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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Der Kronprinz und sein Buch

Ein Liebhaber von vielen Worten, von langen Einleitungen ist der Ver¬
fasser wahrlich nicht. Der erste Satz bringt uns meist sofort "in nec!la8 re8",
auf eines der mannigfaltigen indischen Jagdgründe, aufs schottische Hochmoor,
in das Hochgebirge der Alpen oder in die heimischen Wälder. Auch im Verlauf
der Erzählung ist nie ein Wort zuviel gebraucht. Das hat seine Vorteile. Es
entstehen scharfe, klare Bilder, die dem Leser deutlich eine bestimmte Szene vor
Augen führen. Die Elefantenjagd auf Ceylon, das "Herumschliddern" auf dem
schlüpfrigen roten Lehm, der Kampf mit Dornen und Schlingpflanzen und dabei
die dauernde Spannung: wann wird "er" plötzlich, wie eine Dampfmaschine,
angebraust kommen? Wer das einmal durchgemachthat, der weiß: so ist's und
nicht anders.

Meist bricht dann die Erzählung ebenso unvermittelt ab, wie sie begann.
Vor allem bei den Beschreibungen ausländischer Jagden. Hier möchte man
geradezu bedauern, daß öfters der Hintergrund des Bildes auf Kosten der
Schärfe zu stiefmütterlich behandelt wurde.

In: Kapitel piZ-stlLkinZ hätte ich z. B. sicher von einem so passionierten
Pferdefreund einen Hinweis auf die Geschicklichkeit der reizenden kleinen Araber-
Hengste erwartet, die in "ox> speect" durch den "8Lrub" sulzen, die steilen
Böschungen der "Nullahs" herunter- und heraufklettern und oft dem Keiler bei
seinen Haken- und Seitensprüngen folgen, wie der Polopony der Kugel.

Vielleicht hat diese Knappheit darin ihren Grund, daß die Erzählung aus
einen: anderen für die Öffentlichkeit nicht bestimmten Hintergrund herausgeschnitten
wurde.

Daß der Verfasser, wenn er will, auch den Hintergrund ganz stimmungs¬
voll ausmalen kann, zeigt er z. B. bei der Beschreibung des Rückritts nach der
erfolgreichen Tigerjagd. Aber dazu gehört vielleicht auch, daß man den geheimnis¬
vollen "Lali ok tus S3,8t" zum erstenmal im Herzen erklingen hört.

Dieser Ruf hat es nicht vermocht, die Stimme der Heimat zu übertönen.
Denn wirklich zu Hause fühlt sich der Verfasser erst, wenn er uns in Haus und
Revier Ki. Ellguth einführt, oder in Hopfreben mit Brugger und Muthet bekannt
macht. Da wird die Beschreibung unwillkürlich plastischer und die Stimmungen
stellen sich ganz von selbst ein.

Die Liebe zur Heimat hat denn auch dem warm empfundenen Schlu߬
kapitel den Stempel aufgedrückt.

Woher kommt es denn, daß in allen fremden Sprachen die Jagd unter
die Rubrik Sport fällt, während auf deutschem Boden der Begriff des "waid¬
gerechten" Jägers entstand, dem "der Schuß nur der Abschluß einer Kette
schöner Erlebnisse, nicht der eigentliche Selbstzweck ist?" Weil nur dem deutschen
Gemüt die tiefe Empfindung für die Natur zu eigen ist, weil ihm diese Natur
etwas viel zu Heiliges und Ernstes ist, als daß er sie durch gedankenloses
Morden entweihen könnte. Gewiß ist solchen Anschauungen schon unzählige
Male in den verschiedensten Formen Ausdruck gegeben. Daß der Kronprinz


Der Kronprinz und sein Buch

Ein Liebhaber von vielen Worten, von langen Einleitungen ist der Ver¬
fasser wahrlich nicht. Der erste Satz bringt uns meist sofort „in nec!la8 re8",
auf eines der mannigfaltigen indischen Jagdgründe, aufs schottische Hochmoor,
in das Hochgebirge der Alpen oder in die heimischen Wälder. Auch im Verlauf
der Erzählung ist nie ein Wort zuviel gebraucht. Das hat seine Vorteile. Es
entstehen scharfe, klare Bilder, die dem Leser deutlich eine bestimmte Szene vor
Augen führen. Die Elefantenjagd auf Ceylon, das „Herumschliddern" auf dem
schlüpfrigen roten Lehm, der Kampf mit Dornen und Schlingpflanzen und dabei
die dauernde Spannung: wann wird „er" plötzlich, wie eine Dampfmaschine,
angebraust kommen? Wer das einmal durchgemachthat, der weiß: so ist's und
nicht anders.

Meist bricht dann die Erzählung ebenso unvermittelt ab, wie sie begann.
Vor allem bei den Beschreibungen ausländischer Jagden. Hier möchte man
geradezu bedauern, daß öfters der Hintergrund des Bildes auf Kosten der
Schärfe zu stiefmütterlich behandelt wurde.

In: Kapitel piZ-stlLkinZ hätte ich z. B. sicher von einem so passionierten
Pferdefreund einen Hinweis auf die Geschicklichkeit der reizenden kleinen Araber-
Hengste erwartet, die in „ox> speect" durch den „8Lrub" sulzen, die steilen
Böschungen der „Nullahs" herunter- und heraufklettern und oft dem Keiler bei
seinen Haken- und Seitensprüngen folgen, wie der Polopony der Kugel.

