Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Rheinmündung

den auf die Dauer besten Weg zur See bieten kann, oder ob nicht andere
bessere Mittel und Wege dahin führen können. In den letzten Jahren haben
nun zwei andere Vorschläge neuer Zufahrtswege zum deutschen Niederrhein
stetig an Boden gewonnen und sind jüngst bereits Gegenstand eingehender
sachlicher Studien geworden: die Pläne eines Rhein -- Maas -- Schelde
(Antwerpen)- und eines Rhein--Ems (Emden)- Schiffahrtsweges. Für den
Rhein--Maas--Schelde-Kanal sind verschiedene Pläne aufgestellt. Nicht weniger
als fünf Städte, vorzüglich Krefeld, Neuß und jüngstens Köln, bemühen sich,
Ausgangspunkt dieser Verbindung vom Rhein nach Antwerpen zu werden.

All diesen Verbindungen haftet aber der schwerwiegende Nachteil an, daß
sie sich nur etwa 30 bis 70 Kilometer durch deutsches Gebiet, im übrigen über
ausländisches -- belgisches und teilweise auch das holländische Gebiet der
Provinz Limburg bewegen, daher im Frieden der deutschen Gesetzgebung und
noch mehr im Kriege der Verfügung und Aufsicht des Reiches entzogen sind.

Ganz anders als mit diesen wirtschaftlich, Verkehrs- und nationalpolitisch
nicht unbedenklichen linksrheinischen Rhein-Seeverbindungen verhält es sich mit
dem neuestens in den Vordergrund getretenen Plan einer rein deutschen rechts¬
rheinischen Verbindung des Niederrheins mit der Emsmündung. Diese Verbindung
verfügt gegenüber jenen, in erster Linie den Rheinlanden dienenden Vorschlägen
schon über den Vorteil, daß Rheinland und Westfalen hier ziemlich gleichmäßig
und obendrein noch teilweise Hannover, also drei Hauptlande des Reichs statt
eines daran interessiert sind. Sodann führt diese Verbindung durch die zum
großen Teil ganz unerschlossenen, ihrem Grundwerke und Ertrage nach den
leichten Böden des Ostens der Monarchie gleich und teilweise sogar nachstehenden
nordwestlichen Grenzgebiete, mit einer Bevölkerung von oft nur 25 bis 30 Seelen
aus 1 Quadratkilometer, insbesondere durch die großen Moorgebiete im linken
Einstal, so daß sich der doppelte Vorteil ergibt: verhältnismäßig sehr niedrige
Grunderwerbskosten und anderseits ein beträchtlicher Zuwachs des deutschen
Nationalvermögens durch die Bodenwertsteigerung dieser weiten Grenzstrecken.
Ein weiterer Vorteil ist der, daß hier umgekehrt wie beim linksrheinischen
Wasserweg nicht das deutsche Grenzland vom Ausland angezogen wird, sondern
im Gegenteil die weiten Gebiete der holländischen Provinzen Oberijssel, Drenthe
und Groningen, zum Teil auch Gelderland ostwärts gerichtet werden.

Alle diese Tatsachen fallen um so schwerer ins Gewicht, als die neusten
Tiefbodenuntersuchungen die Vermutungen der Geologen bestätigen, daß die
Bergschätze des Ruhr--Lippe-Bezirkes sich weithin nach Norden erstrecken.
Endlich, die großen nationalen Interessen eines deutschen, der deutschen Herr¬
schaft und der deutschen Nutzung im Frieden und im Kriege unterstehenden
Schiffahrtsweges bedürfen wohl keiner weiteren Hervorhebung. Sonach verdient
der Plan einer rein deutschen Verbindung des Rheins mit der Nordsee vor allen
anderen dringlich bezüglich seiner natürlichen, technischen und wirtschaftlichen
Vorbedingungen eingehender Erwägung unterzogen zu werden.


