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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

und die letzteren für jetzt zur Unionsfrage, womit die des erblichen Fürsten
zusammenhängt, keine bestimmte Stellung einnehmen, und jede Äußerung darüber
vermeiden, aber darauf gehalten werden, daß die Diwans über die Unions-
ftage zum freien Ausdrucke ihrer Wünsche gelangen.

Mr. de Bastln erwähnte nun seinerseits weiter gegen mich vertraulich, daß
man sich in Se. Petersburg, besonders auf seine Auseinandersetzung hin, schon
jetzt für die Unterstützung der Union und ihre Konsequenzen schärfer ausgesprochen
haben würde, wenn nicht eine sehr hochgestellte Persönlichkeit -- vielleicht erfahre
ich noch später, wer damit gemeint ist -- sich diesem Projekte entschieden abhold
gezeigt hätte, weil man dieselben Unannehmlichkeiten und Weiterungen, wie in
Griechenland, fürchte; er hoffe indes, daß man, auf seine weiteren Gründe hin,
diesen Widerstand besiegen werde.

Was mich betrifft, so bin ich der alleruntertänigsten Ansicht, daß Rußland
die bisherige, zweifelhafte Stellung zu dieser Frage beibehalten, und erst dann
für die eine oder die andere Alternative entschieden eintreten wird, wenn sich
dies nicht mehr vermeiden läßt. Dann aber wird Nußland ganz nach Maßgabe
seines jeweiligen Interesses handeln. Es stimmt dies auch ganz mit dem Inhalt
der russischen Zirkularnote an seine auswärtigen Agenten vom 22. August d. Is.
über die allgemeine politische Stellung Rußlands überein, die mir Herr von Boutenieff
vertraulich mitgeteilt hat.

Ob wir daher hinsichts ... des den Fürstentümern zu gebenden Erb-
fürsten auf die Unterstützung oder den Widerstand Rußlands zu rechnen haben
werden, hängt von der Zukunft ab, und es läßt sich ... gar nichts Sicheres
voraussagen.

Anlangend nun die Ansichten des anderen Nachbarlandes der Fürstentümer,
nämlich Österreichs, so hat der Kommissarius dieses Landes, Baron Koller, sowohl
mir als den übrigen Mitgliedern der Kommission gegenüber eine ziemlich kalte
und zurückhaltende Haltung angenommen, und im allgemeinen bisher vermieden,
gesprächsweise auf den Gegenstand einzugehen. Wo dies geschehen ist, hat er
ganz klar und ohne Rückhalt, und ohne bis jetzt weiter auf eine Diskussion
einzugehen, erklärt, daß man österreichischerseits nichts als einige innere
administrative Reformen für jene Länder anstrebe; was irgend dazu führe, eine
Art von Selbständigkeit für die Fürstentümer anzubahnen, das wolle Österreich
entschieden nicht. Man wolle im allgemeinen Beibehalt des statug amo. Am
wenigsten könne man zugeben, daß der Kongreß von Paris durch die stipulierte
Anhörung der Volkswünsche in jenen Ländern einen glücklichen Griff getan habe.
Ausführlichere und oft sehr eingehende Unterhaltungen hierüber habe ich indes
mit Baron Prokesch gehabt, der sich auch offener und mit der ihm eigenen
Kathedermanier über die Sache ausgesprochen hat. Nach ihm sind, was zunächst
die Form betrifft, die Stipulationen des Pariser Friedens in betreff der Ein¬
setzung der Kommission für die Fürstentümer, die ein Einverständnis über das
schaffen soll, was der Pariser Kongreß, als alles noch unter Waffen war, nicht


An der Wiege des Königreichs Rumänien

und die letzteren für jetzt zur Unionsfrage, womit die des erblichen Fürsten
zusammenhängt, keine bestimmte Stellung einnehmen, und jede Äußerung darüber
vermeiden, aber darauf gehalten werden, daß die Diwans über die Unions-
ftage zum freien Ausdrucke ihrer Wünsche gelangen.

Mr. de Bastln erwähnte nun seinerseits weiter gegen mich vertraulich, daß
man sich in Se. Petersburg, besonders auf seine Auseinandersetzung hin, schon
jetzt für die Unterstützung der Union und ihre Konsequenzen schärfer ausgesprochen
haben würde, wenn nicht eine sehr hochgestellte Persönlichkeit — vielleicht erfahre
ich noch später, wer damit gemeint ist — sich diesem Projekte entschieden abhold
gezeigt hätte, weil man dieselben Unannehmlichkeiten und Weiterungen, wie in
Griechenland, fürchte; er hoffe indes, daß man, auf seine weiteren Gründe hin,
diesen Widerstand besiegen werde.

Was mich betrifft, so bin ich der alleruntertänigsten Ansicht, daß Rußland
die bisherige, zweifelhafte Stellung zu dieser Frage beibehalten, und erst dann
für die eine oder die andere Alternative entschieden eintreten wird, wenn sich
dies nicht mehr vermeiden läßt. Dann aber wird Nußland ganz nach Maßgabe
seines jeweiligen Interesses handeln. Es stimmt dies auch ganz mit dem Inhalt
der russischen Zirkularnote an seine auswärtigen Agenten vom 22. August d. Is.
über die allgemeine politische Stellung Rußlands überein, die mir Herr von Boutenieff
vertraulich mitgeteilt hat.

Ob wir daher hinsichts ... des den Fürstentümern zu gebenden Erb-
fürsten auf die Unterstützung oder den Widerstand Rußlands zu rechnen haben
werden, hängt von der Zukunft ab, und es läßt sich ... gar nichts Sicheres
voraussagen.

Anlangend nun die Ansichten des anderen Nachbarlandes der Fürstentümer,
nämlich Österreichs, so hat der Kommissarius dieses Landes, Baron Koller, sowohl
mir als den übrigen Mitgliedern der Kommission gegenüber eine ziemlich kalte
und zurückhaltende Haltung angenommen, und im allgemeinen bisher vermieden,
gesprächsweise auf den Gegenstand einzugehen. Wo dies geschehen ist, hat er
ganz klar und ohne Rückhalt, und ohne bis jetzt weiter auf eine Diskussion
einzugehen, erklärt, daß man österreichischerseits nichts als einige innere
administrative Reformen für jene Länder anstrebe; was irgend dazu führe, eine
Art von Selbständigkeit für die Fürstentümer anzubahnen, das wolle Österreich
entschieden nicht. Man wolle im allgemeinen Beibehalt des statug amo. Am
wenigsten könne man zugeben, daß der Kongreß von Paris durch die stipulierte
Anhörung der Volkswünsche in jenen Ländern einen glücklichen Griff getan habe.
Ausführlichere und oft sehr eingehende Unterhaltungen hierüber habe ich indes
mit Baron Prokesch gehabt, der sich auch offener und mit der ihm eigenen
Kathedermanier über die Sache ausgesprochen hat. Nach ihm sind, was zunächst
die Form betrifft, die Stipulationen des Pariser Friedens in betreff der Ein¬
setzung der Kommission für die Fürstentümer, die ein Einverständnis über das
schaffen soll, was der Pariser Kongreß, als alles noch unter Waffen war, nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/132>, abgerufen am 15.01.2025.