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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Uley

Wieschen rückte von ihr ab, weil die Berührung sie ekelte, dann wieder
streckte sie ihr die Hand hin, wie um Verzeihungbitten. Jelde wurde mißtrauisch
und Wieschen entschuldigte sich mit einen:: "Mir ist ganz wirr im Kopf."

"Ja," meinte Jelde, die ein wenig gereizt war durch das Wesen des Mädchens,
"anders magst du schon denken jetzt als früher, möchtest sonst ums Leben nicht
zum Tanzen ausgehen."

Nach Mittag war der Florentin zur Stadt hinaus gewesen und kam in
heiterer Erregung zurück. Er sei wie in Feststimmung, sagte er zu Wieschen.
Er habe Einkauf gemacht in der Stadt, und solches habe er in seinem Leben
noch nicht gekauft, aber er verwahre es bis an den Abend, wo die Braut sich
zum Balle geschmückt hätte. -- Und ein Kuchenherz habe er ihr auf Kirmes gekauft.

Er gab ihr das rote Herz, welches wie ein Heimatherz war, es kam keine
Kirmes in die stillen Berge, diese Kuchenform und Art war das Herz der Kirmes
selber. Wieschen lachte flüchtig, aber glücklich und dankbar. Sie hatte oft als
Kind vor den Kirmesbuden gestanden und verlangend nach diesen Herzen gesehen,
wie man sich sehnt, ein Herz voll Liebe zum Geschenk zu nehmen. Sie hatte
aber eine harte Kindheit gehabt, und der Wunsch war ihr versagt geblieben.
So kam ihr eine köstliche Kinderfreude an diesem Tage, wo die Gedanken ihr
schwer im Kopf waren wie Steine, welche sich gegen ihre Stirn wälzten, daß
es schmerzte.

Abends, als sie sich auf ihrer Stube zum Fest ankleidete, kam Jelde ihr
nach, klopfte an ihre Tür und ließ sich wie eine Dienerin das Herein sagen,
saß dann unterwürfig auf einer Stuhlkante und bat, dem Mädchen das Kleid
schließen zu dürfen. Sie wolle nun gut machen von vorhin, sagte sie, sie
freue sich, daß das Wieschen einmal ausgehe zum Tanz und sich zeige, es, das
Beimädchen der Jelde Kamp als des Florentin Braut. Wie sie ihr aber beim
Kleiderschließen im Rücken stand, sagte sie heimlich und mit Schärfe: "Sieh nur
zu, daß du den Kiep heute Nacht mit heimkriegst, sie ist nun mal ein Voß, die
Regime --"

Wieschen lachte fremd, aber so Siegesfest, daß ihre Gestalt dabei aufwuchs
und Jelde sich recken mußte, wie sie ihr das Halsbord schloß. "Daß ich ihn
auch mit Heimkrieg', den Florentini"

Wieschen nahm ihr Arbeitskleid und brachte es an den Wandnagel, sie
hielt es länger in der Hand als nötig war, so, als trenne sie sich schwer von
eben diesem Kleide. Sie trug nun das weiße und sah mit der Blässe ihres
Gesichtes und mit dem Totenhaften des Kleides wie entseelt aus. Jelde griff
nach einer Blume, um das Mädchen freundlicher zu machen, es stand aber
heute nur die Geranie auf der Fensterbank, und Wieschen fiel ihr in den Arm:
"Sie paßt nicht, sie ist zu weiß --" Und als Jelde abließ, zitterten dem
Mädchen die Hände.

Wie schwer waren ihr die Gedanken im Kopf, aber sie war doch ganz bei
Sinnen und wußte, die feine weiße Geranie passe nicht zu ihr.


Die Blumen des Florentin Uley

Wieschen rückte von ihr ab, weil die Berührung sie ekelte, dann wieder
streckte sie ihr die Hand hin, wie um Verzeihungbitten. Jelde wurde mißtrauisch
und Wieschen entschuldigte sich mit einen:: „Mir ist ganz wirr im Kopf."

„Ja," meinte Jelde, die ein wenig gereizt war durch das Wesen des Mädchens,
„anders magst du schon denken jetzt als früher, möchtest sonst ums Leben nicht
zum Tanzen ausgehen."

Nach Mittag war der Florentin zur Stadt hinaus gewesen und kam in
heiterer Erregung zurück. Er sei wie in Feststimmung, sagte er zu Wieschen.
Er habe Einkauf gemacht in der Stadt, und solches habe er in seinem Leben
noch nicht gekauft, aber er verwahre es bis an den Abend, wo die Braut sich
zum Balle geschmückt hätte. — Und ein Kuchenherz habe er ihr auf Kirmes gekauft.

Er gab ihr das rote Herz, welches wie ein Heimatherz war, es kam keine
Kirmes in die stillen Berge, diese Kuchenform und Art war das Herz der Kirmes
selber. Wieschen lachte flüchtig, aber glücklich und dankbar. Sie hatte oft als
Kind vor den Kirmesbuden gestanden und verlangend nach diesen Herzen gesehen,
wie man sich sehnt, ein Herz voll Liebe zum Geschenk zu nehmen. Sie hatte
aber eine harte Kindheit gehabt, und der Wunsch war ihr versagt geblieben.
So kam ihr eine köstliche Kinderfreude an diesem Tage, wo die Gedanken ihr
schwer im Kopf waren wie Steine, welche sich gegen ihre Stirn wälzten, daß
es schmerzte.