Die deutsche Rheinmündung

den auf die Dauer besten Weg zur See bieten kann, oder ob nicht andere
bessere Mittel und Wege dahin führen können. In den letzten Jahren haben
nun zwei andere Vorschläge neuer Zufahrtswege zum deutschen Niederrhein
stetig an Boden gewonnen und sind jüngst bereits Gegenstand eingehender
sachlicher Studien geworden: die Pläne eines Rhein — Maas — Schelde
(Antwerpen)- und eines Rhein—Ems (Emden)- Schiffahrtsweges. Für den
Rhein—Maas—Schelde-Kanal sind verschiedene Pläne aufgestellt. Nicht weniger
als fünf Städte, vorzüglich Krefeld, Neuß und jüngstens Köln, bemühen sich,
Ausgangspunkt dieser Verbindung vom Rhein nach Antwerpen zu werden.

All diesen Verbindungen haftet aber der schwerwiegende Nachteil an, daß
sie sich nur etwa 30 bis 70 Kilometer durch deutsches Gebiet, im übrigen über
ausländisches — belgisches und teilweise auch das holländische Gebiet der
Provinz Limburg bewegen, daher im Frieden der deutschen Gesetzgebung und
noch mehr im Kriege der Verfügung und Aufsicht des Reiches entzogen sind.

Ganz anders als mit diesen wirtschaftlich, Verkehrs- und nationalpolitisch
nicht unbedenklichen linksrheinischen Rhein-Seeverbindungen verhält es sich mit
dem neuestens in den Vordergrund getretenen Plan einer rein deutschen rechts¬
rheinischen Verbindung des Niederrheins mit der Emsmündung. Diese Verbindung
verfügt gegenüber jenen, in erster Linie den Rheinlanden dienenden Vorschlägen
schon über den Vorteil, daß Rheinland und Westfalen hier ziemlich gleichmäßig
und obendrein noch teilweise Hannover, also drei Hauptlande des Reichs statt
eines daran interessiert sind. Sodann führt diese Verbindung durch die zum
großen Teil ganz unerschlossenen, ihrem Grundwerke und Ertrage nach den
leichten Böden des Ostens der Monarchie gleich und teilweise sogar nachstehenden
nordwestlichen Grenzgebiete, mit einer Bevölkerung von oft nur 25 bis 30 Seelen
aus 1 Quadratkilometer, insbesondere durch die großen Moorgebiete im linken
Einstal, so daß sich der doppelte Vorteil ergibt: verhältnismäßig sehr niedrige
Grunderwerbskosten und anderseits ein beträchtlicher Zuwachs des deutschen
Nationalvermögens durch die Bodenwertsteigerung dieser weiten Grenzstrecken.
Ein weiterer Vorteil ist der, daß hier umgekehrt wie beim linksrheinischen
Wasserweg nicht das deutsche Grenzland vom Ausland angezogen wird, sondern
im Gegenteil die weiten Gebiete der holländischen Provinzen Oberijssel, Drenthe
und Groningen, zum Teil auch Gelderland ostwärts gerichtet werden.

