Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rarl Salzer

Teile des Kastenwagens auf dem Rädergestelle. Als diese Arbeit getan ist, ver¬
ändern sie die Spurweite der Säerinnen an der Saatmaschine, denn sie sind noch
auf Rübensamen eingestellt aus der Zeit der Stoppelrübenaussaat. Danach
ordnen sie noch verschiedenes in Scheuer und Schuppen, in den Sparren und im
Kellerhaus.

Es düstere schon, als sie endlich so weit sind, und der Unkel Harnes sagt:

"So, Karl, jetzert sind wir fertig, 's hat doch länger gedauert, als ich
gemeint hab, daß es dauern tat. Na, kommst doch noch früh genug zu dem
Polizeidiener des Herrn. Aber laß dir's gesagt sein: Bei der Hungels-Grek darfst
du net blöd sein, denn das Aas hat Haar auf der Zung. Wenn sie kreischt,
schreist du auch: wenn sie grob wird, wirst du's auch! Nee erst warten, bis sie
dir ein paar herunter gerissen hat!"

Dann gehen sie zusammen fort, der Hannes Holtner und der Karl Salzer.

Hannes Holtner hat eine leichte Hacke auf der Schulter. Er will vor dem
Nachtessen noch einmal rasch hinaus in das Pflanzfeldchen springen, ein paar
Salatpflanzen setzen; das kann man noch machen zwischen Tag und Dunkel.

An der Roßgasse trennen sich die beiden. Karl geht geradeaus die berg¬
anstrebende Wingertsgasse hinauf, an deren oberen Ende die Hungels-Grek wohnt.
Hannes Holtner biegt in die Roßgasse ein; er ruft dem Burschen nach, auf dem
Heimweg solle er am Schreiner Kling vorbeigehen und ihm den Auftrag geben,
das Täfelchen am Kreuze wieder zu beschreiben.

Am Untertor begegnet ihm der Pfarrer, der von seinem Spaziergange zurück¬
kehrt. Hannes Holtner nimmt die Hacke von der Schulter und hält sie dem
Pfarrer quer in den Weg. Ein akademischer Bauersmann darf sich das dem
Pfarrer gegenüber erlauben.

,,Gu' Owend, Herr Pfarrer!"

"Grüß Gott, Herr Holtner!"

Zu einem akademischen Bauersmann sagt auch der Pfarrer in der Anrede Herr.

"Herr Pfarrer, unter uns, damit es kein Mensch sonst weis wird: gelt, am
Sonntag war die Logik aus dem Pfarrhaus ausquartiert?"

"Spötter, Spötter!" sagt der Pfarrer, der stehen geblieben ist, sich mit der
einen Hand auf den Spazierstock stützt und die andere hinter das schäbige grün
gewordene Zingulum steckt, das um seinen behäbigen Leib liegt.

Hannes Holtner aber redet jetzt ernst zu ihm:

"Fissematenten helfen: Konsequenz war das wirklich net. Der Bub hält viel
aus unter der Geschieht, und Jhre Ihre Bauern wären net besser und net
schlechter worden, wenn Sie ihnen das verboten hätten. Und daß ich aus dem
junge Kerl einen tüchtigen Menschen mache, dürfen Sie mir glauben. Ich wär'
Ihnen sehr dankbar gewesen, wenn Sie dem Bub den Gefallen getan hätten,
zumal er's Ihnen begründet hat wie ein Professor. Jetzt bin ich gespannt, was
aus Ihrem guten Rat wird. Konsequenz war das net!"

"Theologische Konsequenz, mein Lieber, theologische Konsequenz!" erwidert
der Pfarrer harmlos.

Da lacht Hannes Holtner auf und spottet:

"Ausgezeichnet, Herr Pfarrer, theologische Konsequenz!"


