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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Die Zukunft der Fideikommisse

hasten Landarbeitern. Gerade diese völkische Bedeutung des Fideikommisses
darf man heute, da unsere Volkskraft nicht mehr in der alten Weise vorwärts
geht, ja nicht außer acht lassen. Und endlich, mag man auch die innere
Kolonisation in vielen Gegenden für noch so nötig halten: die Erhaltung eines
leistungsfähigen Großgrundbesitzes ist für die Landwirtschaft ebenso wichtig, als
für Handel und Gewerbe das Vorhandensein tüchtiger Großbanken, Großfabriken
und des Großhandels. Sonst fehlt es dem bäuerlichen und kleinen Grundbesitz,
der vier Fünftel des gesamten deutschen Bodens sein eigen nennt, an der wirt¬
schaftlichen und politischen Führung. Es liegt nicht in der Billigkeit, den
ländlichen Großbetrieben die Daseinsberechtigung abzusprechen, gewerbliche Gro߬
unternehmungen aber zu bewundern; gewiß wirken die letzteren wirtschaftlich
besonders befruchtend, aber sie zerstören auch und verbrauchen in besonders
hohen: Grade die Volkskraft.

Zuungunsten der Fideikommisse wird nielfach angeführt, daß ihr Grund¬
steuerreinertrag geringer sei, als der durchschnittliche und daß dies ein Beweis
schlechter und rückständiger Wirtschaft sei. Allein die Grundsteuerveranlagung
ist fast fünfzig Jahre alt und beweist schon deshalb nichts für heutige Ver¬
hältnisse; in meinem ehemaligen landrätlichen Kreise haben sich die Wert¬
verhältnisse seitdem infolge teilweiserJntensivierung der Wirtschaften, aber auch durch
die Entwertung des schweren Bodens, vollkommen geändert. Der sehr erklärliche
Grund des geringen Reinertrages der Fideikommisse liegt aber überhaupt in ganz
andrer Richtung, nämlich in dem oben erwähnten starken Vorherrschen des
Waldbestandes. Mehr Berechtigung hat der allgemeine Hinweis, daß die
Fideikommißwirtschasten oft, wenn auch keineswegs immer (in meinem Kreise
gehörten sie zu den besten), nicht so intensiv betrieben werden, wie dies auf
mittelgroßen Gütern der Fall ist. Indessen sehe ich darin keinen dauernden
Zustand; unsere Landwirtschaft befindet sich gerade jetzt mitten im Übergang
zur Intensität. Dabei gehen die Mittelgüter voran, die großen und die kleinen
(bäuerlichen) folgen überall etwas langsamer. So löst sich der vermeintliche
Vorwurf in eine durch die Natur der Sache allgemein bedingte Erscheinung
auf. Wenn ferner heute oft hervorgehoben wird, der befestigte Grundbesitz
trage einen Monopolcharakter, so liegt darin doch nur ein sehr kleines Körnchen
Wahrheit (siehe weiter unten), denn von dem Boden Preußens befinden sich
immer noch fünfzehn Sechzehntel, oder, wenn man vom Waldbestande absieht,
etwa vierundzwanzig Fünfundzwanzigstel im freien Verkehr und sind der Ent¬
faltung der wirtschaftlichen Kräfte überlassen. So scheint denn auch die
angebliche Einengung des freien Gntsoerkehrs, über die namentlich in
Schlesien geklagt wird, aus politischen Gründen aufgebauscht zu sein;
praktisch hat sie sich, wenigstens in den übrigen Provinzen, bisher nicht fühlbar
gemacht.

Einer Reform bedarf das bestehende Fideikommißrecht aber allerdings.
Wie wäre das auch anders möglich bei einem Rechtsgebiet, das seit Friedrich


Die Zukunft der Fideikommisse

hasten Landarbeitern. Gerade diese völkische Bedeutung des Fideikommisses
darf man heute, da unsere Volkskraft nicht mehr in der alten Weise vorwärts
geht, ja nicht außer acht lassen. Und endlich, mag man auch die innere
Kolonisation in vielen Gegenden für noch so nötig halten: die Erhaltung eines
leistungsfähigen Großgrundbesitzes ist für die Landwirtschaft ebenso wichtig, als
für Handel und Gewerbe das Vorhandensein tüchtiger Großbanken, Großfabriken
und des Großhandels. Sonst fehlt es dem bäuerlichen und kleinen Grundbesitz,
der vier Fünftel des gesamten deutschen Bodens sein eigen nennt, an der wirt¬
schaftlichen und politischen Führung. Es liegt nicht in der Billigkeit, den
ländlichen Großbetrieben die Daseinsberechtigung abzusprechen, gewerbliche Gro߬
unternehmungen aber zu bewundern; gewiß wirken die letzteren wirtschaftlich
besonders befruchtend, aber sie zerstören auch und verbrauchen in besonders
hohen: Grade die Volkskraft.

