Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr."V/e ohne iclssls!" Hören wir nunmehr Mediziner. Die Erlernung der klassischen Sprachen ist Die Vortragenden mit juristischer Bildung waren meist Rechtsanwälte, also „V/e ohne iclssls!" Hören wir nunmehr Mediziner. Die Erlernung der klassischen Sprachen ist Die Vortragenden mit juristischer Bildung waren meist Rechtsanwälte, also <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322575"/> <fw type="header" place="top"> „V/e ohne iclssls!"</fw><lb/> <p xml:id="ID_786"> Hören wir nunmehr Mediziner. Die Erlernung der klassischen Sprachen ist<lb/> schwierig und schließt Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit aus: dafür schärfen<lb/> sie die Beobachtung und fördern die Beweglichkeit des Geistes — beides unschätz¬<lb/> bare Eigenschaften für den künftigen Arzt. Auch für das Verständnis der<lb/> zahlreichen dem Lateinischen und Griechischen entlehnten Fachausdrücke sind sie<lb/> unentbehrlich; unzweckmäßig wäre es, Rezepte in der Landessprache statt in der<lb/> ärztlichen Weltsprache zu schreiben. Allerdings soll die Vorbildung des Arztes<lb/> nicht auf die beiden alten Sprachen beschränkt bleiben (Vaughan, Universität<lb/> Michigan). Der Student, der außer den Bildungselementen, die mit seinem<lb/> erwählten Berufe in notwendigen! Zusammenhange stehen, sich noch weitere<lb/> Bildungsvorzüge angeeignet hat, ist am besten vorbereitet, nicht nur für das<lb/> Leben, fondern auch, um einen biologischen Ausdruck zu gebrauchen, für seine<lb/> Spezialisierung. Solche Vorbereitung begreift den humanistischen Unterricht<lb/> notwendig in sich — sonst kommen wir zu dem Ideal des gewöhnlichen auf<lb/> Routine beruhenden Geschäftserfolges. Der Arzt muß Tugenden, Laster, Be¬<lb/> dürfnisse seiner Umgebung verstehen, die menschliche Natur kennen, historische<lb/> Kenntnis der politischen Einrichtungen besitzen: zu all dem hilft ihm das Studium<lb/> des klassischen Altertums. Der wahrhaft gebildete Arzt ist größer als sein<lb/> Beruf. Auch seine freie Zeit muß er würdig ausfüllen können: er kann es mit<lb/> den unvergänglichen Werken der Alten. Geeignete Lehrer müssen die Studierenden<lb/> dazu anregen und dafür begeistern (Hinsdale, ebenda).</p><lb/> <p xml:id="ID_787" next="#ID_788"> Die Vortragenden mit juristischer Bildung waren meist Rechtsanwälte, also<lb/> Männer der Praxis. Das Recht ist ein praktischer Gegenstand, aber zugleich<lb/> eine Wissenschaft, deren Beherrschung eine über das Gewöhnliche hinausgehende<lb/> geistige Ausrüstung erfordert. Niemand kann als Student dieses Faches auf<lb/> viel Erfolg rechnen shne angemessene allgemeine Vorbildung, und niemand in<lb/> der Ausübung dieser Kunst, ohne für intellektuellen Wettbewerb der schärfsten<lb/> Art geschult zu sein. Schnell nutz er sich in eine fremde Materie hineinfinden,<lb/> sich unter Umständen fremde Arbeit aneignen können. Um solche Fähigkeiten<lb/> zu fördern, muß der Unterricht ausdauernde Anstrengung vom Schüler bean¬<lb/> spruchen: diese erwirbt er am sichersten durch mathematische Studien und eine<lb/> gründliche klassische Vorbildung. Der Anwalt muß die Sprache in der Gewalt<lb/> haben und schnell Bedeutungsschattierungen erfassen: das Studium der Klassiker<lb/> verleiht ihm auch Leichtigkeit im Gebrauch des ohne Latein nicht gründlich zu<lb/> beherrschenden Englisch. Ein klar formulierter Fall ist halb gewonnen. Freilich<lb/> sollten dem Anwalt auch Deutsch und Französisch geläufig sein (Hatchins, Univ.<lb/> Michigan). Ein gesundes Urteil spielt bei der konsultativen und prozessualer<lb/> Tätigkeit des Urwalds die erste Rolle: dazu leiten ihn eine genaue Schriftsteller¬<lb/> interpretation, wie sie die alten Sprachen fordern, und philosophische Studien<lb/> an, die aber jener als Grundlage bedürfen. Dazu kommt, daß die juristische<lb/> Terminologie reich an Latinismen ist und das römische Recht dem unsern<lb/> zugrunde liegt. In den alten Klassikern haben wir eine lange Reihe erprobter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
„V/e ohne iclssls!"
