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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Karl Salzer

haben; ich Scham mich fast selber darüber, wenn ich dran denk. Was umständ¬
liche Worte, wie sie bei Baueren net Mode sind. Manchmal ist mir's, als
hätt er selber Ängste, aber ich kann mir gar nix zusammenreimen. Ob's Tante
Seelchen was weiß? Es dürft aber sein, was es wollt: "'s ist mein Vater,
und ich steh auf seiner Seit!"

Ein jedes der beiden Geschwister versinkt in seine eigenen Gedanken. Als
sie in die Nähe der von der entgegengesetzten Seite her arbeitenden Taglöhner
kommen, sagt Karl:

"Hört mal, ihr Leut! Wir machen die drei Zeilen noch schnell mitnander
fertig, wenn's auch ein bißchen später wird. Dafür machen wir ein bißchen
länger Mittag. Ist's euch recht?"

Durch die flimmernde Sommertagsstille geht leise der Klang der fern im
Dorfe schwingenden Mittagsglocke.

"Eijo!" sagen die beiden Taglöhner, ein Manu mit seinem Weib, "das
können wir machen!" Und ohne die Stimme seiner Frau fährt der Mann
weiter: "Aber ein bißchen was für die trocken Gurgel wär auch ganz gut!
Sophie, hascht nix mehr? Kein Krug mehr eingewickelt?"

Der Märze - Seppel säuft gern. Er ist der Ansicht, daß man seine Ein¬
geweide zur besseren Erhaltung in Alkohol legen müsse.

"Weißt, Karl, der Wein ist net nur gut für den Durst; der Alkohol, der
drin ist, balsamiert einem Lung und Leber schon bei Lebzeiten ein, da passiert
nix dran!"

"O du alt Saufeul! Du weißt aber auch gar nix als das ganze Jahr
zu saufen!" schimpft sein Weib, und der junge Salzer wettert:

"En Dunnerkeil, Seppel, du kannst aber auch garnet genung kriegen. Ich
mein doch wahrhaftig, mein Vater tat's am süss net fehlen lassen; halt Haus
mit dem, was du morgens mitkriegst!"

"Bscht, höche!" dämpft Sophie den aufbrausenden Bruder, "Karl, geh net
fo wild mit den Leut um!"

Aber der läßt sich nicht zureden und schimpft weiter:

"Sakramentdunnerkeil soll neinfahren, wenn die Leut net zufrieden sein
können mit dem, was sie kriegen. Die haben heut morgen ihre zwei Krug
Wein kriegt so gut wie wir!" (Fortsetzung folgt)




Karl Salzer

haben; ich Scham mich fast selber darüber, wenn ich dran denk. Was umständ¬
liche Worte, wie sie bei Baueren net Mode sind. Manchmal ist mir's, als
hätt er selber Ängste, aber ich kann mir gar nix zusammenreimen. Ob's Tante
Seelchen was weiß? Es dürft aber sein, was es wollt: „'s ist mein Vater,
und ich steh auf seiner Seit!"

Ein jedes der beiden Geschwister versinkt in seine eigenen Gedanken. Als
sie in die Nähe der von der entgegengesetzten Seite her arbeitenden Taglöhner
kommen, sagt Karl:

„Hört mal, ihr Leut! Wir machen die drei Zeilen noch schnell mitnander
fertig, wenn's auch ein bißchen später wird. Dafür machen wir ein bißchen
länger Mittag. Ist's euch recht?"

Durch die flimmernde Sommertagsstille geht leise der Klang der fern im
Dorfe schwingenden Mittagsglocke.

„Eijo!" sagen die beiden Taglöhner, ein Manu mit seinem Weib, „das
können wir machen!" Und ohne die Stimme seiner Frau fährt der Mann
weiter: „Aber ein bißchen was für die trocken Gurgel wär auch ganz gut!
Sophie, hascht nix mehr? Kein Krug mehr eingewickelt?"

Der Märze - Seppel säuft gern. Er ist der Ansicht, daß man seine Ein¬
geweide zur besseren Erhaltung in Alkohol legen müsse.

„Weißt, Karl, der Wein ist net nur gut für den Durst; der Alkohol, der
drin ist, balsamiert einem Lung und Leber schon bei Lebzeiten ein, da passiert
nix dran!"

„O du alt Saufeul! Du weißt aber auch gar nix als das ganze Jahr
zu saufen!" schimpft sein Weib, und der junge Salzer wettert:

„En Dunnerkeil, Seppel, du kannst aber auch garnet genung kriegen. Ich
mein doch wahrhaftig, mein Vater tat's am süss net fehlen lassen; halt Haus
mit dem, was du morgens mitkriegst!"

„Bscht, höche!" dämpft Sophie den aufbrausenden Bruder, „Karl, geh net
fo wild mit den Leut um!"

Aber der läßt sich nicht zureden und schimpft weiter:

„Sakramentdunnerkeil soll neinfahren, wenn die Leut net zufrieden sein
können mit dem, was sie kriegen. Die haben heut morgen ihre zwei Krug
Wein kriegt so gut wie wir!" (Fortsetzung folgt)




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[0435] Karl Salzer haben; ich Scham mich fast selber darüber, wenn ich dran denk. Was umständ¬ liche Worte, wie sie bei Baueren net Mode sind. Manchmal ist mir's, als hätt er selber Ängste, aber ich kann mir gar nix zusammenreimen. Ob's Tante Seelchen was weiß? Es dürft aber sein, was es wollt: „'s ist mein Vater, und ich steh auf seiner Seit!" Ein jedes der beiden Geschwister versinkt in seine eigenen Gedanken. Als sie in die Nähe der von der entgegengesetzten Seite her arbeitenden Taglöhner kommen, sagt Karl: „Hört mal, ihr Leut! Wir machen die drei Zeilen noch schnell mitnander fertig, wenn's auch ein bißchen später wird. Dafür machen wir ein bißchen länger Mittag. Ist's euch recht?" Durch die flimmernde Sommertagsstille geht leise der Klang der fern im Dorfe schwingenden Mittagsglocke. „Eijo!" sagen die beiden Taglöhner, ein Manu mit seinem Weib, „das können wir machen!" Und ohne die Stimme seiner Frau fährt der Mann weiter: „Aber ein bißchen was für die trocken Gurgel wär auch ganz gut! Sophie, hascht nix mehr? Kein Krug mehr eingewickelt?" Der Märze - Seppel säuft gern. Er ist der Ansicht, daß man seine Ein¬ geweide zur besseren Erhaltung in Alkohol legen müsse. „Weißt, Karl, der Wein ist net nur gut für den Durst; der Alkohol, der drin ist, balsamiert einem Lung und Leber schon bei Lebzeiten ein, da passiert nix dran!" „O du alt Saufeul! Du weißt aber auch gar nix als das ganze Jahr zu saufen!" schimpft sein Weib, und der junge Salzer wettert: „En Dunnerkeil, Seppel, du kannst aber auch garnet genung kriegen. Ich mein doch wahrhaftig, mein Vater tat's am süss net fehlen lassen; halt Haus mit dem, was du morgens mitkriegst!" „Bscht, höche!" dämpft Sophie den aufbrausenden Bruder, „Karl, geh net fo wild mit den Leut um!" Aber der läßt sich nicht zureden und schimpft weiter: „Sakramentdunnerkeil soll neinfahren, wenn die Leut net zufrieden sein können mit dem, was sie kriegen. Die haben heut morgen ihre zwei Krug Wein kriegt so gut wie wir!" (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/435>, abgerufen am 01.07.2024.