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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Die See in der plattdeutschen Lyrik

und somit auH in den Bordliedern, geht es bekanntlich mehr realistisch derb
als zartfühlend her, wie überall, wo Sitte bringende Weiblichkeit ausgeschaltet
M. Mau höre ein paar Verse, mit denen der Bremer Seemann Red die
famosen Geschichten aus seiner "Fohrensstied" einleitet:

Ein echter und rechter Seemannspoet wird uns voraussichtlich einmal in
dem schon genannten Gorch Font, einem Finkenwärder Fischerkind, erwachsen.
Der kennt die See und ihre Leute. Als Beispiel sein Gedicht auf die aufsitzende
Fünfmastbark "Preußen" (7. November 1910).

Vor Dover sitt wi up den Steen
Mit braten Topp un Mast,
Op dat Deck springt de groten Brekers,
De hungrigen Störtebekers,
Un de Felsen, de Felsen sollt fast!
An Deck mit bien Harmonika,
Lüde Kock, un Speck en op l
Un denn lat dat Water man brühen,
Un denn lat den Stormwind man sufer,
Denn Hess ick wat anners in'n Kopp.
Denn denk ik an Sankt Pauli woll
Un an mien heute Deern;
Na Jquiaue wull se mi schrieben:
Dat wi vor England sulln bliben,
Dat seeg ik verdamm! meh geern.
Wat grippst du uns hier binnen an,
Du Wille Wind, du Deert?
In 'n Atlantik kannst du uns rieten,
Bi Kap Hoorn bor kunnst du uns hinieden;
Dor harr sick uns' Preußen woll wehrt I
Salt so uns' Fiefmastschipp verzahn?
De Königin op See?
Ne, Jungens, dat troff dat nich geben!
De "Preußen" un wi wollt noch leben!
Hurrah ober Luw -- über Lee!

Seltsamerweise hat nur die Nordsee ihre Kinder (Dithmarscher und
Friesen) zu ihrem dichterischen Ruhm begeistert. Die Ostsee nicht, nicht einmal
den Dichter des "Vagel Grip", John Brinckman.




Die See in der plattdeutschen Lyrik

und somit auH in den Bordliedern, geht es bekanntlich mehr realistisch derb
als zartfühlend her, wie überall, wo Sitte bringende Weiblichkeit ausgeschaltet
M. Mau höre ein paar Verse, mit denen der Bremer Seemann Red die
famosen Geschichten aus seiner „Fohrensstied" einleitet:

Ein echter und rechter Seemannspoet wird uns voraussichtlich einmal in
dem schon genannten Gorch Font, einem Finkenwärder Fischerkind, erwachsen.
Der kennt die See und ihre Leute. Als Beispiel sein Gedicht auf die aufsitzende
Fünfmastbark „Preußen" (7. November 1910).

Vor Dover sitt wi up den Steen
Mit braten Topp un Mast,
Op dat Deck springt de groten Brekers,
De hungrigen Störtebekers,
Un de Felsen, de Felsen sollt fast!
An Deck mit bien Harmonika,
Lüde Kock, un Speck en op l
Un denn lat dat Water man brühen,
Un denn lat den Stormwind man sufer,
Denn Hess ick wat anners in'n Kopp.
Denn denk ik an Sankt Pauli woll
Un an mien heute Deern;
Na Jquiaue wull se mi schrieben:
Dat wi vor England sulln bliben,
Dat seeg ik verdamm! meh geern.
Wat grippst du uns hier binnen an,
Du Wille Wind, du Deert?
In 'n Atlantik kannst du uns rieten,
Bi Kap Hoorn bor kunnst du uns hinieden;
Dor harr sick uns' Preußen woll wehrt I
Salt so uns' Fiefmastschipp verzahn?
De Königin op See?
Ne, Jungens, dat troff dat nich geben!
De „Preußen" un wi wollt noch leben!
Hurrah ober Luw — über Lee!

Seltsamerweise hat nur die Nordsee ihre Kinder (Dithmarscher und
Friesen) zu ihrem dichterischen Ruhm begeistert. Die Ostsee nicht, nicht einmal
den Dichter des „Vagel Grip", John Brinckman.




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[0193] Die See in der plattdeutschen Lyrik und somit auH in den Bordliedern, geht es bekanntlich mehr realistisch derb als zartfühlend her, wie überall, wo Sitte bringende Weiblichkeit ausgeschaltet M. Mau höre ein paar Verse, mit denen der Bremer Seemann Red die famosen Geschichten aus seiner „Fohrensstied" einleitet: Ein echter und rechter Seemannspoet wird uns voraussichtlich einmal in dem schon genannten Gorch Font, einem Finkenwärder Fischerkind, erwachsen. Der kennt die See und ihre Leute. Als Beispiel sein Gedicht auf die aufsitzende Fünfmastbark „Preußen" (7. November 1910). Vor Dover sitt wi up den Steen Mit braten Topp un Mast, Op dat Deck springt de groten Brekers, De hungrigen Störtebekers, Un de Felsen, de Felsen sollt fast! An Deck mit bien Harmonika, Lüde Kock, un Speck en op l Un denn lat dat Water man brühen, Un denn lat den Stormwind man sufer, Denn Hess ick wat anners in'n Kopp. Denn denk ik an Sankt Pauli woll Un an mien heute Deern; Na Jquiaue wull se mi schrieben: Dat wi vor England sulln bliben, Dat seeg ik verdamm! meh geern. Wat grippst du uns hier binnen an, Du Wille Wind, du Deert? In 'n Atlantik kannst du uns rieten, Bi Kap Hoorn bor kunnst du uns hinieden; Dor harr sick uns' Preußen woll wehrt I Salt so uns' Fiefmastschipp verzahn? De Königin op See? Ne, Jungens, dat troff dat nich geben! De „Preußen" un wi wollt noch leben! Hurrah ober Luw — über Lee! Seltsamerweise hat nur die Nordsee ihre Kinder (Dithmarscher und Friesen) zu ihrem dichterischen Ruhm begeistert. Die Ostsee nicht, nicht einmal den Dichter des „Vagel Grip", John Brinckman.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/193>, abgerufen am 15.01.2025.