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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Llorcntin Uley

Im Dorf ging das Blasen einer Trompete, man hörte es oft abends,
man konnte glauben, es säße ein Einsamer irgendwo und holte sich mit so
einem Liede einen guten Gesellen an die Seite.

Der Dorftrompeter hatte das "Heideröslein" geblasen, einen Choral und
das "Wir beten an die Macht der Liebe". Wieschen legte ihre Hände zurück
auf den Tisch, sie lagen auf der dunklen Platte wie einzeln abgelöste Blätter
von Lilien. Ihre Pulse klopften. Sie fror mit einem leisen Zittern der
Glieder, war innen aber heiß. Sie fühlte das Klopfen ihrer Pulse, meinte es
zu hören, als falle es wie Hammerschlägen auf das Holz des Tisches, und als
baue es an einem schlimmen Werk.

Er habe sich heimgefunden zu ihr, sagte der Florentin. Oft sei ihm
gewesen er bleibe irr, wie er sich irrgelaufen hätte zu der Regime. Aber es
sei nun abgetan. Es sei nur ein Taumel gewesen.

"Wie in der Sonne," fiel ihm Wieschen ein. "Und kommst nun wieder
heim zu deiner Blume, die im Schatten steht." Sie sah ihn an. "Es ist
kühl im Schatten, Florin."

Der Florentin trug noch ein paar Farben her und malte weiter an dem
Bilde, welches sie zu zeichnen angefangen hatte. "Es ist schon so, im Schatten
hast du gestanden. Aber ich habe dich in die Sonne umgepflanzt. Ein paar
Tage hat's dann geschienen, als wollest du mir abwelken --"

"Weil du dich auf die Blumen und deinen ganzen Garten vergessen hast,
Florin." Sie sah ihn mit inniger Seele an, als er sie aber enger umfaßte,
machte sie sich ängstlich los. "Still, Florin, laß mich noch ein paar Tage so
in der Sonne stehen und erst ganz Wurzel haben in dem neuen Land --"

Über dem Garten lag Nebel, und sie sah den Burschen wie durch Ver¬
schleierung an. Er streckte die Hand nach ihr, es war nichts Wildes an ihm
in dieser Stunde, und doch fürchtete sie sich vor ihm. Sie war seiner sicher
geworden mit seinem wiedergewonnenen Besitz, sie vergaß, wie sie ihn begehrt
hatte, so zögerte sie nun. Sie wollte nur das Band noch einmal lockern, ehe
er den Knoten anzog.

"Nur just ein paar Tage," bat sie leise; da ließ er sie.

Es war kein Zauberwesen heute über dem Garten, es war nichts Wildes
heute umgesprungen mit dem Kiep. So sagte er ganz ruhig und voll von
Liebe zu dem Mädchen: "Sinn dich nur erst ganz aus über dich selbst. Es
ist noch nicht das End' aller Tage, und wir können zusammenkommen, wann
es uns beiden paßt." Er strich ihr über Haar und Backe, nahm ihre Hand
und ließ sie wieder los. Sie solle nicht meinen, sagte er noch, er versteife
sich eigensinnig auf eine Idee. Sie solle nicht Angst vor ihm haben. Er sei
nicht alle Abende so, wie er neulich gewesen sei. Es hätte ihn da nur gepackt.
Er meine -- und das halte er aufrecht --, er wolle kein so ein Eiskaltes, wie
das Wieschen neulich eines gewesen wäre, bei dem einen die Gänsehaut über¬
liefe, das hieße, sich bei Sommerzeit eine Verkühlung ins Haus schleppen, an


Die Blumen des Llorcntin Uley

Im Dorf ging das Blasen einer Trompete, man hörte es oft abends,
man konnte glauben, es säße ein Einsamer irgendwo und holte sich mit so
einem Liede einen guten Gesellen an die Seite.

Der Dorftrompeter hatte das „Heideröslein" geblasen, einen Choral und
das „Wir beten an die Macht der Liebe". Wieschen legte ihre Hände zurück
auf den Tisch, sie lagen auf der dunklen Platte wie einzeln abgelöste Blätter
von Lilien. Ihre Pulse klopften. Sie fror mit einem leisen Zittern der
Glieder, war innen aber heiß. Sie fühlte das Klopfen ihrer Pulse, meinte es
zu hören, als falle es wie Hammerschlägen auf das Holz des Tisches, und als
baue es an einem schlimmen Werk.

Er habe sich heimgefunden zu ihr, sagte der Florentin. Oft sei ihm
gewesen er bleibe irr, wie er sich irrgelaufen hätte zu der Regime. Aber es
sei nun abgetan. Es sei nur ein Taumel gewesen.

„Wie in der Sonne," fiel ihm Wieschen ein. „Und kommst nun wieder
heim zu deiner Blume, die im Schatten steht." Sie sah ihn an. „Es ist
kühl im Schatten, Florin."

