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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die deutsche Rheinmündung

Die mannigfaltigen Vorschläge einer nächsten Rhein--Ems - Verbindung
lassen sich auf drei -- unter sich wesentlich verschiedene -- Hauptgedanken
zurückführen: den Gedanken einer echten Rhein strommündung, eines Rhein-Groß-
schiffahrts- und endlich eines Rhein-Seeschiffahrtskanals.

Der Vorschlag, eine deutsche Rheinstrom Mündung zu schaffen, dürfte
außer dem Bereiche der Möglichkeit liegen. In erster Linie stehen diesem
Plane, der auf eine mehr oder weniger starke Ablenkung des Rheinstromes
vom holländischen Gebiete hinausläuft, schwere internationalrechtliche Be¬
denken entgegen, wie solche auch der Ableitung etwa der Elbe oder der
Weichsel vom deutschen Gebiete oder ihrer Teilung entgegenstehen würden.
Sodann bestehen begründete Zweifel, ob die Schaffung eines deutschen Strom¬
bettes technisch überhaupt ausführbar ist mit Rücksicht auf das geringe,
für die rund 200 Kilometer lange Strecke Wesel--Ems-Mündung nur
rund 15 Meter betragende Gefälle und die noch weiterhin zu erörternden
Geländeverhältnisse, die ein Flußbett zu bauen kaum möglich erscheinen lassen.
Endlich steht eine natürliche Strommündung vom bau- und betriebstechnischen
Standpunkt aus hinter dem Kanalweg weit zurück, da das Kanalbett bedeutend
weniger Raum in Anspruch nimmt, so daß die Erdbewegungen, welche die
Hauptbaukosten verursachen, unverhältnismäßig geringer sind, ferner da der
.Kanal in größerem Tiefgang angelegt werden kann, und vor allem, da das
ruhige, das ganze Jahr hindurch gleich tiefe Kanalwasser von der Schiffahrt
viel geringeren Aufwand an Zugkräften verlangt und eine viel gleichmäßigere
Ausnutzung des Raumgehaltes der Schiffahrtsgefäße ermöglicht. Der Vorschlag
einer Rheinstrommündung ist daher von vornherein aus den praktischen Er¬
wägungen auszuscheiden, und es bleiben daher nur die beiden Kanalprojekte
eines Rhein-Großschiffahrtsweges und eines Rhein-Seeschiffahrtsweges übrig.

Der Plan eines Rhein-Großschiffahrtsweges hat jüngstens in der Studie
der Bauräte Herzberg und Taaks eine nähere, sorgfältige Bearbeitung gefunden.
Die Verfasser gehen davon aus, den auf dem Rhein verkehrenden Schlepp¬
dampfern und Kähnen eine stets zugängliche Fahrstraße zu gewähren und setzen
mit Rücksicht auf die oberhalb und unterhalb Wesels bestehende Mittelwasser¬
tiefe des Rheins von 4,40 Meter und mittlere Niedrigwassertiefe von 3 Meter
als erwünschte und ausreichende Kanaltiefe 4,50 Meter und als Kanalbreite
22 Meter an der Sohle und 56 Meter am Spiegel an, die genügen, zwei
normale FrachMhne von 12 Meter Breite neben- und aneinander passieren zu
lassen. Als Ausgangspunkt nehmen sie den Rhein unterhalb der Stadt Wesel
an, führen den Kanal von dort in nördlicher Richtung etwa 18 Kilometer weit
auf Bocholt zu, dann 52 Kilometer in nordnordöstlicher Richtung nahe an
Bocholt und der holländischen Grenze südwestlich Winterswyks vorüber, mittwegs
zwischen Vreden und Stadtlohn hindurch unter Kreuzung der Berkel in gerader
Linie auf die Grenzecke unmittelbar westlich von Gronau zu (Kilometer 70),
von hier in etwa 7 Kilometer langem nordöstlichen Bogen um Gronau herum.


