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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der lviegs des Uönigreichs Rumänien

auf der Durchreise nach Konstantinopel befände, wohin ich mich zu den ihm,
dem Grafen Buol, bereits bekannten Zwecken zu begeben hätte.

Das Gespräch ging demnächst auf Mexiko und die Taufe der neugeborenen
Erzherzogin über; nur am Schlüsse meines Besuches kam Graf Buol auf meine
Neise nach Konstantinopel zu sprechen, indem er fragte, welchen Weg ich dahin
zu nehmen gedächte, was nach seiner bisherigen Haltung in dieser Frage meine
Erwartung übertraf; ich glaubte, Graf Buol würde, wie bisher, die Teilnahme
Preußens an der Kommission und meine Reise zu diesem Behuf nicht einmal
in dieser Weise berühren wollen. Die Anwesenheit Seiner Kaiserlichen König¬
lichen Hoheit des Erzherzogs Johann in der Staatskanzlei. . . verzögerte meine
Einführung bei letzterem und gab dem Grafen Flemming Gelegenheit, mich
dem englischen Gesandten vorzustellen, den wir im Wartesalon bereits
antrafen.

Sir H. Seymour nahm mich in eine Fensternische und fing sogleich an
von der Kommission für die Reorganisation der Donaufürstentümer zu sprechen
und ging in eine ziemlich lange Unterhaltung mit mir hierüber ein; er äußerte,
daß die Teilnahme Preußens in der Kommission England besonders auch deshalb
willkommen sei, weil es hoffe, daß es sich mit Preußen in dieser Frage auf
demselben Standpunkte befinden werde. England wolle, daß ganz nach dem
Texte des Pariser Friedens verfahren und die Fürstentümer durch die Diwans
aä Koa gehört würden. Alles, was diese zunächst vorbringen würden, sollte
die Kommission genau und ohne vorgefaßte Meinungen möglichst objektiv unter
Berücksichtigung des wahren Wohls beider Länder prüfen. Ich konnte um so
mehr erwidern, daß dies auch ganz in Euer Königlichen Majestät Allerhöchsten
Intention liege, als Sir H. Seymour auch nicht ein Wort oder auch nur eine
Andeutung über englische Vorliebe für eine den Fürstentümern zu gebende
konstitutionelle Regierungsform fallen ließ, vielmehr meiner allgemeinen Bemerkung
völlig beistimmte, daß die der Moldau und Walachei zu gebende Staatsform
sich nicht nach dem Zuschnitt anderer, vorgeschrittener Länder modeln lassen
werde. Hinterdrein hat Sir H. Seymour dem Grafen Flemming gesagt, daß
er über meine Äußerungen sehr befriedigt sei, und ich muß alleruntertänigst
hinzufügen, daß ich es auch von den seinigen gewesen bin. Es wäre nur zu
wünschen, daß dies mit Mr. Bulwer (dem englischen Spezialkommissar) in
gleichem Maße der Fall sein möge. . .

Demnächst habe ich dem russischen Geschäftsträger einen Besuch gemacht;
Mr. de Balabine sagte mir, daß der russische Kommissär Mr. Basili... in
längstens drei Wochen von Se. Petersburg hier wieder erwartet werde und dann
unmittelbar nach Konstantinopel abgehen würde, um möglichst bis Mitte August
daselbst einzutreffen. Zur Sache selbst äußerte Mr. Balabine, daß Rußland
wolle, daß die Fürstentümer durch die Diwans sa lion vollkommen zu freiem
Ausdruck ihrer Wünsche gelangen. Man wolle nicht, daß etwa hinterdrein gesagt
würde, daß Rußland die Fürstentümer nicht habe frei sprechen lassen, oder daß


An der lviegs des Uönigreichs Rumänien

auf der Durchreise nach Konstantinopel befände, wohin ich mich zu den ihm,
dem Grafen Buol, bereits bekannten Zwecken zu begeben hätte.

Das Gespräch ging demnächst auf Mexiko und die Taufe der neugeborenen
Erzherzogin über; nur am Schlüsse meines Besuches kam Graf Buol auf meine
Neise nach Konstantinopel zu sprechen, indem er fragte, welchen Weg ich dahin
zu nehmen gedächte, was nach seiner bisherigen Haltung in dieser Frage meine
Erwartung übertraf; ich glaubte, Graf Buol würde, wie bisher, die Teilnahme
Preußens an der Kommission und meine Reise zu diesem Behuf nicht einmal
in dieser Weise berühren wollen. Die Anwesenheit Seiner Kaiserlichen König¬
lichen Hoheit des Erzherzogs Johann in der Staatskanzlei. . . verzögerte meine
Einführung bei letzterem und gab dem Grafen Flemming Gelegenheit, mich
dem englischen Gesandten vorzustellen, den wir im Wartesalon bereits
antrafen.

Sir H. Seymour nahm mich in eine Fensternische und fing sogleich an
von der Kommission für die Reorganisation der Donaufürstentümer zu sprechen
und ging in eine ziemlich lange Unterhaltung mit mir hierüber ein; er äußerte,
daß die Teilnahme Preußens in der Kommission England besonders auch deshalb
willkommen sei, weil es hoffe, daß es sich mit Preußen in dieser Frage auf
demselben Standpunkte befinden werde. England wolle, daß ganz nach dem
Texte des Pariser Friedens verfahren und die Fürstentümer durch die Diwans
aä Koa gehört würden. Alles, was diese zunächst vorbringen würden, sollte
die Kommission genau und ohne vorgefaßte Meinungen möglichst objektiv unter
Berücksichtigung des wahren Wohls beider Länder prüfen. Ich konnte um so
mehr erwidern, daß dies auch ganz in Euer Königlichen Majestät Allerhöchsten
Intention liege, als Sir H. Seymour auch nicht ein Wort oder auch nur eine
Andeutung über englische Vorliebe für eine den Fürstentümern zu gebende
konstitutionelle Regierungsform fallen ließ, vielmehr meiner allgemeinen Bemerkung
völlig beistimmte, daß die der Moldau und Walachei zu gebende Staatsform
sich nicht nach dem Zuschnitt anderer, vorgeschrittener Länder modeln lassen
werde. Hinterdrein hat Sir H. Seymour dem Grafen Flemming gesagt, daß
er über meine Äußerungen sehr befriedigt sei, und ich muß alleruntertänigst
hinzufügen, daß ich es auch von den seinigen gewesen bin. Es wäre nur zu
wünschen, daß dies mit Mr. Bulwer (dem englischen Spezialkommissar) in
gleichem Maße der Fall sein möge. . .

Demnächst habe ich dem russischen Geschäftsträger einen Besuch gemacht;
Mr. de Balabine sagte mir, daß der russische Kommissär Mr. Basili... in
längstens drei Wochen von Se. Petersburg hier wieder erwartet werde und dann
unmittelbar nach Konstantinopel abgehen würde, um möglichst bis Mitte August
daselbst einzutreffen. Zur Sache selbst äußerte Mr. Balabine, daß Rußland
wolle, daß die Fürstentümer durch die Diwans sa lion vollkommen zu freiem
Ausdruck ihrer Wünsche gelangen. Man wolle nicht, daß etwa hinterdrein gesagt
würde, daß Rußland die Fürstentümer nicht habe frei sprechen lassen, oder daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/84>, abgerufen am 03.07.2024.