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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Karl Salzor

NUN Gurken. Die reichen Bauern und die armen und auch die Leute tun es,
die die Landwirtschaft mehr nebenamtlich betreiben und der Hauptsache nach
Handwerker sind.

Der Schmied Salzer zum Beispiel warf sich so eifrig auf den Anbau von
Gurken, daß im Dorfe ein großes Verwundern ward. Er begnügte sich nicht
damit, seine eigenen Äcker, soweit die Lage es erlaubte, mit Gurken zu bestellen,
nein, er pachtete noch eine ziemliche Anzahl Äcker dazu, und alle bepflanzte er
rin Gurken.

Die Bauern sagten, jetzt wisse man nicht mehr, ob der Salzer-Franz
Schmied und Bauerchen oder Bauer und Schmiedchen sei. Und viel Kopf¬
zerbrechen machten sie sich darüber, was den Mann nur veranlassen könne, sich
mit solchem Eifer der Landwirtschaft zu widmen, zumal er doch auch die viele
Schreiberei mit der Spar- und Darlehnskasse habe, deren Rechner er war.
Man munkelte so allerhand, als stünde es mit des Schmieds Finanzen nicht
mehr zum besten, und er wolle sich durch den Gurkenbau aus der Klemme
helfen. Aber diese Gerüchte fanden nicht allgemeinen Glauben und verstummten
wieder, weil Salzer bisher seinen Verpflichtungen im Dorfe regelmäßig nach¬
gekommen war und auch seinen Ackerzins pünktlich bezahlt hatte.

Als der Schmied auch im zweiten Jahre seine Äcker wieder mit Gurken
bestellte und im Anbau keine Abwechslung eintreten ließ, schüttelten die Bauern
doch wieder und noch bedenklicher die Köpfe und fingen an, an seinem Ver¬
stände zu zweifeln. Sie sagten: er will mit Gewalt reich werden, und da steckt
etwas dahinter. Allmählich verlor man das Vertrauen zu ihm als Rechner
der Spar- und Darlehnskasse. Viele drangen darauf, man solle das Amt einem
anderen übertragen; es gäbe gewiß auch noch andere Leute im Dorfe, die mit
dem Kopfe gut fortkamen. Jeder, der so sprach, dachte dabei ein wenig an
sich selbst. Aber der Schmied besaß auch wieder, wenn er mit den Dorf¬
genossen redete, einen großen Einfluß auf sie und wußte das drohende Ver¬
hängnis immer wieder abzuwenden.

Doch eines Tages ließ der Bürgermeister den Schmied zu sich rufen.

Eine große Wormser Eisenhandlung, von der Salzer die Rohmaterialien
für seine Schmiedewerkstätte bezog, erkundigte sich nämlich bei der Bürger¬
meisterei nach seinen Vermögensverhältnissen, da man ihm weiteren Kredit nicht
gewähren könne.

Der Bürgermeister ersuchte ihn um die nötigen Erklärungen. Es komme
ihm, dem Bürgermeister, ja eigentlich nicht zu, sich um die Privatverhältnisse
der Bürger zu bekümmern, aber der Schmied werde wohl selbst einsehen, daß
der- Fall hier anders liege, weil er doch Rechner der Spar- und Darlehnskasse
sei. Unter den Leuten herrsche schon eine gewisse Beunruhigung, und wenn es
nun gar bekannt werde, daß der Rechner verschuldet sei, vielleicht sogar sehr
stark verschuldet, so sei es nicht ausgeschlossen, daß der Schmied aus eigener
Initiative von seinem Amte zurücktreten müsse. Nun die schwerwiegende Frage,


Karl Salzor

NUN Gurken. Die reichen Bauern und die armen und auch die Leute tun es,
die die Landwirtschaft mehr nebenamtlich betreiben und der Hauptsache nach
Handwerker sind.

Der Schmied Salzer zum Beispiel warf sich so eifrig auf den Anbau von
Gurken, daß im Dorfe ein großes Verwundern ward. Er begnügte sich nicht
damit, seine eigenen Äcker, soweit die Lage es erlaubte, mit Gurken zu bestellen,
nein, er pachtete noch eine ziemliche Anzahl Äcker dazu, und alle bepflanzte er
rin Gurken.

Die Bauern sagten, jetzt wisse man nicht mehr, ob der Salzer-Franz
Schmied und Bauerchen oder Bauer und Schmiedchen sei. Und viel Kopf¬
zerbrechen machten sie sich darüber, was den Mann nur veranlassen könne, sich
mit solchem Eifer der Landwirtschaft zu widmen, zumal er doch auch die viele
Schreiberei mit der Spar- und Darlehnskasse habe, deren Rechner er war.
Man munkelte so allerhand, als stünde es mit des Schmieds Finanzen nicht
mehr zum besten, und er wolle sich durch den Gurkenbau aus der Klemme
helfen. Aber diese Gerüchte fanden nicht allgemeinen Glauben und verstummten
wieder, weil Salzer bisher seinen Verpflichtungen im Dorfe regelmäßig nach¬
gekommen war und auch seinen Ackerzins pünktlich bezahlt hatte.