Alle diese Tatsachen fallen um so schwerer ins Gewicht, als die neusten
Tiefbodenuntersuchungen die Vermutungen der Geologen bestätigen, daß die
Bergschätze des Ruhr—Lippe-Bezirkes sich weithin nach Norden erstrecken.
Endlich, die großen nationalen Interessen eines deutschen, der deutschen Herr¬
schaft und der deutschen Nutzung im Frieden und im Kriege unterstehenden
Schiffahrtsweges bedürfen wohl keiner weiteren Hervorhebung. Sonach verdient
der Plan einer rein deutschen Verbindung des Rheins mit der Nordsee vor allen
anderen dringlich bezüglich seiner natürlichen, technischen und wirtschaftlichen
Vorbedingungen eingehender Erwägung unterzogen zu werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321810"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutsche Rheinmündung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_181" prev="#ID_180"> den auf die Dauer besten Weg zur See bieten kann, oder ob nicht andere<lb/>
bessere Mittel und Wege dahin führen können. In den letzten Jahren haben<lb/>
nun zwei andere Vorschläge neuer Zufahrtswege zum deutschen Niederrhein<lb/>
stetig an Boden gewonnen und sind jüngst bereits Gegenstand eingehender<lb/>
sachlicher Studien geworden: die Pläne eines Rhein &#x2014; Maas &#x2014; Schelde<lb/>
(Antwerpen)- und eines Rhein&#x2014;Ems (Emden)- Schiffahrtsweges. Für den<lb/>
Rhein&#x2014;Maas&#x2014;Schelde-Kanal sind verschiedene Pläne aufgestellt. Nicht weniger<lb/>
als fünf Städte, vorzüglich Krefeld, Neuß und jüngstens Köln, bemühen sich,<lb/>
Ausgangspunkt dieser Verbindung vom Rhein nach Antwerpen zu werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_182"> All diesen Verbindungen haftet aber der schwerwiegende Nachteil an, daß<lb/>
sie sich nur etwa 30 bis 70 Kilometer durch deutsches Gebiet, im übrigen über<lb/>
ausländisches &#x2014; belgisches und teilweise auch das holländische Gebiet der<lb/>
Provinz Limburg bewegen, daher im Frieden der deutschen Gesetzgebung und<lb/>
noch mehr im Kriege der Verfügung und Aufsicht des Reiches entzogen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_183"> Ganz anders als mit diesen wirtschaftlich, Verkehrs- und nationalpolitisch<lb/>
nicht unbedenklichen linksrheinischen Rhein-Seeverbindungen verhält es sich mit<lb/>
dem neuestens in den Vordergrund getretenen Plan einer rein deutschen rechts¬<lb/>
rheinischen Verbindung des Niederrheins mit der Emsmündung. Diese Verbindung<lb/>
verfügt gegenüber jenen, in erster Linie den Rheinlanden dienenden Vorschlägen<lb/>
schon über den Vorteil, daß Rheinland und Westfalen hier ziemlich gleichmäßig<lb/>
und obendrein noch teilweise Hannover, also drei Hauptlande des Reichs statt<lb/>
eines daran interessiert sind. Sodann führt diese Verbindung durch die zum<lb/>
großen Teil ganz unerschlossenen, ihrem Grundwerke und Ertrage nach den<lb/>
leichten Böden des Ostens der Monarchie gleich und teilweise sogar nachstehenden<lb/>
nordwestlichen Grenzgebiete, mit einer Bevölkerung von oft nur 25 bis 30 Seelen<lb/>
aus 1 Quadratkilometer, insbesondere durch die großen Moorgebiete im linken<lb/>
Einstal, so daß sich der doppelte Vorteil ergibt: verhältnismäßig sehr niedrige<lb/>
Grunderwerbskosten und anderseits ein beträchtlicher Zuwachs des deutschen<lb/>
Nationalvermögens durch die Bodenwertsteigerung dieser weiten Grenzstrecken.<lb/>
Ein weiterer Vorteil ist der, daß hier umgekehrt wie beim linksrheinischen<lb/>
Wasserweg nicht das deutsche Grenzland vom Ausland angezogen wird, sondern<lb/>
im Gegenteil die weiten Gebiete der holländischen Provinzen Oberijssel, Drenthe<lb/>
und Groningen, zum Teil auch Gelderland ostwärts gerichtet werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_184"> Alle diese Tatsachen fallen um so schwerer ins Gewicht, als die neusten<lb/>
Tiefbodenuntersuchungen die Vermutungen der Geologen bestätigen, daß die<lb/>
