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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Innere Kolonisation!

Gesetzgebung ermöglicht werden. Fruchtbare, zum Gemüsebau und zur Garten¬
kultur besonders geeignete Gegenden sollten durch den Städtebau und die Industrie
ebensowenig in Steinwüsten umgewandelt, wie durch den reichen Grundbesitzer für
Jagdliebhabereien mit Beschlag belegt werden dürfen. Dorthin gehört der Bauer
und der städtische Kleinbürger, der Kohl bauen und Obst und Gemüse ziehen will.
Umgekehrt soll man nicht unfruchtbare Gegenden, wie die TuchelerHeide.Lüneburger
Heide, Gebirge, den kleinen Stellenbesitzern überlassen, die auf ihnen nicht leben
und nicht sterben können, weil sie nicht das Kapital und die großen kapitalistischen
Organisationen zur Verfügung haben, die notwendig sind, um Heideland nach
großen Gesichtspunkten zu bewässern, die Moorgebiete systematisch zu entwässern
und die Gebirge gangbar zu machen. Der Moorkultur hat sich bei uns der
Staat bemächtigt. Das ist erfreulich. Ob er aber glücklich handelt, wenn er
schon bald an die Aufteilung der Moore an Bauern schreitet, vermag ich nicht
zu entscheiden. Immerhin scheint es mir wirtschaftlicher zu sein, und es
hätte wohl auch manche Enttäuschung erspart, wenn die großen Moor¬
gebiete zunächst einmal durch den landwirtschaftlichen Großbetrieb für die
Gras- und Viehwirtschaft bearbeitet würden. Zum mindesten wäre den
Gesundheitsverhältnissen der Bevölkerung besser Rechnung getragen. Der Wald
bildet unzweifelhaft die Domäne des Großgrundbesitzes, und man soll auch nicht
versuchen, daran etwas ändern zu wollen, obwohl der Städter sich im Sommer
dadurch gekränkt fühlt, wenn man ihn ans den großen Privatforsten mit
reichen Wildbeständen ausweist. Die Gelbensander Forsten, oder die des Grafen
Schaffgotsch und noch manche andere, bergen so viel Kulturfaktoren, daß man
schon das Opfer bringen muß, das in der Entsagung liegt, in solchen Wäldern
nicht streifen zu dürfen.

Im übrigen müßte es Prinzip sein und dafür können alle Parteien ohne
Unterschied der Weltanschauung eintreten, daß jeder Städter, der sich ein paar
hundert Mark erspart hat, in den Stand gesetzt werden könnte, sich ein Gütchen,
und seien es zwei Morgen, zu kaufen, und daß mau alle Verhältnisse daraufhin
prüfen sollte, ob sie dem tatsächlich vorhandenen Bedürfnis der Städter, aufs
Land herauszukommen, Fesseln auferlegen oder nicht. Wer sich einmal der
Mühe unterziehen wollte, die preußische Verwältungsgesetzgebung und die Bau¬
polizeivorschriften daraufhin durchzusehen, würde finden, wie viel bei einigem
guten Willen erleichtert werden könnte, ohne auch nur ein Titelchen von seinem
Parteistandpunkte abweichen zu brauchen. Haben wir erst deutsche Menschen
draußen, dann wird sich auch die Landarbeiterfrage regeln und zwar ohne unser
G. Li, Zutun!




Innere Kolonisation!

Gesetzgebung ermöglicht werden. Fruchtbare, zum Gemüsebau und zur Garten¬
kultur besonders geeignete Gegenden sollten durch den Städtebau und die Industrie
ebensowenig in Steinwüsten umgewandelt, wie durch den reichen Grundbesitzer für
Jagdliebhabereien mit Beschlag belegt werden dürfen. Dorthin gehört der Bauer
und der städtische Kleinbürger, der Kohl bauen und Obst und Gemüse ziehen will.
Umgekehrt soll man nicht unfruchtbare Gegenden, wie die TuchelerHeide.Lüneburger
Heide, Gebirge, den kleinen Stellenbesitzern überlassen, die auf ihnen nicht leben
und nicht sterben können, weil sie nicht das Kapital und die großen kapitalistischen
Organisationen zur Verfügung haben, die notwendig sind, um Heideland nach
großen Gesichtspunkten zu bewässern, die Moorgebiete systematisch zu entwässern
und die Gebirge gangbar zu machen. Der Moorkultur hat sich bei uns der
Staat bemächtigt. Das ist erfreulich. Ob er aber glücklich handelt, wenn er
schon bald an die Aufteilung der Moore an Bauern schreitet, vermag ich nicht
zu entscheiden. Immerhin scheint es mir wirtschaftlicher zu sein, und es
hätte wohl auch manche Enttäuschung erspart, wenn die großen Moor¬
gebiete zunächst einmal durch den landwirtschaftlichen Großbetrieb für die
Gras- und Viehwirtschaft bearbeitet würden. Zum mindesten wäre den
Gesundheitsverhältnissen der Bevölkerung besser Rechnung getragen. Der Wald
bildet unzweifelhaft die Domäne des Großgrundbesitzes, und man soll auch nicht
versuchen, daran etwas ändern zu wollen, obwohl der Städter sich im Sommer
dadurch gekränkt fühlt, wenn man ihn ans den großen Privatforsten mit
reichen Wildbeständen ausweist. Die Gelbensander Forsten, oder die des Grafen
Schaffgotsch und noch manche andere, bergen so viel Kulturfaktoren, daß man
schon das Opfer bringen muß, das in der Entsagung liegt, in solchen Wäldern
nicht streifen zu dürfen.

