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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Aarl Walzer
Lin Roman
Richard Knies von
(Achte Fortsetzung)

Die viere, zu denen er gehen, deren Dienste er erbitten soll, gehören zu den
Dorfrohlingen, mit deren Namen man die ungezogenen Kinder schreckt. Kerle, die
in alle Messerstechereien verwickelt sind, die in hellen Mondnächten des Winters
auf verbotene Jagd gehen und dem Baron, der die ergiebige Spelzheimer Jagd
gepachtet hat, die Fasanen wegschießen, worüber die Bauern aber nicht gerade sehr
böse sind, weil die Fasanen ihnen heillosen Schaden an den jungen Gurkenkulturen
anrichten. Die Familien der viere zählt man, um es kurz und mit einem Wort
zu sagen, zu den geborenen Gaunern. Und in ihre Wohnwinkel muß Karl. Da
es schon ein wenig spät ist, fürchtet er, sie nicht mehr anzutreffen. Dann müßte
er sie in den Wirtschaften suchen. Aber es zeigt sich, daß seine Vermutung un¬
begründet ist. Er trifft sie alle. Sommers arbeiten sie an der Dreschmaschine.
Das ist eine schwere Arbeit, bei der selbst ein Dorfrowdie recht müde wird.

Der Büttner-Karl ist gerade dabei, sich den Staub vom Leibe zu waschen.
Er hat das Hemd bis in die Hüften heruntergestreift und steht vor einem großen
Kübel Wasser. Er puddelt darin, plustert, schneuzt und brüllt dann:

"Schossefine, du Mensch, geb mer mol e Handtuch edel, daß ich mich
abdrückele kann!"

Er hat nicht umgeschaut, als er Tritte hinter sich hörte, und glaubt, seine
Frau stehe hinter ihm. Als er eine fremde Stimme hört, dreht er sich herum.
"Ich bin's, 's Schmied Salzers KarlI"

Da fährt der Halbnackte herum, schlüpft in sein Hemd, ohne sich abgetrocknet
zu haben, schnallt den Gürtel um die Hosen und sagt:

"Kassenrechnersbesuch! Dunnerkeil noch emol und in die Händ gespaukt, das
passiert uns arme Leut net jeden Tag!"

Schon beim ersten Wort ist der Bursche zusammengezuckt und abwechselnd
weiß und rot geworden. Der Büttner-Karl bemerkt das:

"Brauchscht net zu verschrecke, Börsch! Mir sort Leut tun dir nix! Weißt,
uns Hot dein Vater nix gestohle, mir denn selwer nix! Aber 's Hot garnix zu
sage, daß es jetzert auch mol en große Spitzbub im Dorf geben Hot. Unsereiner
nimmt sich emol eine Klanigkeit, und dann nennen das die dreckige Bauere gleich
stehle. Jetzert sehen sie wenigstens emol, was stehle eigentlich ist, und sind




Aarl Walzer
Lin Roman
Richard Knies von
(Achte Fortsetzung)

Die viere, zu denen er gehen, deren Dienste er erbitten soll, gehören zu den
Dorfrohlingen, mit deren Namen man die ungezogenen Kinder schreckt. Kerle, die
in alle Messerstechereien verwickelt sind, die in hellen Mondnächten des Winters
auf verbotene Jagd gehen und dem Baron, der die ergiebige Spelzheimer Jagd
gepachtet hat, die Fasanen wegschießen, worüber die Bauern aber nicht gerade sehr
böse sind, weil die Fasanen ihnen heillosen Schaden an den jungen Gurkenkulturen
anrichten. Die Familien der viere zählt man, um es kurz und mit einem Wort
zu sagen, zu den geborenen Gaunern. Und in ihre Wohnwinkel muß Karl. Da
es schon ein wenig spät ist, fürchtet er, sie nicht mehr anzutreffen. Dann müßte
er sie in den Wirtschaften suchen. Aber es zeigt sich, daß seine Vermutung un¬
begründet ist. Er trifft sie alle. Sommers arbeiten sie an der Dreschmaschine.
Das ist eine schwere Arbeit, bei der selbst ein Dorfrowdie recht müde wird.

