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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Einfluß der Religion ersetzen?
Prozente der sozial-
demokratischen StimmenStraffälligkeit
PfalzS,324,71440 1816
Westfalen2,723,7633 1091
Rheinland7,01!1.ö673 1270
Berlin34,866,21216 1522
Seht.-Holstein17,938,9602 943
Meckl.-schweren3,134.3643 1042
Oldenburg3,327,1635 1016
Meckl,-Strelitz0,429,9690 9S6

Und endlich zeigen Gegenden mit geringer Verbreitung der Sozialdemokratie
sinkende Straffälligkeit, wie Ostpreußen, wo letztere von 1655 auf 1523, West¬
preußen, wo sie von 1538 auf 1437, Posen, wo sie von 1679 auf 1449,
Hohenzollern (541 bis 530) fiel. Es ergibt sich also unzweifelhaft, daß zunächst
die allgemeine Straffälligkeit mit dem Wachsen der Sozialdemokratie keineswegs
allgemein, sondern nur in wenigen Bezirken gesunken ist, in viel mehr Bezirken
dagegen ist sie zugleich stark angewachsen, so daß überhaupt ein Einfluß der Sozial¬
demokratie auf die Straffälligkeit nicht festzustellen ist. Hierbei ist auf die Art
und Schwere der Straftaten zunächst keine Rücksicht genommen.

Aber es wird ja gesagt, die "groben Delikte" seien weit seltener in den
Bezirken, wo die sozialdemokratischen Anschauungen am meisten Verbreitung
gefunden haben. Nicht für alle, sondern nur sür eine sehr beschränkte Zahl
wichtiger, häufig vorkommender Straftaten gibt es nun eine für alle Teile des
Reiches gleichmäßige Berechnung. Auch diese zeigt aber den Mangel auf, daß
für 1883/87 zwischen einfachen und schweren Diebstählen nicht unterschieden
wird. Die folgende Tabelle kann diesen Unterschied also nur für die Jahre
1903/07 angeben. Es kamen auf je hunderttausend strafmündige Personen
Bestrafte wegen

Diebstahl
Gewalt u, Drohung gefährlicher eins. u. ^
in gegen Beamte Körperverletzung schwer. , /
1883/87 1903/07 1883/87 1903/07 1883/87 1903/07 1883/871903/07
Deutschland3941153228232206334161
Preußen4142145219296215353249
Ostpreußen4944189323565284352947
Westpreußen6351244316557317362938
Berlin683678131329283525773
Brandenburg6133102180286206363942
Pommern3635156228247193302337
Posen4638265327624306323334
Schlesien5850167265383257333658
Sachsen3229110139234200313643
Seht.-Holstein454661107171177323140
Hannover2128116148137163283954
Westfalen2341132235135174322144
Hessen-Nassau4134109161219141274047

Grenzboten III191240
Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Einfluß der Religion ersetzen?
Prozente der sozial-
demokratischen StimmenStraffälligkeit
PfalzS,324,71440 1816
Westfalen2,723,7633 1091
Rheinland7,01!1.ö673 1270
Berlin34,866,21216 1522
Seht.-Holstein17,938,9602 943
Meckl.-schweren3,134.3643 1042
Oldenburg3,327,1635 1016
Meckl,-Strelitz0,429,9690 9S6

Und endlich zeigen Gegenden mit geringer Verbreitung der Sozialdemokratie
sinkende Straffälligkeit, wie Ostpreußen, wo letztere von 1655 auf 1523, West¬
preußen, wo sie von 1538 auf 1437, Posen, wo sie von 1679 auf 1449,
Hohenzollern (541 bis 530) fiel. Es ergibt sich also unzweifelhaft, daß zunächst
die allgemeine Straffälligkeit mit dem Wachsen der Sozialdemokratie keineswegs
allgemein, sondern nur in wenigen Bezirken gesunken ist, in viel mehr Bezirken
dagegen ist sie zugleich stark angewachsen, so daß überhaupt ein Einfluß der Sozial¬
demokratie auf die Straffälligkeit nicht festzustellen ist. Hierbei ist auf die Art
und Schwere der Straftaten zunächst keine Rücksicht genommen.