Die deutsche Rheinmündung

Die mannigfaltigen Vorschläge einer nächsten Rhein—Ems - Verbindung
lassen sich auf drei — unter sich wesentlich verschiedene — Hauptgedanken
zurückführen: den Gedanken einer echten Rhein strommündung, eines Rhein-Groß-
schiffahrts- und endlich eines Rhein-Seeschiffahrtskanals.

Der Vorschlag, eine deutsche Rheinstrom Mündung zu schaffen, dürfte
außer dem Bereiche der Möglichkeit liegen. In erster Linie stehen diesem
Plane, der auf eine mehr oder weniger starke Ablenkung des Rheinstromes
vom holländischen Gebiete hinausläuft, schwere internationalrechtliche Be¬
denken entgegen, wie solche auch der Ableitung etwa der Elbe oder der
Weichsel vom deutschen Gebiete oder ihrer Teilung entgegenstehen würden.
Sodann bestehen begründete Zweifel, ob die Schaffung eines deutschen Strom¬
bettes technisch überhaupt ausführbar ist mit Rücksicht auf das geringe,
für die rund 200 Kilometer lange Strecke Wesel—Ems-Mündung nur
rund 15 Meter betragende Gefälle und die noch weiterhin zu erörternden
Geländeverhältnisse, die ein Flußbett zu bauen kaum möglich erscheinen lassen.
Endlich steht eine natürliche Strommündung vom bau- und betriebstechnischen
Standpunkt aus hinter dem Kanalweg weit zurück, da das Kanalbett bedeutend
weniger Raum in Anspruch nimmt, so daß die Erdbewegungen, welche die
Hauptbaukosten verursachen, unverhältnismäßig geringer sind, ferner da der
.Kanal in größerem Tiefgang angelegt werden kann, und vor allem, da das
ruhige, das ganze Jahr hindurch gleich tiefe Kanalwasser von der Schiffahrt
viel geringeren Aufwand an Zugkräften verlangt und eine viel gleichmäßigere
Ausnutzung des Raumgehaltes der Schiffahrtsgefäße ermöglicht. Der Vorschlag
einer Rheinstrommündung ist daher von vornherein aus den praktischen Er¬
wägungen auszuscheiden, und es bleiben daher nur die beiden Kanalprojekte
eines Rhein-Großschiffahrtsweges und eines Rhein-Seeschiffahrtsweges übrig.

Der Plan eines Rhein-Großschiffahrtsweges hat jüngstens in der Studie
der Bauräte Herzberg und Taaks eine nähere, sorgfältige Bearbeitung gefunden.
Die Verfasser gehen davon aus, den auf dem Rhein verkehrenden Schlepp¬
dampfern und Kähnen eine stets zugängliche Fahrstraße zu gewähren und setzen
mit Rücksicht auf die oberhalb und unterhalb Wesels bestehende Mittelwasser¬
tiefe des Rheins von 4,40 Meter und mittlere Niedrigwassertiefe von 3 Meter
als erwünschte und ausreichende Kanaltiefe 4,50 Meter und als Kanalbreite
22 Meter an der Sohle und 56 Meter am Spiegel an, die genügen, zwei
normale FrachMhne von 12 Meter Breite neben- und aneinander passieren zu
lassen. Als Ausgangspunkt nehmen sie den Rhein unterhalb der Stadt Wesel
an, führen den Kanal von dort in nördlicher Richtung etwa 18 Kilometer weit
auf Bocholt zu, dann 52 Kilometer in nordnordöstlicher Richtung nahe an
Bocholt und der holländischen Grenze südwestlich Winterswyks vorüber, mittwegs
zwischen Vreden und Stadtlohn hindurch unter Kreuzung der Berkel in gerader
Linie auf die Grenzecke unmittelbar westlich von Gronau zu (Kilometer 70),
von hier in etwa 7 Kilometer langem nordöstlichen Bogen um Gronau herum.


