Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Karl Salzer Menschen sollten auf deinem Vater seinem Grab herumtrampeln und sollten's Sie muß nach Luft schnappen, die Hungels-Grek. Ihre platte Brust, über Karl aber sagt: "Na, wenn das so ist, kann ich ja wieder gehen, 's gibt ein alt Sprich¬ "Wu jäh!" schreit dünn und spitz die Wut aus dem Weib. Sie krallt das Doch da ruckt dieser aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf, und es "Vergeht Euch net, auf daß ich mich net vergeh, sonst gibt's ein schlimm Er wendet sich um und geht zur Tür hinaus. Das Weib schrille ihm nach: "Hinaus aus meinem ehrbare Haus, Kerl; an dir hängt ja noch der Gestank Als Karl wieder auf der Straße ist, spuckt er- einmal kräftig aus. Aber in der Hütte der Frommen hat er eine gewaltige Revolution des "Herrgott, hätt ich doch mein dumm Maul gehalten! Hätt ich doch nur so Karl Salzer aber geht über den Lindenplatz zum Schreiner Kling, um ihm Karl Salzer Menschen sollten auf deinem Vater seinem Grab herumtrampeln und sollten's Sie muß nach Luft schnappen, die Hungels-Grek. Ihre platte Brust, über Karl aber sagt: „Na, wenn das so ist, kann ich ja wieder gehen, 's gibt ein alt Sprich¬ „Wu jäh!" schreit dünn und spitz die Wut aus dem Weib. Sie krallt das Doch da ruckt dieser aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf, und es „Vergeht Euch net, auf daß ich mich net vergeh, sonst gibt's ein schlimm Er wendet sich um und geht zur Tür hinaus. Das Weib schrille ihm nach: „Hinaus aus meinem ehrbare Haus, Kerl; an dir hängt ja noch der Gestank Als Karl wieder auf der Straße ist, spuckt er- einmal kräftig aus. Aber in der Hütte der Frommen hat er eine gewaltige Revolution des „Herrgott, hätt ich doch mein dumm Maul gehalten! Hätt ich doch nur so Karl Salzer aber geht über den Lindenplatz zum Schreiner Kling, um ihm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322791"/> <fw type="header" place="top"> Karl Salzer</fw><lb/> <p xml:id="ID_1910" prev="#ID_1909"> Menschen sollten auf deinem Vater seinem Grab herumtrampeln und sollten's<lb/> verstampfen, auf daß man net mehr sieht, daß das überhaupt einmal ein Grab<lb/> war. Stein auf Stein sollten die Leut zudem noch drauf aufhäufen, wie die<lb/> Juden des Alten Testaments es dem Absalon gemacht denn. Und unser Herrgott<lb/> sollt' zu guter Letzt deinem Vater seinem Grab den Regen versagen, die Sonn'<lb/> und den Schnee. Brottrocken müßt's sein und immerdar müßt' ein Schatten<lb/> drüber liegen über deinem Vater seinem Grab, daß auf ewige Zeiten sichtbar wär':<lb/> da ist ein gottvergessener Selbstmörder verscharrt. So sollt's ein Kainsmal geben<lb/> für die Gräber von den Selbstmördern. DaS sollt' der Herr Pfarrer von der<lb/> Kanzel herunter sagen und net mir zumuten, über deinem Vater seinem Grab<lb/> den Schutzengel zu spielen I"</p><lb/> <p xml:id="ID_1911"> Sie muß nach Luft schnappen, die Hungels-Grek. Ihre platte Brust, über<lb/> die sich die geblümte Jacke straffe, arbeitet heftig. Der Atem rasselt. Sie beißt<lb/> den Mund zusammen, kneift die Lippen scharf ein und stößt ihn wieder auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1912"> Karl aber sagt:</p><lb/> <p xml:id="ID_1913"> „Na, wenn das so ist, kann ich ja wieder gehen, 's gibt ein alt Sprich¬<lb/> wort: „Je krummer, um so schlimmer. Man sollt aber sagen: Je frömmer, um<lb/> so schlimmer. Das heißt, man kann's net sagen; denn wenn man so einen Haß<lb/> hat wie Ihr, ist man mindestens ein halber Teufel!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1914"> „Wu jäh!" schreit dünn und spitz die Wut aus dem Weib. Sie krallt das<lb/> Strickzeug auf und macht eine Bewegung, als wolle sie es dem Burschen an den<lb/> Kopf werfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1915"> Doch da ruckt dieser aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf, und es<lb/> ist, als wolle er durch die Decke des niederen Zimmers hindurchwachsen. Er ballt<lb/> die Faust, geht einen Schritt auf die Wütende zu und sagt mit harter, metallischer<lb/> Stimme:</p><lb/> <p xml:id="ID_1916"> „Vergeht Euch net, auf daß ich mich net vergeh, sonst gibt's ein schlimm<lb/> End!