Als der Schmied auch im zweiten Jahre seine Äcker wieder mit Gurken
bestellte und im Anbau keine Abwechslung eintreten ließ, schüttelten die Bauern
doch wieder und noch bedenklicher die Köpfe und fingen an, an seinem Ver¬
stände zu zweifeln. Sie sagten: er will mit Gewalt reich werden, und da steckt
etwas dahinter. Allmählich verlor man das Vertrauen zu ihm als Rechner
der Spar- und Darlehnskasse. Viele drangen darauf, man solle das Amt einem
anderen übertragen; es gäbe gewiß auch noch andere Leute im Dorfe, die mit
dem Kopfe gut fortkamen. Jeder, der so sprach, dachte dabei ein wenig an
sich selbst. Aber der Schmied besaß auch wieder, wenn er mit den Dorf¬
genossen redete, einen großen Einfluß auf sie und wußte das drohende Ver¬
hängnis immer wieder abzuwenden.

Doch eines Tages ließ der Bürgermeister den Schmied zu sich rufen.

Eine große Wormser Eisenhandlung, von der Salzer die Rohmaterialien
für seine Schmiedewerkstätte bezog, erkundigte sich nämlich bei der Bürger¬
meisterei nach seinen Vermögensverhältnissen, da man ihm weiteren Kredit nicht
gewähren könne.

Der Bürgermeister ersuchte ihn um die nötigen Erklärungen. Es komme
ihm, dem Bürgermeister, ja eigentlich nicht zu, sich um die Privatverhältnisse
der Bürger zu bekümmern, aber der Schmied werde wohl selbst einsehen, daß
der- Fall hier anders liege, weil er doch Rechner der Spar- und Darlehnskasse
sei. Unter den Leuten herrsche schon eine gewisse Beunruhigung, und wenn es
nun gar bekannt werde, daß der Rechner verschuldet sei, vielleicht sogar sehr
stark verschuldet, so sei es nicht ausgeschlossen, daß der Schmied aus eigener
Initiative von seinem Amte zurücktreten müsse. Nun die schwerwiegende Frage,


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[0430] Karl Salzor NUN Gurken. Die reichen Bauern und die armen und auch die Leute tun es, die die Landwirtschaft mehr nebenamtlich betreiben und der Hauptsache nach Handwerker sind. Der Schmied Salzer zum Beispiel warf sich so eifrig auf den Anbau von Gurken, daß im Dorfe ein großes Verwundern ward. Er begnügte sich nicht damit, seine eigenen Äcker, soweit die Lage es erlaubte, mit Gurken zu bestellen, nein, er pachtete noch eine ziemliche Anzahl Äcker dazu, und alle bepflanzte er rin Gurken. Die Bauern sagten, jetzt wisse man nicht mehr, ob der Salzer-Franz Schmied und Bauerchen oder Bauer und Schmiedchen sei. Und viel Kopf¬ zerbrechen machten sie sich darüber, was den Mann nur veranlassen könne, sich mit solchem Eifer der Landwirtschaft zu widmen, zumal er doch auch die viele Schreiberei mit der Spar- und Darlehnskasse habe, deren Rechner er war. Man munkelte so allerhand, als stünde es mit des Schmieds Finanzen nicht mehr zum besten, und er wolle sich durch den Gurkenbau aus der Klemme helfen. Aber diese Gerüchte fanden nicht allgemeinen Glauben und verstummten wieder, weil Salzer bisher seinen Verpflichtungen im Dorfe regelmäßig nach¬ gekommen war und auch seinen Ackerzins pünktlich bezahlt hatte. Als der Schmied auch im zweiten Jahre seine Äcker wieder mit Gurken bestellte und im Anbau keine Abwechslung eintreten ließ, schüttelten die Bauern doch wieder und noch bedenklicher die Köpfe und fingen an, an seinem Ver¬ stände zu zweifeln. Sie sagten: er will mit Gewalt reich werden, und da steckt etwas dahinter. Allmählich verlor man das Vertrauen zu ihm als Rechner der Spar- und Darlehnskasse. Viele drangen darauf, man solle das Amt einem anderen übertragen; es gäbe gewiß auch noch andere Leute im Dorfe, die mit dem Kopfe gut fortkamen. Jeder, der so sprach, dachte dabei ein wenig an sich selbst. Aber der Schmied besaß auch wieder, wenn er mit den Dorf¬ genossen redete, einen großen Einfluß auf sie und wußte das drohende Ver¬ hängnis immer wieder abzuwenden. Doch eines Tages ließ der Bürgermeister den Schmied zu sich rufen. Eine große Wormser Eisenhandlung, von der Salzer die Rohmaterialien für seine Schmiedewerkstätte bezog, erkundigte sich nämlich bei der Bürger¬ meisterei nach seinen Vermögensverhältnissen, da man ihm weiteren Kredit nicht gewähren könne. Der Bürgermeister ersuchte ihn um die nötigen Erklärungen. Es komme ihm, dem Bürgermeister, ja eigentlich nicht zu, sich um die Privatverhältnisse der Bürger zu bekümmern, aber der Schmied werde wohl selbst einsehen, daß der- Fall hier anders liege, weil er doch Rechner der Spar- und Darlehnskasse sei. Unter den Leuten herrsche schon eine gewisse Beunruhigung, und wenn es nun gar bekannt werde, daß der Rechner verschuldet sei, vielleicht sogar sehr stark verschuldet, so sei es nicht ausgeschlossen, daß der Schmied aus eigener Initiative von seinem Amte zurücktreten müsse. Nun die schwerwiegende Frage,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/430>, abgerufen am 28.09.2024.