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[0064] Die deutsche Rheinmündung Die mannigfaltigen Vorschläge einer nächsten Rhein—Ems - Verbindung lassen sich auf drei — unter sich wesentlich verschiedene — Hauptgedanken zurückführen: den Gedanken einer echten Rhein strommündung, eines Rhein-Groß- schiffahrts- und endlich eines Rhein-Seeschiffahrtskanals. Der Vorschlag, eine deutsche Rheinstrom Mündung zu schaffen, dürfte außer dem Bereiche der Möglichkeit liegen. In erster Linie stehen diesem Plane, der auf eine mehr oder weniger starke Ablenkung des Rheinstromes vom holländischen Gebiete hinausläuft, schwere internationalrechtliche Be¬ denken entgegen, wie solche auch der Ableitung etwa der Elbe oder der Weichsel vom deutschen Gebiete oder ihrer Teilung entgegenstehen würden. Sodann bestehen begründete Zweifel, ob die Schaffung eines deutschen Strom¬ bettes technisch überhaupt ausführbar ist mit Rücksicht auf das geringe, für die rund 200 Kilometer lange Strecke Wesel—Ems-Mündung nur rund 15 Meter betragende Gefälle und die noch weiterhin zu erörternden Geländeverhältnisse, die ein Flußbett zu bauen kaum möglich erscheinen lassen. Endlich steht eine natürliche Strommündung vom bau- und betriebstechnischen Standpunkt aus hinter dem Kanalweg weit zurück, da das Kanalbett bedeutend weniger Raum in Anspruch nimmt, so daß die Erdbewegungen, welche die Hauptbaukosten verursachen, unverhältnismäßig geringer sind, ferner da der .Kanal in größerem Tiefgang angelegt werden kann, und vor allem, da das ruhige, das ganze Jahr hindurch gleich tiefe Kanalwasser von der Schiffahrt viel geringeren Aufwand an Zugkräften verlangt und eine viel gleichmäßigere Ausnutzung des Raumgehaltes der Schiffahrtsgefäße ermöglicht. Der Vorschlag einer Rheinstrommündung ist daher von vornherein aus den praktischen Er¬ wägungen auszuscheiden, und es bleiben daher nur die beiden Kanalprojekte eines Rhein-Großschiffahrtsweges und eines Rhein-Seeschiffahrtsweges übrig. Der Plan eines Rhein-Großschiffahrtsweges hat jüngstens in der Studie der Bauräte Herzberg und Taaks eine nähere, sorgfältige Bearbeitung gefunden. Die Verfasser gehen davon aus, den auf dem Rhein verkehrenden Schlepp¬ dampfern und Kähnen eine stets zugängliche Fahrstraße zu gewähren und setzen mit Rücksicht auf die oberhalb und unterhalb Wesels bestehende Mittelwasser¬ tiefe des Rheins von 4,40 Meter und mittlere Niedrigwassertiefe von 3 Meter als erwünschte und ausreichende Kanaltiefe 4,50 Meter und als Kanalbreite 22 Meter an der Sohle und 56 Meter am Spiegel an, die genügen, zwei normale FrachMhne von 12 Meter Breite neben- und aneinander passieren zu lassen. Als Ausgangspunkt nehmen sie den Rhein unterhalb der Stadt Wesel an, führen den Kanal von dort in nördlicher Richtung etwa 18 Kilometer weit auf Bocholt zu, dann 52 Kilometer in nordnordöstlicher Richtung nahe an Bocholt und der holländischen Grenze südwestlich Winterswyks vorüber, mittwegs zwischen Vreden und Stadtlohn hindurch unter Kreuzung der Berkel in gerader Linie auf die Grenzecke unmittelbar westlich von Gronau zu (Kilometer 70), von hier in etwa 7 Kilometer langem nordöstlichen Bogen um Gronau herum.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/64>, abgerufen am 03.07.2024.