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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Deutschlands Handelsschiffahrt in Kriegszeiten

um das Kap der Guten Hoffnung einschlagen, der ebenfalls weiter ist als
die Friedensroute durch den Suezkanal, aber neben der größeren Sicherheit
noch den, allerdings nicht allzuschwer ins Gewicht fallenden, Vorteil der ersparten
Kanalgebühren hat.

Da auf den ausländischen Stationen unsere Kreuzerverbäude den fran¬
zösischen überlegen sind, ist zu hoffen, daß auch dort wir uns bald zu Herren
der Situation würden machen können.

Es wäre also allgemein zu erwarten, daß unsere Kriegsmarine einen weit¬
gehenden Schutz auszuüben imstande ist. Es muß aber doch darauf hingewiesen
werden, daß er erst allmählich voll in Kraft treten kann, nämlich vornehmlich
erst dann, wenn die feindliche Schlachtflotte vernichtet ist. Auf dieses Ziel muß
zunächst alle Aufmerksamkeit und alle verfügbaren Mittel verwendet werden, und
der Handelsschutz demgegenüber in den Hintergrund treten. Denn die Über¬
legenheit unserer Kriegsflotte über die französische ist noch keine so bedeutende,
daß wir durch zu weitgehende Abgabe von Streitkräften für den zweiten Zweck
nicht die Durchführung des ersten in Frage stellen würden. Bei Beginn des
Krieges sind also Verluste für die Reedereien durch Wegnahme von Schiffen
zu erwarten. Es ist Sache der Öffentlichkeit, diese Tatsache als unvermeidlich
anzusehen und die nötige Kaltblütigkeit zu bewahren.

Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse menschlichem Ermessen nach auch in
den anderen Kriegsfällen. Schwere Verluste werden immer eintreten; irgend¬
welche Gebiete stehen jedem Gegner zur Verfügung, wo er dank seiner
geographischen Lage der Meister ist. Beispielsweise würde Japan zunächst
unseren Ostasienhandel, die Vereinigten Staaten ebenfalls diesen und unsere
amerikanischen Interessen schwer schädigen können. Der Krieg ist nun einmal,
vom Geldstandpunkt aus betrachtet, als nationales Unglück zu erachten und
pekuniäre Vorteile werden sich erst dann einstellen, wenn es gelungen ist, den
Gegner zur See völlig niederzuwerfen. Dann kann allerdings die Jagd auf
seine Handelsschiffe zu einer ergiebigen Geldquelle werden, aus der besonders
Frankreich und England in früheren Zeiten reichlich zu schöpfen gemußt haben.




Deutschlands Handelsschiffahrt in Kriegszeiten

um das Kap der Guten Hoffnung einschlagen, der ebenfalls weiter ist als
die Friedensroute durch den Suezkanal, aber neben der größeren Sicherheit
noch den, allerdings nicht allzuschwer ins Gewicht fallenden, Vorteil der ersparten
Kanalgebühren hat.

Da auf den ausländischen Stationen unsere Kreuzerverbäude den fran¬
zösischen überlegen sind, ist zu hoffen, daß auch dort wir uns bald zu Herren
der Situation würden machen können.

Es wäre also allgemein zu erwarten, daß unsere Kriegsmarine einen weit¬
gehenden Schutz auszuüben imstande ist. Es muß aber doch darauf hingewiesen
werden, daß er erst allmählich voll in Kraft treten kann, nämlich vornehmlich
erst dann, wenn die feindliche Schlachtflotte vernichtet ist. Auf dieses Ziel muß
zunächst alle Aufmerksamkeit und alle verfügbaren Mittel verwendet werden, und
der Handelsschutz demgegenüber in den Hintergrund treten. Denn die Über¬
legenheit unserer Kriegsflotte über die französische ist noch keine so bedeutende,
daß wir durch zu weitgehende Abgabe von Streitkräften für den zweiten Zweck
nicht die Durchführung des ersten in Frage stellen würden. Bei Beginn des
Krieges sind also Verluste für die Reedereien durch Wegnahme von Schiffen
zu erwarten. Es ist Sache der Öffentlichkeit, diese Tatsache als unvermeidlich
anzusehen und die nötige Kaltblütigkeit zu bewahren.

Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse menschlichem Ermessen nach auch in
den anderen Kriegsfällen. Schwere Verluste werden immer eintreten; irgend¬
welche Gebiete stehen jedem Gegner zur Verfügung, wo er dank seiner
geographischen Lage der Meister ist. Beispielsweise würde Japan zunächst
unseren Ostasienhandel, die Vereinigten Staaten ebenfalls diesen und unsere
amerikanischen Interessen schwer schädigen können. Der Krieg ist nun einmal,
vom Geldstandpunkt aus betrachtet, als nationales Unglück zu erachten und
pekuniäre Vorteile werden sich erst dann einstellen, wenn es gelungen ist, den
Gegner zur See völlig niederzuwerfen. Dann kann allerdings die Jagd auf
seine Handelsschiffe zu einer ergiebigen Geldquelle werden, aus der besonders
Frankreich und England in früheren Zeiten reichlich zu schöpfen gemußt haben.




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[0376] Deutschlands Handelsschiffahrt in Kriegszeiten um das Kap der Guten Hoffnung einschlagen, der ebenfalls weiter ist als die Friedensroute durch den Suezkanal, aber neben der größeren Sicherheit noch den, allerdings nicht allzuschwer ins Gewicht fallenden, Vorteil der ersparten Kanalgebühren hat. Da auf den ausländischen Stationen unsere Kreuzerverbäude den fran¬ zösischen überlegen sind, ist zu hoffen, daß auch dort wir uns bald zu Herren der Situation würden machen können. Es wäre also allgemein zu erwarten, daß unsere Kriegsmarine einen weit¬ gehenden Schutz auszuüben imstande ist. Es muß aber doch darauf hingewiesen werden, daß er erst allmählich voll in Kraft treten kann, nämlich vornehmlich erst dann, wenn die feindliche Schlachtflotte vernichtet ist. Auf dieses Ziel muß zunächst alle Aufmerksamkeit und alle verfügbaren Mittel verwendet werden, und der Handelsschutz demgegenüber in den Hintergrund treten. Denn die Über¬ legenheit unserer Kriegsflotte über die französische ist noch keine so bedeutende, daß wir durch zu weitgehende Abgabe von Streitkräften für den zweiten Zweck nicht die Durchführung des ersten in Frage stellen würden. Bei Beginn des Krieges sind also Verluste für die Reedereien durch Wegnahme von Schiffen zu erwarten. Es ist Sache der Öffentlichkeit, diese Tatsache als unvermeidlich anzusehen und die nötige Kaltblütigkeit zu bewahren. Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse menschlichem Ermessen nach auch in den anderen Kriegsfällen. Schwere Verluste werden immer eintreten; irgend¬ welche Gebiete stehen jedem Gegner zur Verfügung, wo er dank seiner geographischen Lage der Meister ist. Beispielsweise würde Japan zunächst unseren Ostasienhandel, die Vereinigten Staaten ebenfalls diesen und unsere amerikanischen Interessen schwer schädigen können. Der Krieg ist nun einmal, vom Geldstandpunkt aus betrachtet, als nationales Unglück zu erachten und pekuniäre Vorteile werden sich erst dann einstellen, wenn es gelungen ist, den Gegner zur See völlig niederzuwerfen. Dann kann allerdings die Jagd auf seine Handelsschiffe zu einer ergiebigen Geldquelle werden, aus der besonders Frankreich und England in früheren Zeiten reichlich zu schöpfen gemußt haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/376>, abgerufen am 01.07.2024.