Rarl Salzer

Teile des Kastenwagens auf dem Rädergestelle. Als diese Arbeit getan ist, ver¬
ändern sie die Spurweite der Säerinnen an der Saatmaschine, denn sie sind noch
auf Rübensamen eingestellt aus der Zeit der Stoppelrübenaussaat. Danach
ordnen sie noch verschiedenes in Scheuer und Schuppen, in den Sparren und im
Kellerhaus.

Es düstere schon, als sie endlich so weit sind, und der Unkel Harnes sagt:

„So, Karl, jetzert sind wir fertig, 's hat doch länger gedauert, als ich
gemeint hab, daß es dauern tat. Na, kommst doch noch früh genug zu dem
Polizeidiener des Herrn. Aber laß dir's gesagt sein: Bei der Hungels-Grek darfst
du net blöd sein, denn das Aas hat Haar auf der Zung. Wenn sie kreischt,
schreist du auch: wenn sie grob wird, wirst du's auch! Nee erst warten, bis sie
dir ein paar herunter gerissen hat!"

Dann gehen sie zusammen fort, der Hannes Holtner und der Karl Salzer.

Hannes Holtner hat eine leichte Hacke auf der Schulter. Er will vor dem
Nachtessen noch einmal rasch hinaus in das Pflanzfeldchen springen, ein paar
Salatpflanzen setzen; das kann man noch machen zwischen Tag und Dunkel.

An der Roßgasse trennen sich die beiden. Karl geht geradeaus die berg¬
anstrebende Wingertsgasse hinauf, an deren oberen Ende die Hungels-Grek wohnt.
Hannes Holtner biegt in die Roßgasse ein; er ruft dem Burschen nach, auf dem
Heimweg solle er am Schreiner Kling vorbeigehen und ihm den Auftrag geben,
das Täfelchen am Kreuze wieder zu beschreiben.

Am Untertor begegnet ihm der Pfarrer, der von seinem Spaziergange zurück¬
kehrt. Hannes Holtner nimmt die Hacke von der Schulter und hält sie dem
Pfarrer quer in den Weg. Ein akademischer Bauersmann darf sich das dem
Pfarrer gegenüber erlauben.

,,Gu' Owend, Herr Pfarrer!"

„Grüß Gott, Herr Holtner!"

Zu einem akademischen Bauersmann sagt auch der Pfarrer in der Anrede Herr.

„Herr Pfarrer, unter uns, damit es kein Mensch sonst weis wird: gelt, am
Sonntag war die Logik aus dem Pfarrhaus ausquartiert?"

„Spötter, Spötter!" sagt der Pfarrer, der stehen geblieben ist, sich mit der
einen Hand auf den Spazierstock stützt und die andere hinter das schäbige grün
gewordene Zingulum steckt, das um seinen behäbigen Leib liegt.

Hannes Holtner aber redet jetzt ernst zu ihm:

„Fissematenten helfen: Konsequenz war das wirklich net. Der Bub hält viel
aus unter der Geschieht, und Jhre Ihre Bauern wären net besser und net
schlechter worden, wenn Sie ihnen das verboten hätten. Und daß ich aus dem
junge Kerl einen tüchtigen Menschen mache, dürfen Sie mir glauben. Ich wär'
Ihnen sehr dankbar gewesen, wenn Sie dem Bub den Gefallen getan hätten,
zumal er's Ihnen begründet hat wie ein Professor. Jetzt bin ich gespannt, was
aus Ihrem guten Rat wird. Konsequenz war das net!"

„Theologische Konsequenz, mein Lieber, theologische Konsequenz!" erwidert
der Pfarrer harmlos.