Abends, als sie sich auf ihrer Stube zum Fest ankleidete, kam Jelde ihr
nach, klopfte an ihre Tür und ließ sich wie eine Dienerin das Herein sagen,
saß dann unterwürfig auf einer Stuhlkante und bat, dem Mädchen das Kleid
schließen zu dürfen. Sie wolle nun gut machen von vorhin, sagte sie, sie
freue sich, daß das Wieschen einmal ausgehe zum Tanz und sich zeige, es, das
Beimädchen der Jelde Kamp als des Florentin Braut. Wie sie ihr aber beim
Kleiderschließen im Rücken stand, sagte sie heimlich und mit Schärfe: „Sieh nur
zu, daß du den Kiep heute Nacht mit heimkriegst, sie ist nun mal ein Voß, die
Regime —"

Wieschen lachte fremd, aber so Siegesfest, daß ihre Gestalt dabei aufwuchs
und Jelde sich recken mußte, wie sie ihr das Halsbord schloß. „Daß ich ihn
auch mit Heimkrieg', den Florentini"

Wieschen nahm ihr Arbeitskleid und brachte es an den Wandnagel, sie
hielt es länger in der Hand als nötig war, so, als trenne sie sich schwer von
eben diesem Kleide. Sie trug nun das weiße und sah mit der Blässe ihres
Gesichtes und mit dem Totenhaften des Kleides wie entseelt aus. Jelde griff
nach einer Blume, um das Mädchen freundlicher zu machen, es stand aber
heute nur die Geranie auf der Fensterbank, und Wieschen fiel ihr in den Arm:
„Sie paßt nicht, sie ist zu weiß —" Und als Jelde abließ, zitterten dem
Mädchen die Hände.

Wie schwer waren ihr die Gedanken im Kopf, aber sie war doch ganz bei
Sinnen und wußte, die feine weiße Geranie passe nicht zu ihr.


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[0284] Die Blumen des Florentin Uley Wieschen rückte von ihr ab, weil die Berührung sie ekelte, dann wieder streckte sie ihr die Hand hin, wie um Verzeihungbitten. Jelde wurde mißtrauisch und Wieschen entschuldigte sich mit einen:: „Mir ist ganz wirr im Kopf." „Ja," meinte Jelde, die ein wenig gereizt war durch das Wesen des Mädchens, „anders magst du schon denken jetzt als früher, möchtest sonst ums Leben nicht zum Tanzen ausgehen." Nach Mittag war der Florentin zur Stadt hinaus gewesen und kam in heiterer Erregung zurück. Er sei wie in Feststimmung, sagte er zu Wieschen. Er habe Einkauf gemacht in der Stadt, und solches habe er in seinem Leben noch nicht gekauft, aber er verwahre es bis an den Abend, wo die Braut sich zum Balle geschmückt hätte. — Und ein Kuchenherz habe er ihr auf Kirmes gekauft. Er gab ihr das rote Herz, welches wie ein Heimatherz war, es kam keine Kirmes in die stillen Berge, diese Kuchenform und Art war das Herz der Kirmes selber. Wieschen lachte flüchtig, aber glücklich und dankbar. Sie hatte oft als Kind vor den Kirmesbuden gestanden und verlangend nach diesen Herzen gesehen, wie man sich sehnt, ein Herz voll Liebe zum Geschenk zu nehmen. Sie hatte aber eine harte Kindheit gehabt, und der Wunsch war ihr versagt geblieben. So kam ihr eine köstliche Kinderfreude an diesem Tage, wo die Gedanken ihr schwer im Kopf waren wie Steine, welche sich gegen ihre Stirn wälzten, daß es schmerzte. Abends, als sie sich auf ihrer Stube zum Fest ankleidete, kam Jelde ihr nach, klopfte an ihre Tür und ließ sich wie eine Dienerin das Herein sagen, saß dann unterwürfig auf einer Stuhlkante und bat, dem Mädchen das Kleid schließen zu dürfen. Sie wolle nun gut machen von vorhin, sagte sie, sie freue sich, daß das Wieschen einmal ausgehe zum Tanz und sich zeige, es, das Beimädchen der Jelde Kamp als des Florentin Braut. Wie sie ihr aber beim Kleiderschließen im Rücken stand, sagte sie heimlich und mit Schärfe: „Sieh nur zu, daß du den Kiep heute Nacht mit heimkriegst, sie ist nun mal ein Voß, die Regime —" Wieschen lachte fremd, aber so Siegesfest, daß ihre Gestalt dabei aufwuchs und Jelde sich recken mußte, wie sie ihr das Halsbord schloß. „Daß ich ihn auch mit Heimkrieg', den Florentini" Wieschen nahm ihr Arbeitskleid und brachte es an den Wandnagel, sie hielt es länger in der Hand als nötig war, so, als trenne sie sich schwer von eben diesem Kleide. Sie trug nun das weiße und sah mit der Blässe ihres Gesichtes und mit dem Totenhaften des Kleides wie entseelt aus. Jelde griff nach einer Blume, um das Mädchen freundlicher zu machen, es stand aber heute nur die Geranie auf der Fensterbank, und Wieschen fiel ihr in den Arm: „Sie paßt nicht, sie ist zu weiß —" Und als Jelde abließ, zitterten dem Mädchen die Hände. Wie schwer waren ihr die Gedanken im Kopf, aber sie war doch ganz bei Sinnen und wußte, die feine weiße Geranie passe nicht zu ihr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/284>, abgerufen am 01.07.2024.