Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Prometheus und Icirathustra Die Kunde davon, daß sich ein erstaunliches, geheimnisvolles Buch biblischen Und Nietzsche, Professor in Basel, mit allen berühmten Männern Was ist nun wahrscheinlicher? Daß diese Schüler Nietzsches ihrem Meister Darum noch einmal: Ich kann zwar keine Spur davon auffinden, daß Prometheus und Icirathustra Die Kunde davon, daß sich ein erstaunliches, geheimnisvolles Buch biblischen Und Nietzsche, Professor in Basel, mit allen berühmten Männern Was ist nun wahrscheinlicher? Daß diese Schüler Nietzsches ihrem Meister Darum noch einmal: Ich kann zwar keine Spur davon auffinden, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322712"/> <fw type="header" place="top"> Prometheus und Icirathustra</fw><lb/> <p xml:id="ID_1455"> Die Kunde davon, daß sich ein erstaunliches, geheimnisvolles Buch biblischen<lb/> Stils ereignet habe, sprach sich seit Februar 1881 unter den bedeutenden Männern<lb/> der deutschen Schweiz herum. Sämtliche namhaften Schriftsteller, auch die<lb/> angesehensten Musikdirektoren in Bern, Zürich und Basel hatten das Buch in<lb/> Händen, Keller besaß es, Meyer besaß es, Adolf Frey und Widmann machten<lb/> vergebliche Versuche, die Nachricht von dem Phänomen nach Deutschland zu<lb/> verbreiten. An den schweizerischen Universitäten war es bekannt, ich weiß z. B.,<lb/> daß die Professoren der deutschen Literatur an der Züricher und Berner Universität<lb/> das Buch kannten; Jacob Burckhard, Professor in Basel, hat es von mir selber<lb/> zugeschickt bekommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1456"> Und Nietzsche, Professor in Basel, mit allen berühmten Männern<lb/> der Schweiz in Fühlung, sollte nichts davon vernommen haben? Ich<lb/> habe schon mitgeteilt, daß zu den allerersten Lesern und Bewunderern des<lb/> Buches einige ehemalige Schüler und begeisterte Jünger Nietzsches gehörten;<lb/> darunter Baseler, die ihrem geliebten Lehrer Dankes- und Ehrfurchtsbesuche<lb/> abstatteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1457"> Was ist nun wahrscheinlicher? Daß diese Schüler Nietzsches ihrem Meister<lb/> gegenüber sämtlich von dem merkwürdigen Buch geschwiegen habe» sollten, oder<lb/> daß einer von ihnen ihn im Gespräch darauf aufmerksam gemacht hat? Ferner<lb/> bedeutete ja das Werk für den Buchhandel zu zweien Malen eine Neuigkeit;<lb/> einmal im Jahre 1880, als der erste Teil erschien, das andere Mal im Jahre<lb/> 1881, beim Erscheinen des zweiten Teils. Die Firma Sauerländer, welche<lb/> das Werk verlegte, ist oder war wenigstens eine der angesehensten Verlags¬<lb/> firmen der Schweiz. Was ist nun wieder wahrscheinlicher, daß keiner der<lb/> Baseler Buchhändler, weder im Jahre 1880 noch im Jahre 1881, das neue<lb/> Buch Herrn Professor Dr. Fr. Nietzsche zur Ansicht ins Haus gesandt hätte,<lb/> oder daß einer von ihnen das tat? Ich vermute, es wird wohl der oder jener<lb/> von ihnen sich ebenfalls gesagt haben: .Das muß man Nietzsche schicken, das<lb/> ist etwas für ihn.' Oder ich höre Jakob Burckhard, wie er beiläufig im Gespräch<lb/> zu Nietzsche sagt: .Sehen Sie sich doch einmal gelegentlich das ein, wenn Sie<lb/> Zeit haben! Vielleicht gelingt es Ihnen, aus dem Zeug klug zu werden; ich<lb/> kann weiß Gott nichts damit anfangen.' Endlich: im Herbst 1881 unmittelbar<lb/> nach dem Erscheinen des zweiten Teils brachte der Berner Bund eine große<lb/> Besprechung des Buches; Nietzsche las mit Vorliebe den Bund. In der ge-<lb/> lesensten Zeitung Basels, den Baseler Nachrichten, wies Professor Stephan Born,<lb/> also ein Kollege Nietzsches an der Baseler Universität, mit auszeichnenden<lb/> Worten auf das Werk hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_1458"> Darum noch einmal: Ich kann zwar keine Spur davon auffinden, daß<lb/> Nietzsche den .Prometheus' im Jahre 1881 oder 1882 zugeschickt erhalten<lb/> hätte, allein es wäre verwunderlich, wenn ihm das Buch damals, da es als<lb/> erstaunliche literarische Neuigkeit bei den auserlesensten und berühmtesten Persön-<lb/> lichkeiten der Schweiz Aufsehen erregte, entgangen wäre."