Da lacht Hannes Holtner auf und spottet:

„Ausgezeichnet, Herr Pfarrer, theologische Konsequenz!"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322787"/>
          <fw type="header" place="top"> Rarl Salzer</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1843" prev="#ID_1842"> Teile des Kastenwagens auf dem Rädergestelle. Als diese Arbeit getan ist, ver¬<lb/>
ändern sie die Spurweite der Säerinnen an der Saatmaschine, denn sie sind noch<lb/>
auf Rübensamen eingestellt aus der Zeit der Stoppelrübenaussaat. Danach<lb/>
ordnen sie noch verschiedenes in Scheuer und Schuppen, in den Sparren und im<lb/>
Kellerhaus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1844"> Es düstere schon, als sie endlich so weit sind, und der Unkel Harnes sagt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1845"> &#x201E;So, Karl, jetzert sind wir fertig, 's hat doch länger gedauert, als ich<lb/>
gemeint hab, daß es dauern tat. Na, kommst doch noch früh genug zu dem<lb/>
Polizeidiener des Herrn. Aber laß dir's gesagt sein: Bei der Hungels-Grek darfst<lb/>
du net blöd sein, denn das Aas hat Haar auf der Zung. Wenn sie kreischt,<lb/>
schreist du auch: wenn sie grob wird, wirst du's auch! Nee erst warten, bis sie<lb/>
dir ein paar herunter gerissen hat!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1846"> Dann gehen sie zusammen fort, der Hannes Holtner und der Karl Salzer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1847"> Hannes Holtner hat eine leichte Hacke auf der Schulter. Er will vor dem<lb/>
Nachtessen noch einmal rasch hinaus in das Pflanzfeldchen springen, ein paar<lb/>
Salatpflanzen setzen; das kann man noch machen zwischen Tag und Dunkel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1848"> An der Roßgasse trennen sich die beiden. Karl geht geradeaus die berg¬<lb/>
anstrebende Wingertsgasse hinauf, an deren oberen Ende die Hungels-Grek wohnt.<lb/>
Hannes Holtner biegt in die Roßgasse ein; er ruft dem Burschen nach, auf dem<lb/>
Heimweg solle er am Schreiner Kling vorbeigehen und ihm den Auftrag geben,<lb/>
das Täfelchen am Kreuze wieder zu beschreiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1849"> Am Untertor begegnet ihm der Pfarrer, der von seinem Spaziergange zurück¬<lb/>
kehrt. Hannes Holtner nimmt die Hacke von der Schulter und hält sie dem<lb/>
Pfarrer quer in den Weg. Ein akademischer Bauersmann darf sich das dem<lb/>
Pfarrer gegenüber erlauben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1850"> ,,Gu' Owend, Herr Pfarrer!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1851"> &#x201E;Grüß Gott, Herr Holtner!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1852"> Zu einem akademischen Bauersmann sagt auch der Pfarrer in der Anrede Herr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1853"> &#x201E;Herr Pfarrer, unter uns, damit es kein Mensch sonst weis wird: gelt, am<lb/>
Sonntag war die Logik aus dem Pfarrhaus ausquartiert?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1854"> &#x201E;Spötter, Spötter!" sagt der Pfarrer, der stehen geblieben ist, sich mit der<lb/>
einen Hand auf den Spazierstock stützt und die andere hinter das schäbige grün<lb/>
gewordene Zingulum steckt, das um seinen behäbigen Leib liegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1855"> Hannes Holtner aber redet jetzt ernst zu ihm:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1856"> &#x201E;Fissematenten helfen: Konsequenz war das wirklich net. Der Bub hält viel<lb/>
aus unter der Geschieht, und Jhre Ihre Bauern wären net besser und net<lb/>
schlechter worden, wenn Sie ihnen das verboten hätten. Und daß ich aus dem<lb/>
junge Kerl einen tüchtigen Menschen mache, dürfen Sie mir glauben. Ich wär'<lb/>
