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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Deutschlands Handelsschiffahrt in Uriegszeiten

wahrscheinlich von der Landesverteidigung zu kriegerischen Zwecken angekauft
werden, so daß ein Teil brachliegenden Kapitals flüssig werden wird. Immerhin
wird es nicht ausbleiben, daß eine Verzinsung der gewaltigen, in der Schiffahrt
angelegten Gelder unmöglich wird.

Aus diesen Erörterungen ist zu ersehen, daß ein Krieg gegen England für
die deutsche Handelsflotte und damit für die deutsche Industrie gar harte Zeiten
bringen würde, Gewinn wird dabei nicht zu erwarten sein, sondern nur
Verlust. Und nur darauf kann sich in diesem Fall die Vorbereitung erstrecken,
wie diese Verluste möglichst niedrig zu halten sind. Wenn sich hierüber alle
beteiligten Kreise im Klaren sind, dann wird das Unglück auch nicht allzuschwer
zu ertragen sein.




Anders liegen die Verhältnisse in allen sonstigen Kriegsfällen. Legen wir
auch diesem Abschnitt den Konflikt zugrunde, der für uns am schwierigsten ist,
den Krieg mit Frankreich, selbst wenn er, was so gut wie ausgeschlossen erscheint,
ohne Englands Mitwirkung als unser Gegner geführt werden sollte. Auch
dieses Land ist für uns sehr ungünstig gelegen, da es unsere Schiffahrtswege,
soweit sie durch den Ärmelkanal führen, flankiert und weiterhin sehr vorteilhafte
Stützpunkte im Mittelmeer besitzt, von denen aus unser dieses Gewässer
passierender Verkehr stark gestört werden kann. Frankreich verfügt ferner über
zahlreiche, für den Kreuzerkrieg gut geeignete Streitkräfte, aber nur über eine
verhältnismäßig schwache Linienschiffsflotte.

Hieraus folgt, daß es uns gegenüber auf die Maßregel der Blockade ver¬
zichten muß, da ihm das hierzu nötige Mittel, die überlegene Schlachtflotte
fehlt. Es würde voraussichtlich den Handelskrieg mit seinen Kreuzern haupt¬
sächlich im Kanal und im Mittelmeer betreiben. Demgegenüber aber könnten
wahrscheinlich wir die Maßregel mit Vorteil ergreifen, die England in seinen
früheren Kriegen mit gutem Erfolg angewendet hat: Aufsuchen der Linienschiffs¬
geschwader zwecks eines entscheidenden Kampfes oder ihre Blockierung in ihren
Häfen. Die feindlichen Panzerkreuzer wären ebenfalls, soweit unsere Streit¬
kräfte noch ausreichen, durch Blockade festzulegen. Unsere Armee hätte, sieg¬
reiches Vordringen vorausgesetzt, darauf Rücksicht zu nehmen, daß sie allmählich
die Küstenplätze und Kriegshafen in ihre Gewalt bekäme, so daß unsere, daselbst
für die Blockade benutzten Fahrzeuge sür die Absperrung der bisher aus Mangel
an Streitkräften unberücksichtigt gebliebenen Häfen frei würden. Da die sämt¬
lichen französischen Kreuzer verhältnismäßig alt sind, würden sie, wenn einmal
zum Kampfe gestellt, auch nicht allzuschwer zur Strecke zu bringen sein.

Bis auf diese Weise der Ärmelkanal von feindlichen Kreuzern gesäubert
wäre, könnte unser Handel den zwar weiteren, aber weniger bedrohten Weg
Nördlich um Schottland herum benutzen; und so lange die Gefahrzone im
Mittelmeer nicht beseitigt ist, nach dem Stillen und Indischen Ozean den Weg,


Deutschlands Handelsschiffahrt in Uriegszeiten

wahrscheinlich von der Landesverteidigung zu kriegerischen Zwecken angekauft
werden, so daß ein Teil brachliegenden Kapitals flüssig werden wird. Immerhin
wird es nicht ausbleiben, daß eine Verzinsung der gewaltigen, in der Schiffahrt
angelegten Gelder unmöglich wird.

Aus diesen Erörterungen ist zu ersehen, daß ein Krieg gegen England für
die deutsche Handelsflotte und damit für die deutsche Industrie gar harte Zeiten
bringen würde, Gewinn wird dabei nicht zu erwarten sein, sondern nur
Verlust. Und nur darauf kann sich in diesem Fall die Vorbereitung erstrecken,
wie diese Verluste möglichst niedrig zu halten sind. Wenn sich hierüber alle
beteiligten Kreise im Klaren sind, dann wird das Unglück auch nicht allzuschwer
zu ertragen sein.




Anders liegen die Verhältnisse in allen sonstigen Kriegsfällen. Legen wir
auch diesem Abschnitt den Konflikt zugrunde, der für uns am schwierigsten ist,
den Krieg mit Frankreich, selbst wenn er, was so gut wie ausgeschlossen erscheint,
ohne Englands Mitwirkung als unser Gegner geführt werden sollte. Auch
dieses Land ist für uns sehr ungünstig gelegen, da es unsere Schiffahrtswege,
soweit sie durch den Ärmelkanal führen, flankiert und weiterhin sehr vorteilhafte
Stützpunkte im Mittelmeer besitzt, von denen aus unser dieses Gewässer
passierender Verkehr stark gestört werden kann. Frankreich verfügt ferner über
zahlreiche, für den Kreuzerkrieg gut geeignete Streitkräfte, aber nur über eine
verhältnismäßig schwache Linienschiffsflotte.

Hieraus folgt, daß es uns gegenüber auf die Maßregel der Blockade ver¬
zichten muß, da ihm das hierzu nötige Mittel, die überlegene Schlachtflotte
fehlt. Es würde voraussichtlich den Handelskrieg mit seinen Kreuzern haupt¬
sächlich im Kanal und im Mittelmeer betreiben. Demgegenüber aber könnten
wahrscheinlich wir die Maßregel mit Vorteil ergreifen, die England in seinen
früheren Kriegen mit gutem Erfolg angewendet hat: Aufsuchen der Linienschiffs¬
geschwader zwecks eines entscheidenden Kampfes oder ihre Blockierung in ihren
Häfen. Die feindlichen Panzerkreuzer wären ebenfalls, soweit unsere Streit¬
kräfte noch ausreichen, durch Blockade festzulegen. Unsere Armee hätte, sieg¬
reiches Vordringen vorausgesetzt, darauf Rücksicht zu nehmen, daß sie allmählich
die Küstenplätze und Kriegshafen in ihre Gewalt bekäme, so daß unsere, daselbst
für die Blockade benutzten Fahrzeuge sür die Absperrung der bisher aus Mangel
an Streitkräften unberücksichtigt gebliebenen Häfen frei würden. Da die sämt¬
lichen französischen Kreuzer verhältnismäßig alt sind, würden sie, wenn einmal
zum Kampfe gestellt, auch nicht allzuschwer zur Strecke zu bringen sein.

Bis auf diese Weise der Ärmelkanal von feindlichen Kreuzern gesäubert
wäre, könnte unser Handel den zwar weiteren, aber weniger bedrohten Weg
Nördlich um Schottland herum benutzen; und so lange die Gefahrzone im
Mittelmeer nicht beseitigt ist, nach dem Stillen und Indischen Ozean den Weg,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/375>, abgerufen am 03.07.2024.