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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

gewisse Grenzen gezogen sind und daß eine künstliche mit den Mitteln der Speku¬
lation und Kreditüberspannung geförderte Werterhöhung keinen Bestand hat und
bei ungünstigen allgemeinen Verhältnissen zusammenbrechen muß. In Berlin ist
auf dem Grundstücksmarkte viel gesündigt worden, es wird nunmehr hart gebüßt
werden, leider haben nun die Büßer nicht sowohl für eigene als für fremde
Sünden auszukommen.

Die Börse war unter dem Einfluß der günstigen Gestaltung der allgemeinen
wirtschaftlichen Verhältnisse recht angeregt und von fester Tendenz. Namentlich
die Montanpapiere rückten in den Vordergrund. Die Quartalsausweise der
Kohlenindustrie ergaben für das zweite Vierteljahr ein geradezu überraschendes
Resultat. Die durch den Streik hervorgerufene Einbuße des ersten Quartals ist
nicht nur eingeholt, sondern einem starken Aufschnellen des Gewinns gewichen.
Der Anschluß des preußischen Fiskus an das Kohlensyndikat fängt jetzt an, seine
Folgen zu tragen. Die Herabsetzung der Umlagequote von 12 auf 9 Prozent,
welche das Syndikat kürzlich vorgenommen hat, bedeutet eine starke Vermehrung
des Reingewinns auch ohne Preissteigerung. Vermutlich wird die letztere aber
nicht lange auf sich warten lassen. Unter diesen Umständen ist erklärlich, wenn
die Börse plötzlich von einem gewissen Enthusiasmus für Kohlenwerke ergriffen
wurde. Doch ist bemerkenswert, daß die Bewegungen sich nur innerhalb der
berufsmäßigen Spekulation vollzogen und eine Teilnahme des größeren Publikums
ausblieb. Es fehlte der Hauffe daher die nachhaltige Kraft. Man müßte auch
einer neu inszenierten Aufwärtsbewegung skeptisch gegenüberstehen und könnte nicht




Reichsspiegel

gewisse Grenzen gezogen sind und daß eine künstliche mit den Mitteln der Speku¬
lation und Kreditüberspannung geförderte Werterhöhung keinen Bestand hat und
bei ungünstigen allgemeinen Verhältnissen zusammenbrechen muß. In Berlin ist
auf dem Grundstücksmarkte viel gesündigt worden, es wird nunmehr hart gebüßt
werden, leider haben nun die Büßer nicht sowohl für eigene als für fremde
Sünden auszukommen.

Die Börse war unter dem Einfluß der günstigen Gestaltung der allgemeinen
wirtschaftlichen Verhältnisse recht angeregt und von fester Tendenz. Namentlich
die Montanpapiere rückten in den Vordergrund. Die Quartalsausweise der
Kohlenindustrie ergaben für das zweite Vierteljahr ein geradezu überraschendes
Resultat. Die durch den Streik hervorgerufene Einbuße des ersten Quartals ist
nicht nur eingeholt, sondern einem starken Aufschnellen des Gewinns gewichen.
Der Anschluß des preußischen Fiskus an das Kohlensyndikat fängt jetzt an, seine
Folgen zu tragen. Die Herabsetzung der Umlagequote von 12 auf 9 Prozent,
welche das Syndikat kürzlich vorgenommen hat, bedeutet eine starke Vermehrung
des Reingewinns auch ohne Preissteigerung. Vermutlich wird die letztere aber
nicht lange auf sich warten lassen. Unter diesen Umständen ist erklärlich, wenn
die Börse plötzlich von einem gewissen Enthusiasmus für Kohlenwerke ergriffen
wurde. Doch ist bemerkenswert, daß die Bewegungen sich nur innerhalb der
berufsmäßigen Spekulation vollzogen und eine Teilnahme des größeren Publikums
ausblieb. Es fehlte der Hauffe daher die nachhaltige Kraft. Man müßte auch
einer neu inszenierten Aufwärtsbewegung skeptisch gegenüberstehen und könnte nicht




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[0303] Reichsspiegel gewisse Grenzen gezogen sind und daß eine künstliche mit den Mitteln der Speku¬ lation und Kreditüberspannung geförderte Werterhöhung keinen Bestand hat und bei ungünstigen allgemeinen Verhältnissen zusammenbrechen muß. In Berlin ist auf dem Grundstücksmarkte viel gesündigt worden, es wird nunmehr hart gebüßt werden, leider haben nun die Büßer nicht sowohl für eigene als für fremde Sünden auszukommen. Die Börse war unter dem Einfluß der günstigen Gestaltung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse recht angeregt und von fester Tendenz. Namentlich die Montanpapiere rückten in den Vordergrund. Die Quartalsausweise der Kohlenindustrie ergaben für das zweite Vierteljahr ein geradezu überraschendes Resultat. Die durch den Streik hervorgerufene Einbuße des ersten Quartals ist nicht nur eingeholt, sondern einem starken Aufschnellen des Gewinns gewichen. Der Anschluß des preußischen Fiskus an das Kohlensyndikat fängt jetzt an, seine Folgen zu tragen. Die Herabsetzung der Umlagequote von 12 auf 9 Prozent, welche das Syndikat kürzlich vorgenommen hat, bedeutet eine starke Vermehrung des Reingewinns auch ohne Preissteigerung. Vermutlich wird die letztere aber nicht lange auf sich warten lassen. Unter diesen Umständen ist erklärlich, wenn die Börse plötzlich von einem gewissen Enthusiasmus für Kohlenwerke ergriffen wurde. Doch ist bemerkenswert, daß die Bewegungen sich nur innerhalb der berufsmäßigen Spekulation vollzogen und eine Teilnahme des größeren Publikums ausblieb. Es fehlte der Hauffe daher die nachhaltige Kraft. Man müßte auch einer neu inszenierten Aufwärtsbewegung skeptisch gegenüberstehen und könnte nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/303>, abgerufen am 03.07.2024.