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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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bürgerlichen Leben erwartenden neuartigen Verhältnisse vorbereitend zu unter¬
richten."

"Nachsinnen darüber, wie man es als Soldat hier oder da hätte besser
machen können, ob dem oder jenem Vorgesetzten die Schuld beizumessen ist an
der stets zu früh erfolgenden Verabschiedung, hat keinen Zweck, es verbittert
nur. Mutig sehe man nach vorwärts, ins neue Leben hinein!"

"Es ist eine Tatsache, daß viele Offiziere ihren Lebensberuf haben auf¬
geben müssen, die nach bürgerlichen Begriffen sich noch in einem durchaus leistungs¬
fähigen Alter und entsprechender körperlicher und geistiger Verfassung befinden.
Sie haben ihren Lebenszweck ganz bestimmt noch nicht erfüllt. Sie dürfen auch die
Notwendigkeit weiterer Tätigkeit nicht lediglich vom naheliegenden Zweckmäßigkeits¬
standpunkte, dem des Geldverdienens, des Lebenwollens aus betrachten. Sie mögen
ihr Dasein betrachten auch in Verbindung mit dem der vielen Millionen Mitbürger
und damit vom allgemein sozialpolitischen Standpunkte aus. Sie mögen neben
dem Egoismus auch den Altruismus zu Worte kommen lassen. Dies wird sie
zu dein Gedankengange führen, daß die staatliche Gesamtproduktion, die Gesamt¬
leistung eines Volkes sich zusammensetzt aus der Summe an Arbeit, die sich aus
der Leistung jedes einzelnen Individuums ergibt. In diesem Sinne arbeitet
jeder ehrenhaft tätige Mann mit an der Größe des Vaterlandes, ganz abgesehen
davon, daß er seinen Lebensunterhalt verdienen will."

"Soll da der verabschiedete Offizier tatenlos abseits stehen, soll seine Arbeits¬
kraft, sein reiches Wissen und Können der Gesamtleistung unseres Volkes ver¬
loren gehen? Schon aus patriotischen Gründen muß die Antwort lauten:
Kein'!"

"Wer nur verzehrt, ohne zu arbeiten, rechnet zu den Drohnen!"

"Und wer genug hat, um leben zu können und nicht Geld verdienen will,
der schenke seine Arbeitskraft gemeinnützigen Werken oder staatserhaltenden
Vereinigungen."

"Auch er entziehe sich nicht dem Segen der Arbeit!"




So sehr diese Worte, wie die Schrift im ganzen, Anerkennung und Beifall
verdienen, so möchte ich doch nicht unterlassen, einige Punkte hervorzuheben, wo
ich dem Herrn Verfasser nicht beipflichten kann.

Bei der Behandlung der Versorgung der Offiziere im Staats- und Kom¬
munaldienst tritt er für die hier stattfindende Kürzung des Pensionseinkommens
ein und sucht es zu rechtfertigen, auch unter Hinweis darauf, daß die gleiche
Bestimmung für die Beamten maßgebend sei. Zunächst kann ich diesen Grund
nicht gelten lassen.

Die Verhältnisse der Offizier- und Beamtenlaufbahn sind so verschieden¬
artig gestaltet, daß es nur zu Unzuträglichkeiten führt, wenn man beide über
einen Kamm scheren will. Im vorliegenden Fall könnte der angezogene § 57


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bürgerlichen Leben erwartenden neuartigen Verhältnisse vorbereitend zu unter¬
richten."

„Nachsinnen darüber, wie man es als Soldat hier oder da hätte besser
machen können, ob dem oder jenem Vorgesetzten die Schuld beizumessen ist an
der stets zu früh erfolgenden Verabschiedung, hat keinen Zweck, es verbittert
nur. Mutig sehe man nach vorwärts, ins neue Leben hinein!"

„Es ist eine Tatsache, daß viele Offiziere ihren Lebensberuf haben auf¬
geben müssen, die nach bürgerlichen Begriffen sich noch in einem durchaus leistungs¬
fähigen Alter und entsprechender körperlicher und geistiger Verfassung befinden.
Sie haben ihren Lebenszweck ganz bestimmt noch nicht erfüllt. Sie dürfen auch die
Notwendigkeit weiterer Tätigkeit nicht lediglich vom naheliegenden Zweckmäßigkeits¬
standpunkte, dem des Geldverdienens, des Lebenwollens aus betrachten. Sie mögen
ihr Dasein betrachten auch in Verbindung mit dem der vielen Millionen Mitbürger
und damit vom allgemein sozialpolitischen Standpunkte aus. Sie mögen neben
dem Egoismus auch den Altruismus zu Worte kommen lassen. Dies wird sie
zu dein Gedankengange führen, daß die staatliche Gesamtproduktion, die Gesamt¬
leistung eines Volkes sich zusammensetzt aus der Summe an Arbeit, die sich aus
der Leistung jedes einzelnen Individuums ergibt. In diesem Sinne arbeitet
jeder ehrenhaft tätige Mann mit an der Größe des Vaterlandes, ganz abgesehen
davon, daß er seinen Lebensunterhalt verdienen will."