Hören wir nunmehr Mediziner. Die Erlernung der klassischen Sprachen ist
schwierig und schließt Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit aus: dafür schärfen
sie die Beobachtung und fördern die Beweglichkeit des Geistes — beides unschätz¬
bare Eigenschaften für den künftigen Arzt. Auch für das Verständnis der
zahlreichen dem Lateinischen und Griechischen entlehnten Fachausdrücke sind sie
unentbehrlich; unzweckmäßig wäre es, Rezepte in der Landessprache statt in der
ärztlichen Weltsprache zu schreiben. Allerdings soll die Vorbildung des Arztes
nicht auf die beiden alten Sprachen beschränkt bleiben (Vaughan, Universität
Michigan). Der Student, der außer den Bildungselementen, die mit seinem
erwählten Berufe in notwendigen! Zusammenhange stehen, sich noch weitere
Bildungsvorzüge angeeignet hat, ist am besten vorbereitet, nicht nur für das
Leben, fondern auch, um einen biologischen Ausdruck zu gebrauchen, für seine
Spezialisierung. Solche Vorbereitung begreift den humanistischen Unterricht
notwendig in sich — sonst kommen wir zu dem Ideal des gewöhnlichen auf
Routine beruhenden Geschäftserfolges. Der Arzt muß Tugenden, Laster, Be¬
dürfnisse seiner Umgebung verstehen, die menschliche Natur kennen, historische
Kenntnis der politischen Einrichtungen besitzen: zu all dem hilft ihm das Studium
des klassischen Altertums. Der wahrhaft gebildete Arzt ist größer als sein
Beruf. Auch seine freie Zeit muß er würdig ausfüllen können: er kann es mit
den unvergänglichen Werken der Alten. Geeignete Lehrer müssen die Studierenden
dazu anregen und dafür begeistern (Hinsdale, ebenda).
Die Vortragenden mit juristischer Bildung waren meist Rechtsanwälte, also
Männer der Praxis. Das Recht ist ein praktischer Gegenstand, aber zugleich
eine Wissenschaft, deren Beherrschung eine über das Gewöhnliche hinausgehende
geistige Ausrüstung erfordert. Niemand kann als Student dieses Faches auf
viel Erfolg rechnen shne angemessene allgemeine Vorbildung, und niemand in
der Ausübung dieser Kunst, ohne für intellektuellen Wettbewerb der schärfsten
Art geschult zu sein. Schnell nutz er sich in eine fremde Materie hineinfinden,
sich unter Umständen fremde Arbeit aneignen können. Um solche Fähigkeiten
zu fördern, muß der Unterricht ausdauernde Anstrengung vom Schüler bean¬
spruchen: diese erwirbt er am sichersten durch mathematische Studien und eine
gründliche klassische Vorbildung. Der Anwalt muß die Sprache in der Gewalt
haben und schnell Bedeutungsschattierungen erfassen: das Studium der Klassiker
verleiht ihm auch Leichtigkeit im Gebrauch des ohne Latein nicht gründlich zu
beherrschenden Englisch. Ein klar formulierter Fall ist halb gewonnen. Freilich
sollten dem Anwalt auch Deutsch und Französisch geläufig sein (Hatchins, Univ.
Michigan). Ein gesundes Urteil spielt bei der konsultativen und prozessualer
Tätigkeit des Urwalds die erste Rolle: dazu leiten ihn eine genaue Schriftsteller¬
interpretation, wie sie die alten Sprachen fordern, und philosophische Studien
an, die aber jener als Grundlage bedürfen. Dazu kommt, daß die juristische
Terminologie reich an Latinismen ist und das römische Recht dem unsern
zugrunde liegt. In den alten Klassikern haben wir eine lange Reihe erprobter
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