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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Die See in der plattdeutschen Lyrik

einerseits und Bauern anderseits in der Küstengegend sich berühren, ein starker
Gegensatz, in dem der Seemann, kann er es mit dem Geld des Bauern auch
nicht ausnehmen, sich als der Freiere und Tüchtigere fühlt. Das geht sogar auf
die Frauen über. Die friesische Eilandstochter weist die Werbung des reichen
Festlandsbauern stolz zurück:

Un Werst du Bur ok golden
du protst mi nich so matt,*)
dat mi din Gold kumm holden,
Ick gab nich an de Wall (Festland).
Min Eiland droggt min Hüften,
Min Weg is 't Schipp to See,
Hier bleihn um Blomenstrüsken,
De 'k an de Wall nich seh.
Un fielst achter Dick un Dämmen,
Un hust ook 'n Hartensdeef,
'k heff armer Brüdigammen:
De See, de heff ick levl
In See dar schlapen min Otter,
In See dar schlöppt min Brör,
To hör will ick mi holden,
Un rüsten dar bi hör.
In See dar schwemmt dat Flöten
So munter, runa un blank.
Du meenst, wullt mi erwisken
In 't Nettje? -- Nee, ick dankt

Neben solchen Gegensätzen kommt aber auch die eigentliche seemännische Be¬
rufsfreudigkeit, das Bord-, Matrosen- und Fischerleben kraftvoll und anschaulich
in der Seemannspoesie zum Ausdruck. Von den alten Emdener Buisen (Herings¬
fängern) meldet uns folgendes Gedicht aus dem Jahre 1828:

Man wird auf Teilung gefischt haben, denn eine Strophe lautet, tröstlich
für die zurückbleibende Braut:

Die ganze Poesie der alten Segelschiffahrt klingt aus einem Liede des
gleichen Jahres "Dat seilklare Schipp" wieder, das wegen seiner zahlreichen
nautisch-technischen Ausdrücke hier leider keinen Platz finden kann. An Bord,



*) Du redest mich nicht so dumm.
Grenzboten IV 191224
Die See in der plattdeutschen Lyrik

einerseits und Bauern anderseits in der Küstengegend sich berühren, ein starker
Gegensatz, in dem der Seemann, kann er es mit dem Geld des Bauern auch
nicht ausnehmen, sich als der Freiere und Tüchtigere fühlt. Das geht sogar auf
die Frauen über. Die friesische Eilandstochter weist die Werbung des reichen
Festlandsbauern stolz zurück:

Un Werst du Bur ok golden
du protst mi nich so matt,*)
dat mi din Gold kumm holden,
Ick gab nich an de Wall (Festland).
Min Eiland droggt min Hüften,
Min Weg is 't Schipp to See,
Hier bleihn um Blomenstrüsken,
De 'k an de Wall nich seh.
Un fielst achter Dick un Dämmen,
Un hust ook 'n Hartensdeef,
'k heff armer Brüdigammen:
De See, de heff ick levl
In See dar schlapen min Otter,
In See dar schlöppt min Brör,
To hör will ick mi holden,
Un rüsten dar bi hör.
In See dar schwemmt dat Flöten
So munter, runa un blank.
Du meenst, wullt mi erwisken
In 't Nettje? — Nee, ick dankt

Neben solchen Gegensätzen kommt aber auch die eigentliche seemännische Be¬
rufsfreudigkeit, das Bord-, Matrosen- und Fischerleben kraftvoll und anschaulich
in der Seemannspoesie zum Ausdruck. Von den alten Emdener Buisen (Herings¬
fängern) meldet uns folgendes Gedicht aus dem Jahre 1828:

Man wird auf Teilung gefischt haben, denn eine Strophe lautet, tröstlich
für die zurückbleibende Braut:

Die ganze Poesie der alten Segelschiffahrt klingt aus einem Liede des
gleichen Jahres „Dat seilklare Schipp" wieder, das wegen seiner zahlreichen
nautisch-technischen Ausdrücke hier leider keinen Platz finden kann. An Bord,



*) Du redest mich nicht so dumm.
Grenzboten IV 191224
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[0192] Die See in der plattdeutschen Lyrik einerseits und Bauern anderseits in der Küstengegend sich berühren, ein starker Gegensatz, in dem der Seemann, kann er es mit dem Geld des Bauern auch nicht ausnehmen, sich als der Freiere und Tüchtigere fühlt. Das geht sogar auf die Frauen über. Die friesische Eilandstochter weist die Werbung des reichen Festlandsbauern stolz zurück: Un Werst du Bur ok golden du protst mi nich so matt,*) dat mi din Gold kumm holden, Ick gab nich an de Wall (Festland). Min Eiland droggt min Hüften, Min Weg is 't Schipp to See, Hier bleihn um Blomenstrüsken, De 'k an de Wall nich seh. Un fielst achter Dick un Dämmen, Un hust ook 'n Hartensdeef, 'k heff armer Brüdigammen: De See, de heff ick levl In See dar schlapen min Otter, In See dar schlöppt min Brör, To hör will ick mi holden, Un rüsten dar bi hör. In See dar schwemmt dat Flöten So munter, runa un blank. Du meenst, wullt mi erwisken In 't Nettje? — Nee, ick dankt Neben solchen Gegensätzen kommt aber auch die eigentliche seemännische Be¬ rufsfreudigkeit, das Bord-, Matrosen- und Fischerleben kraftvoll und anschaulich in der Seemannspoesie zum Ausdruck. Von den alten Emdener Buisen (Herings¬ fängern) meldet uns folgendes Gedicht aus dem Jahre 1828: Man wird auf Teilung gefischt haben, denn eine Strophe lautet, tröstlich für die zurückbleibende Braut: Die ganze Poesie der alten Segelschiffahrt klingt aus einem Liede des gleichen Jahres „Dat seilklare Schipp" wieder, das wegen seiner zahlreichen nautisch-technischen Ausdrücke hier leider keinen Platz finden kann. An Bord, *) Du redest mich nicht so dumm. Grenzboten IV 191224

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/192>, abgerufen am 15.01.2025.