Aber es wird ja gesagt, die „groben Delikte" seien weit seltener in den
Bezirken, wo die sozialdemokratischen Anschauungen am meisten Verbreitung
gefunden haben. Nicht für alle, sondern nur sür eine sehr beschränkte Zahl
wichtiger, häufig vorkommender Straftaten gibt es nun eine für alle Teile des
Reiches gleichmäßige Berechnung. Auch diese zeigt aber den Mangel auf, daß
für 1883/87 zwischen einfachen und schweren Diebstählen nicht unterschieden
wird. Die folgende Tabelle kann diesen Unterschied also nur für die Jahre
1903/07 angeben. Es kamen auf je hunderttausend strafmündige Personen
Bestrafte wegen

Diebstahl
Gewalt u, Drohung gefährlicher eins. u. ^
in gegen Beamte Körperverletzung schwer. , /
1883/87 1903/07 1883/87 1903/07 1883/87 1903/07 1883/871903/07
Deutschland3941153228232206334161
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[0321] Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Einfluß der Religion ersetzen? Prozente der sozial- demokratischen StimmenStraffälligkeit PfalzS,324,71440 1816 Westfalen2,723,7633 1091 Rheinland7,01!1.ö673 1270 Berlin34,866,21216 1522 Seht.-Holstein17,938,9602 943 Meckl.-schweren3,134.3643 1042 Oldenburg3,327,1635 1016 Meckl,-Strelitz0,429,9690 9S6 Und endlich zeigen Gegenden mit geringer Verbreitung der Sozialdemokratie sinkende Straffälligkeit, wie Ostpreußen, wo letztere von 1655 auf 1523, West¬ preußen, wo sie von 1538 auf 1437, Posen, wo sie von 1679 auf 1449, Hohenzollern (541 bis 530) fiel. Es ergibt sich also unzweifelhaft, daß zunächst die allgemeine Straffälligkeit mit dem Wachsen der Sozialdemokratie keineswegs allgemein, sondern nur in wenigen Bezirken gesunken ist, in viel mehr Bezirken dagegen ist sie zugleich stark angewachsen, so daß überhaupt ein Einfluß der Sozial¬ demokratie auf die Straffälligkeit nicht festzustellen ist. Hierbei ist auf die Art und Schwere der Straftaten zunächst keine Rücksicht genommen. Aber es wird ja gesagt, die „groben Delikte" seien weit seltener in den Bezirken, wo die sozialdemokratischen Anschauungen am meisten Verbreitung gefunden haben. Nicht für alle, sondern nur sür eine sehr beschränkte Zahl wichtiger, häufig vorkommender Straftaten gibt es nun eine für alle Teile des Reiches gleichmäßige Berechnung. Auch diese zeigt aber den Mangel auf, daß für 1883/87 zwischen einfachen und schweren Diebstählen nicht unterschieden wird. Die folgende Tabelle kann diesen Unterschied also nur für die Jahre 1903/07 angeben. Es kamen auf je hunderttausend strafmündige Personen Bestrafte wegen Diebstahl Gewalt u, Drohung gefährlicher eins. u. ^ in gegen Beamte Körperverletzung schwer. , / 1883/87 1903/07 1883/87 1903/07 1883/87 1903/07 1883/871903/07 Deutschland3941153228232206334161 Preußen4142145219296215353249 Ostpreußen4944189323565284352947 Westpreußen6351244316557317362938 Berlin683678131329283525773 Brandenburg6133102180286206363942 Pommern3635156228247193302337 Posen4638265327624306323334 Schlesien5850167265383257333658 Sachsen3229110139234200313643 Seht.-Holstein454661107171177323140 Hannover2128116148137163283954 Westfalen2341132235135174322144 Hessen-Nassau4134109161219141274047 Grenzboten III191240

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/321>, abgerufen am 22.07.2024.