„Soll da der verabschiedete Offizier tatenlos abseits stehen, soll seine Arbeits¬
kraft, sein reiches Wissen und Können der Gesamtleistung unseres Volkes ver¬
loren gehen? Schon aus patriotischen Gründen muß die Antwort lauten:
Kein'!"

„Wer nur verzehrt, ohne zu arbeiten, rechnet zu den Drohnen!"

„Und wer genug hat, um leben zu können und nicht Geld verdienen will,
der schenke seine Arbeitskraft gemeinnützigen Werken oder staatserhaltenden
Vereinigungen."

„Auch er entziehe sich nicht dem Segen der Arbeit!"




So sehr diese Worte, wie die Schrift im ganzen, Anerkennung und Beifall
verdienen, so möchte ich doch nicht unterlassen, einige Punkte hervorzuheben, wo
ich dem Herrn Verfasser nicht beipflichten kann.

Bei der Behandlung der Versorgung der Offiziere im Staats- und Kom¬
munaldienst tritt er für die hier stattfindende Kürzung des Pensionseinkommens
ein und sucht es zu rechtfertigen, auch unter Hinweis darauf, daß die gleiche
Bestimmung für die Beamten maßgebend sei. Zunächst kann ich diesen Grund
nicht gelten lassen.

Die Verhältnisse der Offizier- und Beamtenlaufbahn sind so verschieden¬
artig gestaltet, daß es nur zu Unzuträglichkeiten führt, wenn man beide über
einen Kamm scheren will. Im vorliegenden Fall könnte der angezogene § 57


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[0056] Reichsspiegel bürgerlichen Leben erwartenden neuartigen Verhältnisse vorbereitend zu unter¬ richten." „Nachsinnen darüber, wie man es als Soldat hier oder da hätte besser machen können, ob dem oder jenem Vorgesetzten die Schuld beizumessen ist an der stets zu früh erfolgenden Verabschiedung, hat keinen Zweck, es verbittert nur. Mutig sehe man nach vorwärts, ins neue Leben hinein!" „Es ist eine Tatsache, daß viele Offiziere ihren Lebensberuf haben auf¬ geben müssen, die nach bürgerlichen Begriffen sich noch in einem durchaus leistungs¬ fähigen Alter und entsprechender körperlicher und geistiger Verfassung befinden. Sie haben ihren Lebenszweck ganz bestimmt noch nicht erfüllt. Sie dürfen auch die Notwendigkeit weiterer Tätigkeit nicht lediglich vom naheliegenden Zweckmäßigkeits¬ standpunkte, dem des Geldverdienens, des Lebenwollens aus betrachten. Sie mögen ihr Dasein betrachten auch in Verbindung mit dem der vielen Millionen Mitbürger und damit vom allgemein sozialpolitischen Standpunkte aus. Sie mögen neben dem Egoismus auch den Altruismus zu Worte kommen lassen. Dies wird sie zu dein Gedankengange führen, daß die staatliche Gesamtproduktion, die Gesamt¬ leistung eines Volkes sich zusammensetzt aus der Summe an Arbeit, die sich aus der Leistung jedes einzelnen Individuums ergibt. In diesem Sinne arbeitet jeder ehrenhaft tätige Mann mit an der Größe des Vaterlandes, ganz abgesehen davon, daß er seinen Lebensunterhalt verdienen will." „Soll da der verabschiedete Offizier tatenlos abseits stehen, soll seine Arbeits¬ kraft, sein reiches Wissen und Können der Gesamtleistung unseres Volkes ver¬ loren gehen? Schon aus patriotischen Gründen muß die Antwort lauten: Kein'!" „Wer nur verzehrt, ohne zu arbeiten, rechnet zu den Drohnen!" „Und wer genug hat, um leben zu können und nicht Geld verdienen will, der schenke seine Arbeitskraft gemeinnützigen Werken oder staatserhaltenden Vereinigungen." „Auch er entziehe sich nicht dem Segen der Arbeit!" So sehr diese Worte, wie die Schrift im ganzen, Anerkennung und Beifall verdienen, so möchte ich doch nicht unterlassen, einige Punkte hervorzuheben, wo ich dem Herrn Verfasser nicht beipflichten kann. Bei der Behandlung der Versorgung der Offiziere im Staats- und Kom¬ munaldienst tritt er für die hier stattfindende Kürzung des Pensionseinkommens ein und sucht es zu rechtfertigen, auch unter Hinweis darauf, daß die gleiche Bestimmung für die Beamten maßgebend sei. Zunächst kann ich diesen Grund nicht gelten lassen. Die Verhältnisse der Offizier- und Beamtenlaufbahn sind so verschieden¬ artig gestaltet, daß es nur zu Unzuträglichkeiten führt, wenn man beide über einen Kamm scheren will. Im vorliegenden Fall könnte der angezogene § 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/56>, abgerufen am 01.07.2024.