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1917"> Er wendet sich um und geht zur Tür hinaus. Das Weib schrille ihm nach:</p><lb/> <p xml:id="ID_1918"> „Hinaus aus meinem ehrbare Haus, Kerl; an dir hängt ja noch der Gestank<lb/> von deinem Vater seinen Sünden!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1919"> Als Karl wieder auf der Straße ist, spuckt er- einmal kräftig aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1920"> Aber in der Hütte der Frommen hat er eine gewaltige Revolution des<lb/> Gemüts verursacht. 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Am End geht der mir jetzert net<lb/> mehr naus auf den Kirchhof, im Fall die das ,Jn Gott' wieder draufmalen<lb/> lassen!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1922" next="#ID_1923"> Karl Salzer aber geht über den Lindenplatz zum Schreiner Kling, um ihm<lb/> zu sagen, er möge das Kreuz wieder in Ordnung bringen und fragt den Mann,<lb/> ob das nicht eine schmachvolle Tat wäre, auf dem Friedhof ein Grab zu schänden.<lb/> Da nickt der Schreiner und sagt, man solle doch die Toten ruhen lassen; und da<lb/> habe der Karl ganz Recht, was hinter dem Vorhang des ewigen Jenseits von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Karl Salzer
Menschen sollten auf deinem Vater seinem Grab herumtrampeln und sollten's
verstampfen, auf daß man net mehr sieht, daß das überhaupt einmal ein Grab
war. Stein auf Stein sollten die Leut zudem noch drauf aufhäufen, wie die
Juden des Alten Testaments es dem Absalon gemacht denn. Und unser Herrgott
sollt' zu guter Letzt deinem Vater seinem Grab den Regen versagen, die Sonn'
und den Schnee. Brottrocken müßt's sein und immerdar müßt' ein Schatten
drüber liegen über deinem Vater seinem Grab, daß auf ewige Zeiten sichtbar wär':
da ist ein gottvergessener Selbstmörder verscharrt. So sollt's ein Kainsmal geben
für die Gräber von den Selbstmördern. DaS sollt' der Herr Pfarrer von der
Kanzel herunter sagen und net mir zumuten, über deinem Vater seinem Grab
den Schutzengel zu spielen I"
Sie muß nach Luft schnappen, die Hungels-Grek. Ihre platte Brust, über
die sich die geblümte Jacke straffe, arbeitet heftig. Der Atem rasselt. Sie beißt
den Mund zusammen, kneift die Lippen scharf ein und stößt ihn wieder auf.
Karl aber sagt:
„Na, wenn das so ist, kann ich ja wieder gehen, 's gibt ein alt Sprich¬
wort: „Je krummer, um so schlimmer. Man sollt aber sagen: Je frömmer, um
so schlimmer. Das heißt, man kann's net sagen; denn wenn man so einen Haß
hat wie Ihr, ist man mindestens ein halber Teufel!"
„Wu jäh!" schreit dünn und spitz die Wut aus dem Weib. Sie krallt das
Strickzeug auf und macht eine Bewegung, als wolle sie es dem Burschen an den
Kopf werfen.
Doch da ruckt dieser aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf, und es
ist, als wolle er durch die Decke des niederen Zimmers hindurchwachsen. Er ballt
die Faust, geht einen Schritt auf die Wütende zu und sagt mit harter, metallischer
Stimme:
„Vergeht Euch net, auf daß ich mich net vergeh, sonst gibt's ein schlimm
End!"
Er wendet sich um und geht zur Tür hinaus. Das Weib schrille ihm nach:
„Hinaus aus meinem ehrbare Haus, Kerl; an dir hängt ja noch der Gestank
von deinem Vater seinen Sünden!"
Als Karl wieder auf der Straße ist, spuckt er- einmal kräftig aus.
Aber in der Hütte der Frommen hat er eine gewaltige Revolution des
Gemüts verursacht. Allmählich kehrt die kühle Überlegung bei der Hungels-Grek
zurück. Sie schlägt sich vor den Kopf und sagt:
„Herrgott, hätt ich doch mein dumm Maul gehalten! Hätt ich doch nur so
getan, als ob ich auf alles eingehen wollt. Da hätt doch kein Mensch gemerkt. ..
Hätt kein Mensch gemerkt. .., daß . . .1 Was mach ich jetzert dem Lausbub weis,
warum dem Salzer seiner da gewesen wär? Am End geht der mir jetzert net
mehr naus auf den Kirchhof, im Fall die das ,Jn Gott' wieder draufmalen
lassen!"
Karl Salzer aber geht über den Lindenplatz zum Schreiner Kling, um ihm
zu sagen, er möge das Kreuz wieder in Ordnung bringen und fragt den Mann,
ob das nicht eine schmachvolle Tat wäre, auf dem Friedhof ein Grab zu schänden.
Da nickt der Schreiner und sagt, man solle doch die Toten ruhen lassen; und da
habe der Karl ganz Recht, was hinter dem Vorhang des ewigen Jenseits von
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