Der Büttner-Karl ist gerade dabei, sich den Staub vom Leibe zu waschen.
Er hat das Hemd bis in die Hüften heruntergestreift und steht vor einem großen
Kübel Wasser. Er puddelt darin, plustert, schneuzt und brüllt dann:

„Schossefine, du Mensch, geb mer mol e Handtuch edel, daß ich mich
abdrückele kann!"

Er hat nicht umgeschaut, als er Tritte hinter sich hörte, und glaubt, seine
Frau stehe hinter ihm. Als er eine fremde Stimme hört, dreht er sich herum.
„Ich bin's, 's Schmied Salzers KarlI"

Da fährt der Halbnackte herum, schlüpft in sein Hemd, ohne sich abgetrocknet
zu haben, schnallt den Gürtel um die Hosen und sagt:

„Kassenrechnersbesuch! Dunnerkeil noch emol und in die Händ gespaukt, das
passiert uns arme Leut net jeden Tag!"

Schon beim ersten Wort ist der Bursche zusammengezuckt und abwechselnd
weiß und rot geworden. Der Büttner-Karl bemerkt das:

„Brauchscht net zu verschrecke, Börsch! Mir sort Leut tun dir nix! Weißt,
uns Hot dein Vater nix gestohle, mir denn selwer nix! Aber 's Hot garnix zu
sage, daß es jetzert auch mol en große Spitzbub im Dorf geben Hot. Unsereiner
nimmt sich emol eine Klanigkeit, und dann nennen das die dreckige Bauere gleich
stehle. Jetzert sehen sie wenigstens emol, was stehle eigentlich ist, und sind


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[0177] [Abbildung] Aarl Walzer Lin Roman Richard Knies von (Achte Fortsetzung) Die viere, zu denen er gehen, deren Dienste er erbitten soll, gehören zu den Dorfrohlingen, mit deren Namen man die ungezogenen Kinder schreckt. Kerle, die in alle Messerstechereien verwickelt sind, die in hellen Mondnächten des Winters auf verbotene Jagd gehen und dem Baron, der die ergiebige Spelzheimer Jagd gepachtet hat, die Fasanen wegschießen, worüber die Bauern aber nicht gerade sehr böse sind, weil die Fasanen ihnen heillosen Schaden an den jungen Gurkenkulturen anrichten. Die Familien der viere zählt man, um es kurz und mit einem Wort zu sagen, zu den geborenen Gaunern. Und in ihre Wohnwinkel muß Karl. Da es schon ein wenig spät ist, fürchtet er, sie nicht mehr anzutreffen. Dann müßte er sie in den Wirtschaften suchen. Aber es zeigt sich, daß seine Vermutung un¬ begründet ist. Er trifft sie alle. Sommers arbeiten sie an der Dreschmaschine. Das ist eine schwere Arbeit, bei der selbst ein Dorfrowdie recht müde wird. Der Büttner-Karl ist gerade dabei, sich den Staub vom Leibe zu waschen. Er hat das Hemd bis in die Hüften heruntergestreift und steht vor einem großen Kübel Wasser. Er puddelt darin, plustert, schneuzt und brüllt dann: „Schossefine, du Mensch, geb mer mol e Handtuch edel, daß ich mich abdrückele kann!" Er hat nicht umgeschaut, als er Tritte hinter sich hörte, und glaubt, seine Frau stehe hinter ihm. Als er eine fremde Stimme hört, dreht er sich herum. „Ich bin's, 's Schmied Salzers KarlI" Da fährt der Halbnackte herum, schlüpft in sein Hemd, ohne sich abgetrocknet zu haben, schnallt den Gürtel um die Hosen und sagt: „Kassenrechnersbesuch! Dunnerkeil noch emol und in die Händ gespaukt, das passiert uns arme Leut net jeden Tag!" Schon beim ersten Wort ist der Bursche zusammengezuckt und abwechselnd weiß und rot geworden. Der Büttner-Karl bemerkt das: „Brauchscht net zu verschrecke, Börsch! Mir sort Leut tun dir nix! Weißt, uns Hot dein Vater nix gestohle, mir denn selwer nix! Aber 's Hot garnix zu sage, daß es jetzert auch mol en große Spitzbub im Dorf geben Hot. Unsereiner nimmt sich emol eine Klanigkeit, und dann nennen das die dreckige Bauere gleich stehle. Jetzert sehen sie wenigstens emol, was stehle eigentlich ist, und sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/177>, abgerufen am 15.01.2025.