Im übrigen müßte es Prinzip sein und dafür können alle Parteien ohne
Unterschied der Weltanschauung eintreten, daß jeder Städter, der sich ein paar
hundert Mark erspart hat, in den Stand gesetzt werden könnte, sich ein Gütchen,
und seien es zwei Morgen, zu kaufen, und daß mau alle Verhältnisse daraufhin
prüfen sollte, ob sie dem tatsächlich vorhandenen Bedürfnis der Städter, aufs
Land herauszukommen, Fesseln auferlegen oder nicht. Wer sich einmal der
Mühe unterziehen wollte, die preußische Verwältungsgesetzgebung und die Bau¬
polizeivorschriften daraufhin durchzusehen, würde finden, wie viel bei einigem
guten Willen erleichtert werden könnte, ohne auch nur ein Titelchen von seinem
Parteistandpunkte abweichen zu brauchen. Haben wir erst deutsche Menschen
draußen, dann wird sich auch die Landarbeiterfrage regeln und zwar ohne unser
G. Li, Zutun!




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[0360] Innere Kolonisation! Gesetzgebung ermöglicht werden. Fruchtbare, zum Gemüsebau und zur Garten¬ kultur besonders geeignete Gegenden sollten durch den Städtebau und die Industrie ebensowenig in Steinwüsten umgewandelt, wie durch den reichen Grundbesitzer für Jagdliebhabereien mit Beschlag belegt werden dürfen. Dorthin gehört der Bauer und der städtische Kleinbürger, der Kohl bauen und Obst und Gemüse ziehen will. Umgekehrt soll man nicht unfruchtbare Gegenden, wie die TuchelerHeide.Lüneburger Heide, Gebirge, den kleinen Stellenbesitzern überlassen, die auf ihnen nicht leben und nicht sterben können, weil sie nicht das Kapital und die großen kapitalistischen Organisationen zur Verfügung haben, die notwendig sind, um Heideland nach großen Gesichtspunkten zu bewässern, die Moorgebiete systematisch zu entwässern und die Gebirge gangbar zu machen. Der Moorkultur hat sich bei uns der Staat bemächtigt. Das ist erfreulich. Ob er aber glücklich handelt, wenn er schon bald an die Aufteilung der Moore an Bauern schreitet, vermag ich nicht zu entscheiden. Immerhin scheint es mir wirtschaftlicher zu sein, und es hätte wohl auch manche Enttäuschung erspart, wenn die großen Moor¬ gebiete zunächst einmal durch den landwirtschaftlichen Großbetrieb für die Gras- und Viehwirtschaft bearbeitet würden. Zum mindesten wäre den Gesundheitsverhältnissen der Bevölkerung besser Rechnung getragen. Der Wald bildet unzweifelhaft die Domäne des Großgrundbesitzes, und man soll auch nicht versuchen, daran etwas ändern zu wollen, obwohl der Städter sich im Sommer dadurch gekränkt fühlt, wenn man ihn ans den großen Privatforsten mit reichen Wildbeständen ausweist. Die Gelbensander Forsten, oder die des Grafen Schaffgotsch und noch manche andere, bergen so viel Kulturfaktoren, daß man schon das Opfer bringen muß, das in der Entsagung liegt, in solchen Wäldern nicht streifen zu dürfen. Im übrigen müßte es Prinzip sein und dafür können alle Parteien ohne Unterschied der Weltanschauung eintreten, daß jeder Städter, der sich ein paar hundert Mark erspart hat, in den Stand gesetzt werden könnte, sich ein Gütchen, und seien es zwei Morgen, zu kaufen, und daß mau alle Verhältnisse daraufhin prüfen sollte, ob sie dem tatsächlich vorhandenen Bedürfnis der Städter, aufs Land herauszukommen, Fesseln auferlegen oder nicht. Wer sich einmal der Mühe unterziehen wollte, die preußische Verwältungsgesetzgebung und die Bau¬ polizeivorschriften daraufhin durchzusehen, würde finden, wie viel bei einigem guten Willen erleichtert werden könnte, ohne auch nur ein Titelchen von seinem Parteistandpunkte abweichen zu brauchen. Haben wir erst deutsche Menschen draußen, dann wird sich auch die Landarbeiterfrage regeln und zwar ohne unser G. Li, Zutun!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/360>, abgerufen am 01.07.2024.