Der Florentin trug noch ein paar Farben her und malte weiter an dem
Bilde, welches sie zu zeichnen angefangen hatte. „Es ist schon so, im Schatten
hast du gestanden. Aber ich habe dich in die Sonne umgepflanzt. Ein paar
Tage hat's dann geschienen, als wollest du mir abwelken —"

„Weil du dich auf die Blumen und deinen ganzen Garten vergessen hast,
Florin." Sie sah ihn mit inniger Seele an, als er sie aber enger umfaßte,
machte sie sich ängstlich los. „Still, Florin, laß mich noch ein paar Tage so
in der Sonne stehen und erst ganz Wurzel haben in dem neuen Land —"

Über dem Garten lag Nebel, und sie sah den Burschen wie durch Ver¬
schleierung an. Er streckte die Hand nach ihr, es war nichts Wildes an ihm
in dieser Stunde, und doch fürchtete sie sich vor ihm. Sie war seiner sicher
geworden mit seinem wiedergewonnenen Besitz, sie vergaß, wie sie ihn begehrt
hatte, so zögerte sie nun. Sie wollte nur das Band noch einmal lockern, ehe
er den Knoten anzog.

„Nur just ein paar Tage," bat sie leise; da ließ er sie.

Es war kein Zauberwesen heute über dem Garten, es war nichts Wildes
heute umgesprungen mit dem Kiep. So sagte er ganz ruhig und voll von
Liebe zu dem Mädchen: „Sinn dich nur erst ganz aus über dich selbst. Es
ist noch nicht das End' aller Tage, und wir können zusammenkommen, wann
es uns beiden paßt." Er strich ihr über Haar und Backe, nahm ihre Hand
und ließ sie wieder los. Sie solle nicht meinen, sagte er noch, er versteife
sich eigensinnig auf eine Idee. Sie solle nicht Angst vor ihm haben. Er sei
nicht alle Abende so, wie er neulich gewesen sei. Es hätte ihn da nur gepackt.
Er meine — und das halte er aufrecht —, er wolle kein so ein Eiskaltes, wie
das Wieschen neulich eines gewesen wäre, bei dem einen die Gänsehaut über¬
liefe, das hieße, sich bei Sommerzeit eine Verkühlung ins Haus schleppen, an


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[0183] Die Blumen des Llorcntin Uley Im Dorf ging das Blasen einer Trompete, man hörte es oft abends, man konnte glauben, es säße ein Einsamer irgendwo und holte sich mit so einem Liede einen guten Gesellen an die Seite. Der Dorftrompeter hatte das „Heideröslein" geblasen, einen Choral und das „Wir beten an die Macht der Liebe". Wieschen legte ihre Hände zurück auf den Tisch, sie lagen auf der dunklen Platte wie einzeln abgelöste Blätter von Lilien. Ihre Pulse klopften. Sie fror mit einem leisen Zittern der Glieder, war innen aber heiß. Sie fühlte das Klopfen ihrer Pulse, meinte es zu hören, als falle es wie Hammerschlägen auf das Holz des Tisches, und als baue es an einem schlimmen Werk. Er habe sich heimgefunden zu ihr, sagte der Florentin. Oft sei ihm gewesen er bleibe irr, wie er sich irrgelaufen hätte zu der Regime. Aber es sei nun abgetan. Es sei nur ein Taumel gewesen. „Wie in der Sonne," fiel ihm Wieschen ein. „Und kommst nun wieder heim zu deiner Blume, die im Schatten steht." Sie sah ihn an. „Es ist kühl im Schatten, Florin." Der Florentin trug noch ein paar Farben her und malte weiter an dem Bilde, welches sie zu zeichnen angefangen hatte. „Es ist schon so, im Schatten hast du gestanden. Aber ich habe dich in die Sonne umgepflanzt. Ein paar Tage hat's dann geschienen, als wollest du mir abwelken —" „Weil du dich auf die Blumen und deinen ganzen Garten vergessen hast, Florin." Sie sah ihn mit inniger Seele an, als er sie aber enger umfaßte, machte sie sich ängstlich los. „Still, Florin, laß mich noch ein paar Tage so in der Sonne stehen und erst ganz Wurzel haben in dem neuen Land —" Über dem Garten lag Nebel, und sie sah den Burschen wie durch Ver¬ schleierung an. Er streckte die Hand nach ihr, es war nichts Wildes an ihm in dieser Stunde, und doch fürchtete sie sich vor ihm. Sie war seiner sicher geworden mit seinem wiedergewonnenen Besitz, sie vergaß, wie sie ihn begehrt hatte, so zögerte sie nun. Sie wollte nur das Band noch einmal lockern, ehe er den Knoten anzog. „Nur just ein paar Tage," bat sie leise; da ließ er sie. Es war kein Zauberwesen heute über dem Garten, es war nichts Wildes heute umgesprungen mit dem Kiep. So sagte er ganz ruhig und voll von Liebe zu dem Mädchen: „Sinn dich nur erst ganz aus über dich selbst. Es ist noch nicht das End' aller Tage, und wir können zusammenkommen, wann es uns beiden paßt." Er strich ihr über Haar und Backe, nahm ihre Hand und ließ sie wieder los. Sie solle nicht meinen, sagte er noch, er versteife sich eigensinnig auf eine Idee. Sie solle nicht Angst vor ihm haben. Er sei nicht alle Abende so, wie er neulich gewesen sei. Es hätte ihn da nur gepackt. Er meine — und das halte er aufrecht —, er wolle kein so ein Eiskaltes, wie das Wieschen neulich eines gewesen wäre, bei dem einen die Gänsehaut über¬ liefe, das hieße, sich bei Sommerzeit eine Verkühlung ins Haus schleppen, an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/183>, abgerufen am 03.07.2024.