Vielleicht hat diese Knappheit darin ihren Grund, daß die Erzählung aus
einen: anderen für die Öffentlichkeit nicht bestimmten Hintergrund herausgeschnitten
wurde.

Daß der Verfasser, wenn er will, auch den Hintergrund ganz stimmungs¬
voll ausmalen kann, zeigt er z. B. bei der Beschreibung des Rückritts nach der
erfolgreichen Tigerjagd. Aber dazu gehört vielleicht auch, daß man den geheimnis¬
vollen „Lali ok tus S3,8t" zum erstenmal im Herzen erklingen hört.

Dieser Ruf hat es nicht vermocht, die Stimme der Heimat zu übertönen.
Denn wirklich zu Hause fühlt sich der Verfasser erst, wenn er uns in Haus und
Revier Ki. Ellguth einführt, oder in Hopfreben mit Brugger und Muthet bekannt
macht. Da wird die Beschreibung unwillkürlich plastischer und die Stimmungen
stellen sich ganz von selbst ein.

Die Liebe zur Heimat hat denn auch dem warm empfundenen Schlu߬
kapitel den Stempel aufgedrückt.

Woher kommt es denn, daß in allen fremden Sprachen die Jagd unter
die Rubrik Sport fällt, während auf deutschem Boden der Begriff des „waid¬
gerechten" Jägers entstand, dem „der Schuß nur der Abschluß einer Kette
schöner Erlebnisse, nicht der eigentliche Selbstzweck ist?" Weil nur dem deutschen
Gemüt die tiefe Empfindung für die Natur zu eigen ist, weil ihm diese Natur
etwas viel zu Heiliges und Ernstes ist, als daß er sie durch gedankenloses
Morden entweihen könnte. Gewiß ist solchen Anschauungen schon unzählige
Male in den verschiedensten Formen Ausdruck gegeben. Daß der Kronprinz


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[0428] Der Kronprinz und sein Buch Ein Liebhaber von vielen Worten, von langen Einleitungen ist der Ver¬ fasser wahrlich nicht. Der erste Satz bringt uns meist sofort „in nec!la8 re8", auf eines der mannigfaltigen indischen Jagdgründe, aufs schottische Hochmoor, in das Hochgebirge der Alpen oder in die heimischen Wälder. Auch im Verlauf der Erzählung ist nie ein Wort zuviel gebraucht. Das hat seine Vorteile. Es entstehen scharfe, klare Bilder, die dem Leser deutlich eine bestimmte Szene vor Augen führen. Die Elefantenjagd auf Ceylon, das „Herumschliddern" auf dem schlüpfrigen roten Lehm, der Kampf mit Dornen und Schlingpflanzen und dabei die dauernde Spannung: wann wird „er" plötzlich, wie eine Dampfmaschine, angebraust kommen? Wer das einmal durchgemachthat, der weiß: so ist's und nicht anders. Meist bricht dann die Erzählung ebenso unvermittelt ab, wie sie begann. Vor allem bei den Beschreibungen ausländischer Jagden. Hier möchte man geradezu bedauern, daß öfters der Hintergrund des Bildes auf Kosten der Schärfe zu stiefmütterlich behandelt wurde. In: Kapitel piZ-stlLkinZ hätte ich z. B. sicher von einem so passionierten Pferdefreund einen Hinweis auf die Geschicklichkeit der reizenden kleinen Araber- Hengste erwartet, die in „ox> speect" durch den „8Lrub" sulzen, die steilen Böschungen der „Nullahs" herunter- und heraufklettern und oft dem Keiler bei seinen Haken- und Seitensprüngen folgen, wie der Polopony der Kugel. Vielleicht hat diese Knappheit darin ihren Grund, daß die Erzählung aus einen: anderen für die Öffentlichkeit nicht bestimmten Hintergrund herausgeschnitten wurde. Daß der Verfasser, wenn er will, auch den Hintergrund ganz stimmungs¬ voll ausmalen kann, zeigt er z. B. bei der Beschreibung des Rückritts nach der erfolgreichen Tigerjagd. Aber dazu gehört vielleicht auch, daß man den geheimnis¬ vollen „Lali ok tus S3,8t" zum erstenmal im Herzen erklingen hört. Dieser Ruf hat es nicht vermocht, die Stimme der Heimat zu übertönen. Denn wirklich zu Hause fühlt sich der Verfasser erst, wenn er uns in Haus und Revier Ki. Ellguth einführt, oder in Hopfreben mit Brugger und Muthet bekannt macht. Da wird die Beschreibung unwillkürlich plastischer und die Stimmungen stellen sich ganz von selbst ein. Die Liebe zur Heimat hat denn auch dem warm empfundenen Schlu߬ kapitel den Stempel aufgedrückt. Woher kommt es denn, daß in allen fremden Sprachen die Jagd unter die Rubrik Sport fällt, während auf deutschem Boden der Begriff des „waid¬ gerechten" Jägers entstand, dem „der Schuß nur der Abschluß einer Kette schöner Erlebnisse, nicht der eigentliche Selbstzweck ist?" Weil nur dem deutschen Gemüt die tiefe Empfindung für die Natur zu eigen ist, weil ihm diese Natur etwas viel zu Heiliges und Ernstes ist, als daß er sie durch gedankenloses Morden entweihen könnte. Gewiß ist solchen Anschauungen schon unzählige Male in den verschiedensten Formen Ausdruck gegeben. Daß der Kronprinz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/428>, abgerufen am 22.07.2024.