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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichssxiegel

Der Zustand des internationalen Geldmarktes ist es, der Handel und In¬
dustrie gegenwärtig zu ernsten Besorgnissen Anlaß gibt. Die kriegerischen Ereignisse
haben die in den allgemeinen Verhältnissen begründete Anspannung in unvorher¬
gesehenen Maße verschärft. Nachdem die Reichsbank, mehr aus Vorsicht, als weil
eine unmittelbare Notwendigkeit vorlag, ihren Zinsfuß auf 5 Prozent erhöht hatte,
durfte man hoffen, daß das Jahresende keine weitere Zinsverteuerung mehr
bringen werde. Denn gerade die Verhältnisse des deutschen Geldmarktes und
der Status der Neichsbank waren durchaus befriedigende. Indessen hat die
abermalige Diskonterhöhung der Bank von Frankreich, der eine solche der
italienischen Notenbanken auf dem Fuße gefolgt ist, das Bild durchaus ver¬
schoben. In Frankreich herrscht jetzt ein Zinsfuß von 4^, in Italien ein
solcher von 6 Prozent, Sätze, wie sie in dieser Höhe seit der letzten Geld¬
kalamität nicht mehr vorhanden waren. Die Bank von England wird angesichts
der starken Geldentnahmen und der Steigerung des Londoner Privatsatzes, die
gleiche Maßregel nicht mehr aufspielen können und dann ergibt sich bei dem
ungünstigen Stand der Devisenkurse auch für die Neichsbank die Notwendigkeit,
die Diskontschraube weiter anzuziehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß uns die
nächste Woche einen sechsprozentigen Diskont beschert, ist daher leider eine sehr
große. Denn es ist kaum anzunehmen, daß die Neichsbank sich nur mit einem
halben Prozent begnügen wird. Diese selbe Maßregel hat sich erst eben als
ungenügend erwiesen -- man wird den Fehler nicht zum zweiten Male begehen.
Ein so hoher Diskont ist aber unter allen Umständen eine Sturmwarnung. Er
zeigt an, daß nunmehr der wirtschaftlichen Entwicklung auch von feiten des
Geldmarktes schwere und unmittelbare Gefahr droht. Bisher war die Kon¬
junktur gerade darin fest verankert, daß trotz der großen Ansprüche der Industrie
der Geldmarkt keine Spuren der übermäßigen Belastung erkennen ließ. Diese
erfreuliche Gewißheit ist jetzt geschwunden. Es gilt jetzt die Segel zu reffen
und nach Möglichkeit dein wirtschaftlichen Expansionsdrang zu steuern, sollen sich
nicht die trüben Erfahrungen der letzten Wirtschaftskrisis wiederholen.




Der Plan eines Reichspetroleummonopols, über den in diesen
Blättern bereits berichtet worden ist, erweist sich bei näherer Prüfung als eine
ebenso interessante und schwierige Frage. Interessant, vor allem wegen der
prinzipiellen Grundlage und der Eigenartigkeit der Finanzierung; schwierig,
wegen der Bedenken, die sich gegen die Durchführbarkeit erheben.

Nach drei Seiten verdient der Monopolplan uneingeschränkte Billigung.
Zunächst -- das ist die wichtigste, grundsätzliche Seite -- weil er zum ersten
Male das Prinzip vertritt, daß der Staat private Monopole nicht dulden
darf, daß es seine Aufgabe ist, in den Prozeß der Gütererzeugung und -Ver¬
teilung da einzugreifen, wo wichtige Konsmnartikel der Allgemeinheit in die
Hände weniger privater Erwerbsgesellschaften gelangen, die in der Lage sind,
die Konsumenten sich tributpflichtig zu machen. Was der Staat gegenüber der


Reichssxiegel

Der Zustand des internationalen Geldmarktes ist es, der Handel und In¬
dustrie gegenwärtig zu ernsten Besorgnissen Anlaß gibt. Die kriegerischen Ereignisse
haben die in den allgemeinen Verhältnissen begründete Anspannung in unvorher¬
gesehenen Maße verschärft. Nachdem die Reichsbank, mehr aus Vorsicht, als weil
eine unmittelbare Notwendigkeit vorlag, ihren Zinsfuß auf 5 Prozent erhöht hatte,
durfte man hoffen, daß das Jahresende keine weitere Zinsverteuerung mehr
bringen werde. Denn gerade die Verhältnisse des deutschen Geldmarktes und
der Status der Neichsbank waren durchaus befriedigende. Indessen hat die
abermalige Diskonterhöhung der Bank von Frankreich, der eine solche der
italienischen Notenbanken auf dem Fuße gefolgt ist, das Bild durchaus ver¬
schoben. In Frankreich herrscht jetzt ein Zinsfuß von 4^, in Italien ein
solcher von 6 Prozent, Sätze, wie sie in dieser Höhe seit der letzten Geld¬
kalamität nicht mehr vorhanden waren. Die Bank von England wird angesichts
der starken Geldentnahmen und der Steigerung des Londoner Privatsatzes, die
gleiche Maßregel nicht mehr aufspielen können und dann ergibt sich bei dem
ungünstigen Stand der Devisenkurse auch für die Neichsbank die Notwendigkeit,
die Diskontschraube weiter anzuziehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß uns die
nächste Woche einen sechsprozentigen Diskont beschert, ist daher leider eine sehr
große. Denn es ist kaum anzunehmen, daß die Neichsbank sich nur mit einem
halben Prozent begnügen wird. Diese selbe Maßregel hat sich erst eben als
ungenügend erwiesen — man wird den Fehler nicht zum zweiten Male begehen.
Ein so hoher Diskont ist aber unter allen Umständen eine Sturmwarnung. Er
zeigt an, daß nunmehr der wirtschaftlichen Entwicklung auch von feiten des
Geldmarktes schwere und unmittelbare Gefahr droht. Bisher war die Kon¬
junktur gerade darin fest verankert, daß trotz der großen Ansprüche der Industrie
der Geldmarkt keine Spuren der übermäßigen Belastung erkennen ließ. Diese
erfreuliche Gewißheit ist jetzt geschwunden. Es gilt jetzt die Segel zu reffen
und nach Möglichkeit dein wirtschaftlichen Expansionsdrang zu steuern, sollen sich
nicht die trüben Erfahrungen der letzten Wirtschaftskrisis wiederholen.




