neunundvierzig Bei vierundsechzig hält Tante Seelchen mit Zählen inne und wischt sich den Und wieder fährt der Zeigefinger ordnend unter den Münzen herum. Je Gott sei Dank, es sind über zweiundsiebenzigl Tante Seelchen zählt weiter, und als sie fertig ist, sagt sie mit bitterer "Bub, jetzert denn wir noch neunnndvierzig Pfenning zu verleben!" "Tante Seelchen, die Hinkel legen ja noch fleißig!" tröstet der Bursche, Aarl Walzer <Lin Roman Richard Arles von (Fünfte Fortsetzung) „Tante Settchenl" sagt Karl, „drauß die denn Angst, sie bekämen ihren Ein ängstlich fieberndes Fragen ist in seinen Augen und ein Hilfe¬ „Gott sei Dank, lieber Bub, daß ich mir ein Bißchen von meinem Haus¬ Karl holt ein Stückchen Kreide hervor und rechnet damit auf der Tischplatte. „Stimmt! Zweiundsiebzig Mark und einunddreißig Pfenning machts, Tante Tante Seelchen spricht die Zahl nach, hört mit der Arbeit am Herde auf, »Zehn, zwanzig, vierzig, zweiundvierzig, siebenundvierzig, neunundvierzig Bei vierundsechzig hält Tante Seelchen mit Zählen inne und wischt sich den Und wieder fährt der Zeigefinger ordnend unter den Münzen herum. Je Gott sei Dank, es sind über zweiundsiebenzigl Tante Seelchen zählt weiter, und als sie fertig ist, sagt sie mit bitterer „Bub, jetzert denn wir noch neunnndvierzig Pfenning zu verleben!" „Tante Seelchen, die Hinkel legen ja noch fleißig!" tröstet der Bursche, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322441"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322441_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Aarl Walzer<lb/> <Lin Roman<lb/><note type="byline"> Richard Arles</note> von<lb/> (Fünfte Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_79"> „Tante Settchenl" sagt Karl, „drauß die denn Angst, sie bekämen ihren<lb/> Lohn nett"</p><lb/> <p xml:id="ID_80"> Ein ängstlich fieberndes Fragen ist in seinen Augen und ein Hilfe¬<lb/> suchen dabei.</p><lb/> <p xml:id="ID_81"> „Gott sei Dank, lieber Bub, daß ich mir ein Bißchen von meinem Haus¬<lb/> haltungsgeld abgezwackt und zurückgelegt hab. Stell mal die Rechnung auf, was<lb/> es machet"</p><lb/> <p xml:id="ID_82"> Karl holt ein Stückchen Kreide hervor und rechnet damit auf der Tischplatte.<lb/> Wo sie fettige Stellen hat, muß er fest auf die Kreide drücken. Er multipliziert<lb/> und addiere, rechnets noch einmal nach und sagt:</p><lb/> <p xml:id="ID_83"> „Stimmt! Zweiundsiebzig Mark und einunddreißig Pfenning machts, Tante<lb/> Settchenl"</p><lb/> <p xml:id="ID_84"> Tante Seelchen spricht die Zahl nach, hört mit der Arbeit am Herde auf,<lb/> rückt den Küchenstuhl vor den Schrank und steigt darauf. Auf dein Schranke<lb/> stehen allerlei Schüsseln und Töpfe, eine wenig gebrauchte dient ihr als Geld¬<lb/> kassette. Sie greift hinein und nimmt den Fuß eines roten Strumpfes, der mit<lb/> einem blauen Bändchen zugebunden ist, heraus, schüttet das Geld auf den Küchen¬<lb/> tisch und fängt zu zählen an. Es sind zwei Zehnmarkstücke und eines zu zwanzig<lb/> dabei, der Nest ist Silber, Nickel und Kupfer.</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> »Zehn, zwanzig, vierzig, zweiundvierzig, siebenundvierzig, neunundvierzig<lb/> dreiundfuffzig, fünfundfuffzig. . ."</p><lb/> <p xml:id="ID_86"> Bei vierundsechzig hält Tante Seelchen mit Zählen inne und wischt sich den<lb/> Schweiß von der Stirne, denn es sind nur noch wenige Silberstücke da. Wird<lb/> es reichen auf 72.31?</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> Und wieder fährt der Zeigefinger ordnend unter den Münzen herum. Je<lb/> näher an die Siebenzig, um so stärker klopft den beiden Menschen das Herz.</p><lb/> <p xml:id="ID_88"> Gott sei Dank, es sind über zweiundsiebenzigl</p><lb/> <p xml:id="ID_89"> Tante Seelchen zählt weiter, und als sie fertig ist, sagt sie mit bitterer<lb/> Stimme:</p><lb/> <p xml:id="ID_90"> „Bub, jetzert denn wir noch neunnndvierzig Pfenning zu verleben!"</p><lb/> <p xml:id="ID_91"> „Tante Seelchen, die Hinkel legen ja noch fleißig!" tröstet der Bursche,<lb/> schließt den Küchenschrcmk auf und sieht nach dem Brot.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
[Abbildung]
Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Arles von
(Fünfte Fortsetzung)
„Tante Settchenl" sagt Karl, „drauß die denn Angst, sie bekämen ihren
Lohn nett"
Ein ängstlich fieberndes Fragen ist in seinen Augen und ein Hilfe¬
suchen dabei.
„Gott sei Dank, lieber Bub, daß ich mir ein Bißchen von meinem Haus¬
haltungsgeld abgezwackt und zurückgelegt hab. Stell mal die Rechnung auf, was
es machet"
Karl holt ein Stückchen Kreide hervor und rechnet damit auf der Tischplatte.
Wo sie fettige Stellen hat, muß er fest auf die Kreide drücken. Er multipliziert
und addiere, rechnets noch einmal nach und sagt:
„Stimmt! Zweiundsiebzig Mark und einunddreißig Pfenning machts, Tante
Settchenl"
Tante Seelchen spricht die Zahl nach, hört mit der Arbeit am Herde auf,
rückt den Küchenstuhl vor den Schrank und steigt darauf. Auf dein Schranke
stehen allerlei Schüsseln und Töpfe, eine wenig gebrauchte dient ihr als Geld¬
kassette. Sie greift hinein und nimmt den Fuß eines roten Strumpfes, der mit
einem blauen Bändchen zugebunden ist, heraus, schüttet das Geld auf den Küchen¬
tisch und fängt zu zählen an. Es sind zwei Zehnmarkstücke und eines zu zwanzig
dabei, der Nest ist Silber, Nickel und Kupfer.
»Zehn, zwanzig, vierzig, zweiundvierzig, siebenundvierzig, neunundvierzig
dreiundfuffzig, fünfundfuffzig. . ."
Bei vierundsechzig hält Tante Seelchen mit Zählen inne und wischt sich den
Schweiß von der Stirne, denn es sind nur noch wenige Silberstücke da. Wird
es reichen auf 72.31?
Und wieder fährt der Zeigefinger ordnend unter den Münzen herum. Je
näher an die Siebenzig, um so stärker klopft den beiden Menschen das Herz.
Gott sei Dank, es sind über zweiundsiebenzigl
Tante Seelchen zählt weiter, und als sie fertig ist, sagt sie mit bitterer
Stimme:
„Bub, jetzert denn wir noch neunnndvierzig Pfenning zu verleben!"
„Tante Seelchen, die Hinkel legen ja noch fleißig!" tröstet der Bursche,
schließt den Küchenschrcmk auf und sieht nach dem Brot.
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