Ihnen sehr dankbar gewesen, wenn Sie dem Bub den Gefallen getan hätten,<lb/>
zumal er's Ihnen begründet hat wie ein Professor. Jetzt bin ich gespannt, was<lb/>
aus Ihrem guten Rat wird. Konsequenz war das net!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1857"> &#x201E;Theologische Konsequenz, mein Lieber, theologische Konsequenz!" erwidert<lb/>
der Pfarrer harmlos.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1858"> Da lacht Hannes Holtner auf und spottet:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1859"> &#x201E;Ausgezeichnet, Herr Pfarrer, theologische Konsequenz!"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] Rarl Salzer Teile des Kastenwagens auf dem Rädergestelle. Als diese Arbeit getan ist, ver¬ ändern sie die Spurweite der Säerinnen an der Saatmaschine, denn sie sind noch auf Rübensamen eingestellt aus der Zeit der Stoppelrübenaussaat. Danach ordnen sie noch verschiedenes in Scheuer und Schuppen, in den Sparren und im Kellerhaus. Es düstere schon, als sie endlich so weit sind, und der Unkel Harnes sagt: „So, Karl, jetzert sind wir fertig, 's hat doch länger gedauert, als ich gemeint hab, daß es dauern tat. Na, kommst doch noch früh genug zu dem Polizeidiener des Herrn. Aber laß dir's gesagt sein: Bei der Hungels-Grek darfst du net blöd sein, denn das Aas hat Haar auf der Zung. Wenn sie kreischt, schreist du auch: wenn sie grob wird, wirst du's auch! Nee erst warten, bis sie dir ein paar herunter gerissen hat!" Dann gehen sie zusammen fort, der Hannes Holtner und der Karl Salzer. Hannes Holtner hat eine leichte Hacke auf der Schulter. Er will vor dem Nachtessen noch einmal rasch hinaus in das Pflanzfeldchen springen, ein paar Salatpflanzen setzen; das kann man noch machen zwischen Tag und Dunkel. An der Roßgasse trennen sich die beiden. Karl geht geradeaus die berg¬ anstrebende Wingertsgasse hinauf, an deren oberen Ende die Hungels-Grek wohnt. Hannes Holtner biegt in die Roßgasse ein; er ruft dem Burschen nach, auf dem Heimweg solle er am Schreiner Kling vorbeigehen und ihm den Auftrag geben, das Täfelchen am Kreuze wieder zu beschreiben. Am Untertor begegnet ihm der Pfarrer, der von seinem Spaziergange zurück¬ kehrt. Hannes Holtner nimmt die Hacke von der Schulter und hält sie dem Pfarrer quer in den Weg. Ein akademischer Bauersmann darf sich das dem Pfarrer gegenüber erlauben. ,,Gu' Owend, Herr Pfarrer!" „Grüß Gott, Herr Holtner!" Zu einem akademischen Bauersmann sagt auch der Pfarrer in der Anrede Herr. „Herr Pfarrer, unter uns, damit es kein Mensch sonst weis wird: gelt, am Sonntag war die Logik aus dem Pfarrhaus ausquartiert?" „Spötter, Spötter!" sagt der Pfarrer, der stehen geblieben ist, sich mit der einen Hand auf den Spazierstock stützt und die andere hinter das schäbige grün gewordene Zingulum steckt, das um seinen behäbigen Leib liegt. Hannes Holtner aber redet jetzt ernst zu ihm: „Fissematenten helfen: Konsequenz war das wirklich net. Der Bub hält viel aus unter der Geschieht, und Jhre Ihre Bauern wären net besser und net schlechter worden, wenn Sie ihnen das verboten hätten. Und daß ich aus dem junge Kerl einen tüchtigen Menschen mache, dürfen Sie mir glauben. Ich wär' Ihnen sehr dankbar gewesen, wenn Sie dem Bub den Gefallen getan hätten, zumal er's Ihnen begründet hat wie ein Professor. Jetzt bin ich gespannt, was aus Ihrem guten Rat wird. Konsequenz war das net!" „Theologische Konsequenz, mein Lieber, theologische Konsequenz!" erwidert der Pfarrer harmlos. Da lacht Hannes Holtner auf und spottet: „Ausgezeichnet, Herr Pfarrer, theologische Konsequenz!"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/385>, abgerufen am 15.01.2025.