Der Plan eines Reichspetroleummonopols, über den in diesen
Blättern bereits berichtet worden ist, erweist sich bei näherer Prüfung als eine
ebenso interessante und schwierige Frage. Interessant, vor allem wegen der
prinzipiellen Grundlage und der Eigenartigkeit der Finanzierung; schwierig,
wegen der Bedenken, die sich gegen die Durchführbarkeit erheben.

Nach drei Seiten verdient der Monopolplan uneingeschränkte Billigung.
Zunächst — das ist die wichtigste, grundsätzliche Seite — weil er zum ersten
Male das Prinzip vertritt, daß der Staat private Monopole nicht dulden
darf, daß es seine Aufgabe ist, in den Prozeß der Gütererzeugung und -Ver¬
teilung da einzugreifen, wo wichtige Konsmnartikel der Allgemeinheit in die
Hände weniger privater Erwerbsgesellschaften gelangen, die in der Lage sind,
die Konsumenten sich tributpflichtig zu machen. Was der Staat gegenüber der


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[0297] Reichssxiegel Der Zustand des internationalen Geldmarktes ist es, der Handel und In¬ dustrie gegenwärtig zu ernsten Besorgnissen Anlaß gibt. Die kriegerischen Ereignisse haben die in den allgemeinen Verhältnissen begründete Anspannung in unvorher¬ gesehenen Maße verschärft. Nachdem die Reichsbank, mehr aus Vorsicht, als weil eine unmittelbare Notwendigkeit vorlag, ihren Zinsfuß auf 5 Prozent erhöht hatte, durfte man hoffen, daß das Jahresende keine weitere Zinsverteuerung mehr bringen werde. Denn gerade die Verhältnisse des deutschen Geldmarktes und der Status der Neichsbank waren durchaus befriedigende. Indessen hat die abermalige Diskonterhöhung der Bank von Frankreich, der eine solche der italienischen Notenbanken auf dem Fuße gefolgt ist, das Bild durchaus ver¬ schoben. In Frankreich herrscht jetzt ein Zinsfuß von 4^, in Italien ein solcher von 6 Prozent, Sätze, wie sie in dieser Höhe seit der letzten Geld¬ kalamität nicht mehr vorhanden waren. Die Bank von England wird angesichts der starken Geldentnahmen und der Steigerung des Londoner Privatsatzes, die gleiche Maßregel nicht mehr aufspielen können und dann ergibt sich bei dem ungünstigen Stand der Devisenkurse auch für die Neichsbank die Notwendigkeit, die Diskontschraube weiter anzuziehen. Die Wahrscheinlichkeit, daß uns die nächste Woche einen sechsprozentigen Diskont beschert, ist daher leider eine sehr große. Denn es ist kaum anzunehmen, daß die Neichsbank sich nur mit einem halben Prozent begnügen wird. Diese selbe Maßregel hat sich erst eben als ungenügend erwiesen — man wird den Fehler nicht zum zweiten Male begehen. Ein so hoher Diskont ist aber unter allen Umständen eine Sturmwarnung. Er zeigt an, daß nunmehr der wirtschaftlichen Entwicklung auch von feiten des Geldmarktes schwere und unmittelbare Gefahr droht. Bisher war die Kon¬ junktur gerade darin fest verankert, daß trotz der großen Ansprüche der Industrie der Geldmarkt keine Spuren der übermäßigen Belastung erkennen ließ. Diese erfreuliche Gewißheit ist jetzt geschwunden. Es gilt jetzt die Segel zu reffen und nach Möglichkeit dein wirtschaftlichen Expansionsdrang zu steuern, sollen sich nicht die trüben Erfahrungen der letzten Wirtschaftskrisis wiederholen. Der Plan eines Reichspetroleummonopols, über den in diesen Blättern bereits berichtet worden ist, erweist sich bei näherer Prüfung als eine ebenso interessante und schwierige Frage. Interessant, vor allem wegen der prinzipiellen Grundlage und der Eigenartigkeit der Finanzierung; schwierig, wegen der Bedenken, die sich gegen die Durchführbarkeit erheben. Nach drei Seiten verdient der Monopolplan uneingeschränkte Billigung. Zunächst — das ist die wichtigste, grundsätzliche Seite — weil er zum ersten Male das Prinzip vertritt, daß der Staat private Monopole nicht dulden darf, daß es seine Aufgabe ist, in den Prozeß der Gütererzeugung und -Ver¬ teilung da einzugreifen, wo wichtige Konsmnartikel der Allgemeinheit in die Hände weniger privater Erwerbsgesellschaften gelangen, die in der Lage sind, die Konsumenten sich tributpflichtig zu machen. Was der Staat gegenüber der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/297>, abgerufen am 15.01.2025.