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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Bremen

eigen werden muß, die seit Jahrhunderten im Kampfe mit den Gefahren der
Seefahrt gestählt ist, nur die Seerabe schlechtweg in die Rechnung einsetzen
dürfen, und auch dies nicht ganz ohne Vorbehalt. Mit den früher gebräuch¬
lichen kleinen Fahrzeugen konnte man auch auf der seichten, in ungeregelten!
Lauf dahinfließenden, von zahllosen Sandbänken durchsetzten Weser Bremen
erreichen. Der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzende Eisenschiffbau,
welcher die Herstellung von Schiffsgefäßen in bedeutend größeren Abmessungen
und damit erhöhten: Tiefgang erlaubte, drohte Bremen die Verbindung mit der See
zu nehmen, und seinen Seehandel in solchem Umfange zu schädigen, daß dies
einer Vernichtung fast gleich kam. Gerade der Umstand also, welcher neben der
Erfindung der Dampfmaschine den einer ungewohnten Entwicklung entgegen¬
gehenden Welthandel mit Massengütern erst möglich machte, der Bau von Schiff¬
gefäßen hoher Seefestigkeit und außerordentlicher Größe, drohte dem Handel
Bremens verhängnisvoll zu werden. Nur das entschlossene Eingreifen, die
Voraussicht und Tüchtigkeit Bremer Männer, die Opferbereitschaft der Bevölkerung
vermochten das Unheil abzuwenden. Oberbaudirektor Franzius, dessen Name
weit über die Grenzen Bremens hinaus bekannt ist, hat sich durch sein geniales
Lebenswerk, die 1837 begonnene und 1894 vollendete Korrektion der Unter¬
weser und durch die Schaffung der Hafenanlagen in Bremen, unvergängliche
Verdienste um Bremen erworben. Sein Werk bildet die notwendige Ergänzung
der Arbeit des Bremer Bürgermeisters Smidt, der durch die Anlage der
70 Kilometer unterhalb Bremens und 50 Kilometer von der offenen See
gelegenen Stadt Bremerhaven Bremen einen eigenen Seehafen verschafft hatte.

Zu den gewissermaßen natürlichen Schwierigkeiten kamen und kommen für
Bremen politische und wirtschaftliche. Schon die Durchführung der Korrektion
hatte neben der Lösung technischer Fragen die Aufwendung bedeutender Kosten
und die Beseitigung des im wesentlichen wirtschaftspolitischen Widerstandes der
Nachbarstaaten Preußen und Oldenburg erfordert. Wir sehen hier wohl zuni
ersten Male, wie die eigenartige politische Lage Bremens als selbständiger
deutscher Bundesstaat seine Entwicklung hindert, es zum Teil von dem Wohl¬
wollen der Nachbarn abhängig macht, ihm allein Kosten auferlegt für Arbeiten
und Anlagen, welche auch der Allgemeinheit, insbesondere eben diesen Nachbarn,
zugute kommen. Die Bremer Staatsschuld ist infolge der gewaltigen Auf¬
wendungen, die Bremen für die Sicherstellung seines Seeverkehrs machen mußte,
außerordentlich angeschwollen; sie hat sich in den letzten dreizehn Jahren ver¬
doppelt und betrug am 1. April 1911 rund 263 Millionen Mark. Dabei
erfordern der weitere Ausbau der Hafenanlagen, Baggerarbeiten auf der
Weser usw. auch in Zukunft die Bereitstellung großer Mittel, und der noch
immer wachsende Tiefgang auch der reinen Frachtschiffe macht eine weitere
Vertiefung der Weser nötig.

Im Jahre 1910 verteilten sich die auf der Unterweser für bremische
Rechnung angekommenen Schiffe auf die einzelnen Plätze wie folgt:


Bremen

eigen werden muß, die seit Jahrhunderten im Kampfe mit den Gefahren der
Seefahrt gestählt ist, nur die Seerabe schlechtweg in die Rechnung einsetzen
dürfen, und auch dies nicht ganz ohne Vorbehalt. Mit den früher gebräuch¬
lichen kleinen Fahrzeugen konnte man auch auf der seichten, in ungeregelten!
Lauf dahinfließenden, von zahllosen Sandbänken durchsetzten Weser Bremen
erreichen. Der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einsetzende Eisenschiffbau,
welcher die Herstellung von Schiffsgefäßen in bedeutend größeren Abmessungen
und damit erhöhten: Tiefgang erlaubte, drohte Bremen die Verbindung mit der See
zu nehmen, und seinen Seehandel in solchem Umfange zu schädigen, daß dies
einer Vernichtung fast gleich kam. Gerade der Umstand also, welcher neben der
Erfindung der Dampfmaschine den einer ungewohnten Entwicklung entgegen¬
gehenden Welthandel mit Massengütern erst möglich machte, der Bau von Schiff¬
gefäßen hoher Seefestigkeit und außerordentlicher Größe, drohte dem Handel
Bremens verhängnisvoll zu werden. Nur das entschlossene Eingreifen, die
Voraussicht und Tüchtigkeit Bremer Männer, die Opferbereitschaft der Bevölkerung
vermochten das Unheil abzuwenden. Oberbaudirektor Franzius, dessen Name
weit über die Grenzen Bremens hinaus bekannt ist, hat sich durch sein geniales
Lebenswerk, die 1837 begonnene und 1894 vollendete Korrektion der Unter¬
weser und durch die Schaffung der Hafenanlagen in Bremen, unvergängliche
Verdienste um Bremen erworben. Sein Werk bildet die notwendige Ergänzung
der Arbeit des Bremer Bürgermeisters Smidt, der durch die Anlage der
70 Kilometer unterhalb Bremens und 50 Kilometer von der offenen See
gelegenen Stadt Bremerhaven Bremen einen eigenen Seehafen verschafft hatte.

Zu den gewissermaßen natürlichen Schwierigkeiten kamen und kommen für
Bremen politische und wirtschaftliche. Schon die Durchführung der Korrektion
hatte neben der Lösung technischer Fragen die Aufwendung bedeutender Kosten
und die Beseitigung des im wesentlichen wirtschaftspolitischen Widerstandes der
Nachbarstaaten Preußen und Oldenburg erfordert. Wir sehen hier wohl zuni
ersten Male, wie die eigenartige politische Lage Bremens als selbständiger
deutscher Bundesstaat seine Entwicklung hindert, es zum Teil von dem Wohl¬
wollen der Nachbarn abhängig macht, ihm allein Kosten auferlegt für Arbeiten
und Anlagen, welche auch der Allgemeinheit, insbesondere eben diesen Nachbarn,
zugute kommen. Die Bremer Staatsschuld ist infolge der gewaltigen Auf¬
wendungen, die Bremen für die Sicherstellung seines Seeverkehrs machen mußte,
außerordentlich angeschwollen; sie hat sich in den letzten dreizehn Jahren ver¬
doppelt und betrug am 1. April 1911 rund 263 Millionen Mark. Dabei
erfordern der weitere Ausbau der Hafenanlagen, Baggerarbeiten auf der
Weser usw. auch in Zukunft die Bereitstellung großer Mittel, und der noch
immer wachsende Tiefgang auch der reinen Frachtschiffe macht eine weitere
Vertiefung der Weser nötig.

Im Jahre 1910 verteilten sich die auf der Unterweser für bremische
Rechnung angekommenen Schiffe auf die einzelnen Plätze wie folgt:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/306>, abgerufen am 01.07.2024.