Zuungunsten der Fideikommisse wird nielfach angeführt, daß ihr Grund¬
steuerreinertrag geringer sei, als der durchschnittliche und daß dies ein Beweis
schlechter und rückständiger Wirtschaft sei. Allein die Grundsteuerveranlagung
ist fast fünfzig Jahre alt und beweist schon deshalb nichts für heutige Ver¬
hältnisse; in meinem ehemaligen landrätlichen Kreise haben sich die Wert¬
verhältnisse seitdem infolge teilweiserJntensivierung der Wirtschaften, aber auch durch
die Entwertung des schweren Bodens, vollkommen geändert. Der sehr erklärliche
Grund des geringen Reinertrages der Fideikommisse liegt aber überhaupt in ganz
andrer Richtung, nämlich in dem oben erwähnten starken Vorherrschen des
Waldbestandes. Mehr Berechtigung hat der allgemeine Hinweis, daß die
Fideikommißwirtschasten oft, wenn auch keineswegs immer (in meinem Kreise
gehörten sie zu den besten), nicht so intensiv betrieben werden, wie dies auf
mittelgroßen Gütern der Fall ist. Indessen sehe ich darin keinen dauernden
Zustand; unsere Landwirtschaft befindet sich gerade jetzt mitten im Übergang
zur Intensität. Dabei gehen die Mittelgüter voran, die großen und die kleinen
(bäuerlichen) folgen überall etwas langsamer. So löst sich der vermeintliche
Vorwurf in eine durch die Natur der Sache allgemein bedingte Erscheinung
auf. Wenn ferner heute oft hervorgehoben wird, der befestigte Grundbesitz
trage einen Monopolcharakter, so liegt darin doch nur ein sehr kleines Körnchen
Wahrheit (siehe weiter unten), denn von dem Boden Preußens befinden sich
immer noch fünfzehn Sechzehntel, oder, wenn man vom Waldbestande absieht,
etwa vierundzwanzig Fünfundzwanzigstel im freien Verkehr und sind der Ent¬
faltung der wirtschaftlichen Kräfte überlassen. So scheint denn auch die
angebliche Einengung des freien Gntsoerkehrs, über die namentlich in
Schlesien geklagt wird, aus politischen Gründen aufgebauscht zu sein;
praktisch hat sie sich, wenigstens in den übrigen Provinzen, bisher nicht fühlbar
gemacht.

Einer Reform bedarf das bestehende Fideikommißrecht aber allerdings.
Wie wäre das auch anders möglich bei einem Rechtsgebiet, das seit Friedrich


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[0327] Die Zukunft der Fideikommisse hasten Landarbeitern. Gerade diese völkische Bedeutung des Fideikommisses darf man heute, da unsere Volkskraft nicht mehr in der alten Weise vorwärts geht, ja nicht außer acht lassen. Und endlich, mag man auch die innere Kolonisation in vielen Gegenden für noch so nötig halten: die Erhaltung eines leistungsfähigen Großgrundbesitzes ist für die Landwirtschaft ebenso wichtig, als für Handel und Gewerbe das Vorhandensein tüchtiger Großbanken, Großfabriken und des Großhandels. Sonst fehlt es dem bäuerlichen und kleinen Grundbesitz, der vier Fünftel des gesamten deutschen Bodens sein eigen nennt, an der wirt¬ schaftlichen und politischen Führung. Es liegt nicht in der Billigkeit, den ländlichen Großbetrieben die Daseinsberechtigung abzusprechen, gewerbliche Gro߬ unternehmungen aber zu bewundern; gewiß wirken die letzteren wirtschaftlich besonders befruchtend, aber sie zerstören auch und verbrauchen in besonders hohen: Grade die Volkskraft. Zuungunsten der Fideikommisse wird nielfach angeführt, daß ihr Grund¬ steuerreinertrag geringer sei, als der durchschnittliche und daß dies ein Beweis schlechter und rückständiger Wirtschaft sei. Allein die Grundsteuerveranlagung ist fast fünfzig Jahre alt und beweist schon deshalb nichts für heutige Ver¬ hältnisse; in meinem ehemaligen landrätlichen Kreise haben sich die Wert¬ verhältnisse seitdem infolge teilweiserJntensivierung der Wirtschaften, aber auch durch die Entwertung des schweren Bodens, vollkommen geändert. Der sehr erklärliche Grund des geringen Reinertrages der Fideikommisse liegt aber überhaupt in ganz andrer Richtung, nämlich in dem oben erwähnten starken Vorherrschen des Waldbestandes. Mehr Berechtigung hat der allgemeine Hinweis, daß die Fideikommißwirtschasten oft, wenn auch keineswegs immer (in meinem Kreise gehörten sie zu den besten), nicht so intensiv betrieben werden, wie dies auf mittelgroßen Gütern der Fall ist. Indessen sehe ich darin keinen dauernden Zustand; unsere Landwirtschaft befindet sich gerade jetzt mitten im Übergang zur Intensität. Dabei gehen die Mittelgüter voran, die großen und die kleinen (bäuerlichen) folgen überall etwas langsamer. So löst sich der vermeintliche Vorwurf in eine durch die Natur der Sache allgemein bedingte Erscheinung auf. Wenn ferner heute oft hervorgehoben wird, der befestigte Grundbesitz trage einen Monopolcharakter, so liegt darin doch nur ein sehr kleines Körnchen Wahrheit (siehe weiter unten), denn von dem Boden Preußens befinden sich immer noch fünfzehn Sechzehntel, oder, wenn man vom Waldbestande absieht, etwa vierundzwanzig Fünfundzwanzigstel im freien Verkehr und sind der Ent¬ faltung der wirtschaftlichen Kräfte überlassen. So scheint denn auch die angebliche Einengung des freien Gntsoerkehrs, über die namentlich in Schlesien geklagt wird, aus politischen Gründen aufgebauscht zu sein; praktisch hat sie sich, wenigstens in den übrigen Provinzen, bisher nicht fühlbar gemacht. Einer Reform bedarf das bestehende Fideikommißrecht aber allerdings. Wie wäre das auch anders möglich bei einem Rechtsgebiet, das seit Friedrich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/327>, abgerufen am 15.01.2025.