</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0310]
Prometheus und Icirathustra
Die Kunde davon, daß sich ein erstaunliches, geheimnisvolles Buch biblischen
Stils ereignet habe, sprach sich seit Februar 1881 unter den bedeutenden Männern
der deutschen Schweiz herum. Sämtliche namhaften Schriftsteller, auch die
angesehensten Musikdirektoren in Bern, Zürich und Basel hatten das Buch in
Händen, Keller besaß es, Meyer besaß es, Adolf Frey und Widmann machten
vergebliche Versuche, die Nachricht von dem Phänomen nach Deutschland zu
verbreiten. An den schweizerischen Universitäten war es bekannt, ich weiß z. B.,
daß die Professoren der deutschen Literatur an der Züricher und Berner Universität
das Buch kannten; Jacob Burckhard, Professor in Basel, hat es von mir selber
zugeschickt bekommen.
Und Nietzsche, Professor in Basel, mit allen berühmten Männern
der Schweiz in Fühlung, sollte nichts davon vernommen haben? Ich
habe schon mitgeteilt, daß zu den allerersten Lesern und Bewunderern des
Buches einige ehemalige Schüler und begeisterte Jünger Nietzsches gehörten;
darunter Baseler, die ihrem geliebten Lehrer Dankes- und Ehrfurchtsbesuche
abstatteten.
Was ist nun wahrscheinlicher? Daß diese Schüler Nietzsches ihrem Meister
gegenüber sämtlich von dem merkwürdigen Buch geschwiegen habe» sollten, oder
daß einer von ihnen ihn im Gespräch darauf aufmerksam gemacht hat? Ferner
bedeutete ja das Werk für den Buchhandel zu zweien Malen eine Neuigkeit;
einmal im Jahre 1880, als der erste Teil erschien, das andere Mal im Jahre
1881, beim Erscheinen des zweiten Teils. Die Firma Sauerländer, welche
das Werk verlegte, ist oder war wenigstens eine der angesehensten Verlags¬
firmen der Schweiz. Was ist nun wieder wahrscheinlicher, daß keiner der
Baseler Buchhändler, weder im Jahre 1880 noch im Jahre 1881, das neue
Buch Herrn Professor Dr. Fr. Nietzsche zur Ansicht ins Haus gesandt hätte,
oder daß einer von ihnen das tat? Ich vermute, es wird wohl der oder jener
von ihnen sich ebenfalls gesagt haben: .Das muß man Nietzsche schicken, das
ist etwas für ihn.' Oder ich höre Jakob Burckhard, wie er beiläufig im Gespräch
zu Nietzsche sagt: .Sehen Sie sich doch einmal gelegentlich das ein, wenn Sie
Zeit haben! Vielleicht gelingt es Ihnen, aus dem Zeug klug zu werden; ich
kann weiß Gott nichts damit anfangen.' Endlich: im Herbst 1881 unmittelbar
nach dem Erscheinen des zweiten Teils brachte der Berner Bund eine große
Besprechung des Buches; Nietzsche las mit Vorliebe den Bund. In der ge-
lesensten Zeitung Basels, den Baseler Nachrichten, wies Professor Stephan Born,
also ein Kollege Nietzsches an der Baseler Universität, mit auszeichnenden
Worten auf das Werk hin.
Darum noch einmal: Ich kann zwar keine Spur davon auffinden, daß
Nietzsche den .Prometheus' im Jahre 1881 oder 1882 zugeschickt erhalten
hätte, allein es wäre verwunderlich, wenn ihm das Buch damals, da es als
erstaunliche literarische Neuigkeit bei den auserlesensten und berühmtesten Persön-
lichkeiten der Schweiz Aufsehen erregte, entgangen wäre."
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