Bergschätze des Ruhr&#x2014;Lippe-Bezirkes sich weithin nach Norden erstrecken.<lb/>
Endlich, die großen nationalen Interessen eines deutschen, der deutschen Herr¬<lb/>
schaft und der deutschen Nutzung im Frieden und im Kriege unterstehenden<lb/>
Schiffahrtsweges bedürfen wohl keiner weiteren Hervorhebung. Sonach verdient<lb/>
der Plan einer rein deutschen Verbindung des Rheins mit der Nordsee vor allen<lb/>
anderen dringlich bezüglich seiner natürlichen, technischen und wirtschaftlichen<lb/>
Vorbedingungen eingehender Erwägung unterzogen zu werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] Die deutsche Rheinmündung den auf die Dauer besten Weg zur See bieten kann, oder ob nicht andere bessere Mittel und Wege dahin führen können. In den letzten Jahren haben nun zwei andere Vorschläge neuer Zufahrtswege zum deutschen Niederrhein stetig an Boden gewonnen und sind jüngst bereits Gegenstand eingehender sachlicher Studien geworden: die Pläne eines Rhein — Maas — Schelde (Antwerpen)- und eines Rhein—Ems (Emden)- Schiffahrtsweges. Für den Rhein—Maas—Schelde-Kanal sind verschiedene Pläne aufgestellt. Nicht weniger als fünf Städte, vorzüglich Krefeld, Neuß und jüngstens Köln, bemühen sich, Ausgangspunkt dieser Verbindung vom Rhein nach Antwerpen zu werden. All diesen Verbindungen haftet aber der schwerwiegende Nachteil an, daß sie sich nur etwa 30 bis 70 Kilometer durch deutsches Gebiet, im übrigen über ausländisches — belgisches und teilweise auch das holländische Gebiet der Provinz Limburg bewegen, daher im Frieden der deutschen Gesetzgebung und noch mehr im Kriege der Verfügung und Aufsicht des Reiches entzogen sind. Ganz anders als mit diesen wirtschaftlich, Verkehrs- und nationalpolitisch nicht unbedenklichen linksrheinischen Rhein-Seeverbindungen verhält es sich mit dem neuestens in den Vordergrund getretenen Plan einer rein deutschen rechts¬ rheinischen Verbindung des Niederrheins mit der Emsmündung. Diese Verbindung verfügt gegenüber jenen, in erster Linie den Rheinlanden dienenden Vorschlägen schon über den Vorteil, daß Rheinland und Westfalen hier ziemlich gleichmäßig und obendrein noch teilweise Hannover, also drei Hauptlande des Reichs statt eines daran interessiert sind. Sodann führt diese Verbindung durch die zum großen Teil ganz unerschlossenen, ihrem Grundwerke und Ertrage nach den leichten Böden des Ostens der Monarchie gleich und teilweise sogar nachstehenden nordwestlichen Grenzgebiete, mit einer Bevölkerung von oft nur 25 bis 30 Seelen aus 1 Quadratkilometer, insbesondere durch die großen Moorgebiete im linken Einstal, so daß sich der doppelte Vorteil ergibt: verhältnismäßig sehr niedrige Grunderwerbskosten und anderseits ein beträchtlicher Zuwachs des deutschen Nationalvermögens durch die Bodenwertsteigerung dieser weiten Grenzstrecken. Ein weiterer Vorteil ist der, daß hier umgekehrt wie beim linksrheinischen Wasserweg nicht das deutsche Grenzland vom Ausland angezogen wird, sondern im Gegenteil die weiten Gebiete der holländischen Provinzen Oberijssel, Drenthe und Groningen, zum Teil auch Gelderland ostwärts gerichtet werden. Alle diese Tatsachen fallen um so schwerer ins Gewicht, als die neusten Tiefbodenuntersuchungen die Vermutungen der Geologen bestätigen, daß die Bergschätze des Ruhr—Lippe-Bezirkes sich weithin nach Norden erstrecken. Endlich, die großen nationalen Interessen eines deutschen, der deutschen Herr¬ schaft und der deutschen Nutzung im Frieden und im Kriege unterstehenden Schiffahrtsweges bedürfen wohl keiner weiteren Hervorhebung. Sonach verdient der Plan einer rein deutschen Verbindung des Rheins mit der Nordsee vor allen anderen dringlich bezüglich seiner natürlichen, technischen und wirtschaftlichen Vorbedingungen eingehender Erwägung unterzogen zu werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/63>, abgerufen am 03.07.2024.