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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Reichsspiczel

nicht mit, weil, wenn sie überhaupt ein Geschäft betreiben und sich nicht auf die
Vermögensverwaltung beschränken, sie im anderen Lager stehen, zu den Großen
zählen und sich gern zu ihnen zählen lassen. Der Bankierstand von ehedem, der,
meist auf erhebliches Kapital gestützt, in lokalem Bezirk als Kreditgeber, Förderer
der Industrie, Berater des Publikums eine beträchtliche Wirksamkeit entfaltete, ist
verschwunden, depossediert, aufgesaugt. Die Konzentration des Kapitals, das
Wachstum der Großbanken hat ihm deu Lebensfaden abgeschnitten. Unfähig,
dieser übermächtigen Konkurrenz die Spitze zu bieten, zog er vor, vor derselben zu
kapitulieren. An seine Stelle trat die Filiale der Großbank. Die kleinen Firmen
aber, welche übrig blieben, weil sie ihre Selbständigkeit nicht opfern wollten, oder
weil sie den Großen nicht als ein begehrenswertes Objekt erschienen, und die meist
noch Kleineren, welche neu auf dem Plan erschienen, kämpfen einen hoffnungslosen
Kampf. Das Kreditgeschäft ist ihnen entzogen, denn alle guten Kredite haben
längst den Weg zur Bank gefunden. Was übrig bleibt, ist für den Kreditgeber so
gefährlich, daß er sich davon fern halten muß, will er nicht üble Erfahrungen
machen. Das Kommissionsgeschäft ist derart unlohnend, daß die Provisions¬
einnahme nicht die Spesen deckt, dient eben der Konkurrenz der Großbank, die mit
so niedrigen Sätzen arbeiten kann, weil sie ihre Gewinne aus anderen Quellen
zieht. Finanzierungen und Emissionen gar sind die eigentliche Domäne der Groß-
dank, an der der Kleine nur partizipiert, wenn ihm, wie eine Art Trinkgeld, eine
"Unterbeteiligung" von ein paar Tausend Mark zugewiesen wird. Alles das
entspricht durchaus den Erscheinungen des Konkurrenzkampfes zwischen Groß und




Reichsspiczel

nicht mit, weil, wenn sie überhaupt ein Geschäft betreiben und sich nicht auf die
Vermögensverwaltung beschränken, sie im anderen Lager stehen, zu den Großen
zählen und sich gern zu ihnen zählen lassen. Der Bankierstand von ehedem, der,
meist auf erhebliches Kapital gestützt, in lokalem Bezirk als Kreditgeber, Förderer
der Industrie, Berater des Publikums eine beträchtliche Wirksamkeit entfaltete, ist
verschwunden, depossediert, aufgesaugt. Die Konzentration des Kapitals, das
Wachstum der Großbanken hat ihm deu Lebensfaden abgeschnitten. Unfähig,
dieser übermächtigen Konkurrenz die Spitze zu bieten, zog er vor, vor derselben zu
kapitulieren. An seine Stelle trat die Filiale der Großbank. Die kleinen Firmen
aber, welche übrig blieben, weil sie ihre Selbständigkeit nicht opfern wollten, oder
weil sie den Großen nicht als ein begehrenswertes Objekt erschienen, und die meist
noch Kleineren, welche neu auf dem Plan erschienen, kämpfen einen hoffnungslosen
Kampf. Das Kreditgeschäft ist ihnen entzogen, denn alle guten Kredite haben
längst den Weg zur Bank gefunden. Was übrig bleibt, ist für den Kreditgeber so
gefährlich, daß er sich davon fern halten muß, will er nicht üble Erfahrungen
machen. Das Kommissionsgeschäft ist derart unlohnend, daß die Provisions¬
einnahme nicht die Spesen deckt, dient eben der Konkurrenz der Großbank, die mit
so niedrigen Sätzen arbeiten kann, weil sie ihre Gewinne aus anderen Quellen
zieht. Finanzierungen und Emissionen gar sind die eigentliche Domäne der Groß-
dank, an der der Kleine nur partizipiert, wenn ihm, wie eine Art Trinkgeld, eine
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[0591] Reichsspiczel nicht mit, weil, wenn sie überhaupt ein Geschäft betreiben und sich nicht auf die Vermögensverwaltung beschränken, sie im anderen Lager stehen, zu den Großen zählen und sich gern zu ihnen zählen lassen. Der Bankierstand von ehedem, der, meist auf erhebliches Kapital gestützt, in lokalem Bezirk als Kreditgeber, Förderer der Industrie, Berater des Publikums eine beträchtliche Wirksamkeit entfaltete, ist verschwunden, depossediert, aufgesaugt. Die Konzentration des Kapitals, das Wachstum der Großbanken hat ihm deu Lebensfaden abgeschnitten. Unfähig, dieser übermächtigen Konkurrenz die Spitze zu bieten, zog er vor, vor derselben zu kapitulieren. An seine Stelle trat die Filiale der Großbank. Die kleinen Firmen aber, welche übrig blieben, weil sie ihre Selbständigkeit nicht opfern wollten, oder weil sie den Großen nicht als ein begehrenswertes Objekt erschienen, und die meist noch Kleineren, welche neu auf dem Plan erschienen, kämpfen einen hoffnungslosen Kampf. Das Kreditgeschäft ist ihnen entzogen, denn alle guten Kredite haben längst den Weg zur Bank gefunden. Was übrig bleibt, ist für den Kreditgeber so gefährlich, daß er sich davon fern halten muß, will er nicht üble Erfahrungen machen. Das Kommissionsgeschäft ist derart unlohnend, daß die Provisions¬ einnahme nicht die Spesen deckt, dient eben der Konkurrenz der Großbank, die mit so niedrigen Sätzen arbeiten kann, weil sie ihre Gewinne aus anderen Quellen zieht. Finanzierungen und Emissionen gar sind die eigentliche Domäne der Groß- dank, an der der Kleine nur partizipiert, wenn ihm, wie eine Art Trinkgeld, eine „Unterbeteiligung" von ein paar Tausend Mark zugewiesen wird. Alles das entspricht durchaus den Erscheinungen des Konkurrenzkampfes zwischen Groß und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/591>, abgerufen am 01.07.2024.