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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

Kommissäre der verschiedenen Mächte lediglich von dieser Basis aus, dann hätte
Ew. Königlichen Majestät Kommissarius ein sehr leichtes Spiel, Allerhöchstdero
Intention auch von anderer Seite adoptiert zu sehen, und derselben Eingang
zu verschaffen. Taß ein starkes, monarchisches, möglichst gesichertes und daher
erbliches Regiment in den Fürstentümern diejenige Regierungsform sein würde,
welche den Interessen derselben am meisten zusagt, darüber findet eigentlich,
wenn man der Sache auf den Grund geht, gar keine Meinungsverschiedenheit
statt, es sind vielmehr alle Mächte von dieser Wahrheit so sehr durchdrungen,
daß lediglich deshalb, weil dies nur zu sehr der Fall ist, ein Teil Ew. Königlichen
Majestät Mitkontrahenten des Pariser Friedens die Maßregel gerade um dieses
Grundes und seiner Folgen willen nicht will.

Denn das Interesse, der Nutzen und die Zweckmäßigkeit der Maßregel für
die Fürstentümer selbst sind für die Mehrzahl der Mächte nur höchstunter¬
geordnete Motive, von denen sie bei den bevorstehenden Verhandlungen aus¬
gehen. Das Hauptmotiv für dieselben bleibt ihre eigene Politik, ihr eigener
Nutzen, ihr eigenes Interesse; nur, was innerhalb und ohne die mindeste Be¬
einträchtigung dieser alleinigen Rücksicht noch etwa für die Fürstentümer geschehen
kann, das würde man, und auch dieses nur mit großem Mißtrauen, allenfalls
zulassen wollen.

Das ist im allgemeinen die Stellung der Mehrzahl der Mächte zu dieser
Frage; ihr eigenes Interesse tritt überall in den Vordergrund; nur Ew. Königliche
Majestät allein nehmen zu derselben einen verschiedenartigen Standpunkt ein,
der, indem er nach unseren Beziehungen zu den Fürstentümern gleichzeitig unseren
Interessen entspricht, gestattet, das Wohl jener Länder zum vorzugsweisen Ge¬
sichtspunkt zu machen.

Was zunächst die Pforte betrifft, so ist vielleicht diese mehr, als jede
andere Macht davon überzeugt, daß ihre beiden in Rede stehenden christlichen
Vasallenländer, wenn sie ein starkes erblich-monarchisches Regiment erhielten,
sehr bald zu einer Entwicklung kommen würden, die erstaunlich sein würde; aber
sie kann sich darüber nicht im Zweifel befinden, daß diese Entwicklung notwendig
zur Unabhängigkeit der Länder führen muß. Deshalb sträubt sie sich auch gegen
die Union, weil sie weiß, daß diese Union den fremden Erbfürsten zur Folge
haben würde. Ihre Anschauungsweise ist von ihrem Standpunkte aus voll¬
kommen richtig. Ihr Hauptinteresse besteht nicht darin, das Beste jener Länder
zu wollen, sondern darin, daß ihr die Länder bleiben, und sie bleiben ihr um
so sicherer, je länger die jetzige Wirtschaft in denselben beibehalten wird. Des¬
halb hebt die Pforte auch ganz offen in ihren Noten und besonders in den letzten
vertraulichen Mitteilungen, die ihr Ambassadeur am englischen Hofe, Mr.
Matharus an Lord Clarendon gemacht hat, nicht mehr das Interesse der Fürsten¬
tümer, sondern nur die Folgen hervor, die ihre Union unter einem fremden
Erbfürsten für das türkische Reich haben würden. Sie sagt geradezu: das, was
die Fürstentümer fördert, was ihnen in ihrer politischen Organisation Leben und


An der Wiege des Königreichs Rumänien

Kommissäre der verschiedenen Mächte lediglich von dieser Basis aus, dann hätte
Ew. Königlichen Majestät Kommissarius ein sehr leichtes Spiel, Allerhöchstdero
Intention auch von anderer Seite adoptiert zu sehen, und derselben Eingang
zu verschaffen. Taß ein starkes, monarchisches, möglichst gesichertes und daher
erbliches Regiment in den Fürstentümern diejenige Regierungsform sein würde,
welche den Interessen derselben am meisten zusagt, darüber findet eigentlich,
wenn man der Sache auf den Grund geht, gar keine Meinungsverschiedenheit
statt, es sind vielmehr alle Mächte von dieser Wahrheit so sehr durchdrungen,
daß lediglich deshalb, weil dies nur zu sehr der Fall ist, ein Teil Ew. Königlichen
Majestät Mitkontrahenten des Pariser Friedens die Maßregel gerade um dieses
Grundes und seiner Folgen willen nicht will.

Denn das Interesse, der Nutzen und die Zweckmäßigkeit der Maßregel für
die Fürstentümer selbst sind für die Mehrzahl der Mächte nur höchstunter¬
geordnete Motive, von denen sie bei den bevorstehenden Verhandlungen aus¬
gehen. Das Hauptmotiv für dieselben bleibt ihre eigene Politik, ihr eigener
Nutzen, ihr eigenes Interesse; nur, was innerhalb und ohne die mindeste Be¬
einträchtigung dieser alleinigen Rücksicht noch etwa für die Fürstentümer geschehen
kann, das würde man, und auch dieses nur mit großem Mißtrauen, allenfalls
zulassen wollen.

Das ist im allgemeinen die Stellung der Mehrzahl der Mächte zu dieser
Frage; ihr eigenes Interesse tritt überall in den Vordergrund; nur Ew. Königliche
Majestät allein nehmen zu derselben einen verschiedenartigen Standpunkt ein,
der, indem er nach unseren Beziehungen zu den Fürstentümern gleichzeitig unseren
Interessen entspricht, gestattet, das Wohl jener Länder zum vorzugsweisen Ge¬
sichtspunkt zu machen.

Was zunächst die Pforte betrifft, so ist vielleicht diese mehr, als jede
andere Macht davon überzeugt, daß ihre beiden in Rede stehenden christlichen
Vasallenländer, wenn sie ein starkes erblich-monarchisches Regiment erhielten,
sehr bald zu einer Entwicklung kommen würden, die erstaunlich sein würde; aber
sie kann sich darüber nicht im Zweifel befinden, daß diese Entwicklung notwendig
zur Unabhängigkeit der Länder führen muß. Deshalb sträubt sie sich auch gegen
die Union, weil sie weiß, daß diese Union den fremden Erbfürsten zur Folge
haben würde. Ihre Anschauungsweise ist von ihrem Standpunkte aus voll¬
kommen richtig. Ihr Hauptinteresse besteht nicht darin, das Beste jener Länder
zu wollen, sondern darin, daß ihr die Länder bleiben, und sie bleiben ihr um
so sicherer, je länger die jetzige Wirtschaft in denselben beibehalten wird. Des¬
halb hebt die Pforte auch ganz offen in ihren Noten und besonders in den letzten
vertraulichen Mitteilungen, die ihr Ambassadeur am englischen Hofe, Mr.
Matharus an Lord Clarendon gemacht hat, nicht mehr das Interesse der Fürsten¬
tümer, sondern nur die Folgen hervor, die ihre Union unter einem fremden
Erbfürsten für das türkische Reich haben würden. Sie sagt geradezu: das, was
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/129>, abgerufen am 15.01.2025.