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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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"Untertanen"

Bundesrat. Das Deutsche Reich ist keine Monarchie im staatsrechtlichen Sinne.
Träger der Reichsgewalt sind in ihrer Gesamtheit die deutschen Gliedstaaten.

Noch ein Punkt bedarf der Beachtung.

Wir haben gesagt: der Monarch hat die Vermutung unbeschränkter Zu¬
ständigkeit zur Ausübung der Staatsgewalt auf seiner Seite. Das darf nicht
mißverstanden werden. Der Staatsgewalt sind im modernen Rechts- und Ver¬
fassungsstaate gewisse Grenzen gezogen, gleichviel ob man den Staat oder den
Monarchen als ihr Subjekt ansieht. Die Befehls- und Zwangsgewalt der
Obrigkeit, die dem Staatsuntertan obliegende Gehorsamspflicht ist keine un¬
gemessene, deren Umfang durch das Belieben der Regierung bestimmt werden
könnte. Die Verwaltungsbehörden haben den Untertanen gegenüber nur die¬
jenige Befugnis zum Eingriff in Freiheit und Eigentum der einzelnen, welche
das Gesetz ihnen verleiht.




Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick auf die deutschen Verfassungs¬
urkunden.

Die preußische Verfassung hat vereinzelt den Ausdruck staatsbürgerliche
Rechte, vermeidet das Wort Untertan, bedient sich meist dafür der farblosen
Bezeichnung Preußen. Die sächsische Verfassungsurkunde spricht von den all¬
gemeinen Rechten und Pflichten der Untertanen und nennt die Stände das
gesetzmäßige Organ der Gesamtheit der Staatsbürger und Untertanen. In der
württembergischen Verfassung wird unter der Überschrift "Von den allgemeinen
Rechtsverhältnissen der Staatsbürger" bestimmt, daß alle Württemberger gleiche
staatsbürgerliche Rechte und gleiche staatsbürgerliche Pflichten haben. In der
badischen Verfassung ist die Rede von den staatsbürgerlichen und politischen
Rechten der Badener, ihrer Pflichten wird überhaupt nicht gedacht.

Diese Beispiele mögen genügen. Aus ihnen erhellt, daß die Ausdrucks¬
weise der Verfassungsurkunden keine einheitliche, keine präzise und keine korrekte
ist. Für die rechtswissenschaftliche Beurteilung kann ihr keine Bedeutung bei¬
gemessen werden.

In der Verfassung des Deutschen Reiches wird dagegen in Artikel 3 zu
dem Worte Staatsangehöriger in durchaus zutreffender Weise in Klammern
erläuternd hinzugefügt: "Untertan, Staatsbürger".

Wir kommen zu dem Ergebnisse: Der Ausdruck Staatsuntertan ist staats¬
rechtlich durchaus zutreffend in allen Fällen, wo die Pflichten des Staats¬
angehörigen in Betracht kommen. Nicht bloß der Monarch, sondern auch die
Regierung ist befugt, in solchen Fällen von Staatsuntertanen zu reden.




„Untertanen"

Bundesrat. Das Deutsche Reich ist keine Monarchie im staatsrechtlichen Sinne.
Träger der Reichsgewalt sind in ihrer Gesamtheit die deutschen Gliedstaaten.

Noch ein Punkt bedarf der Beachtung.

Wir haben gesagt: der Monarch hat die Vermutung unbeschränkter Zu¬
ständigkeit zur Ausübung der Staatsgewalt auf seiner Seite. Das darf nicht
mißverstanden werden. Der Staatsgewalt sind im modernen Rechts- und Ver¬
fassungsstaate gewisse Grenzen gezogen, gleichviel ob man den Staat oder den
Monarchen als ihr Subjekt ansieht. Die Befehls- und Zwangsgewalt der
Obrigkeit, die dem Staatsuntertan obliegende Gehorsamspflicht ist keine un¬
gemessene, deren Umfang durch das Belieben der Regierung bestimmt werden
könnte. Die Verwaltungsbehörden haben den Untertanen gegenüber nur die¬
jenige Befugnis zum Eingriff in Freiheit und Eigentum der einzelnen, welche
das Gesetz ihnen verleiht.




Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick auf die deutschen Verfassungs¬
urkunden.

Die preußische Verfassung hat vereinzelt den Ausdruck staatsbürgerliche
Rechte, vermeidet das Wort Untertan, bedient sich meist dafür der farblosen
Bezeichnung Preußen. Die sächsische Verfassungsurkunde spricht von den all¬
gemeinen Rechten und Pflichten der Untertanen und nennt die Stände das
gesetzmäßige Organ der Gesamtheit der Staatsbürger und Untertanen. In der
württembergischen Verfassung wird unter der Überschrift „Von den allgemeinen
Rechtsverhältnissen der Staatsbürger" bestimmt, daß alle Württemberger gleiche
staatsbürgerliche Rechte und gleiche staatsbürgerliche Pflichten haben. In der
badischen Verfassung ist die Rede von den staatsbürgerlichen und politischen
Rechten der Badener, ihrer Pflichten wird überhaupt nicht gedacht.

Diese Beispiele mögen genügen. Aus ihnen erhellt, daß die Ausdrucks¬
weise der Verfassungsurkunden keine einheitliche, keine präzise und keine korrekte
ist. Für die rechtswissenschaftliche Beurteilung kann ihr keine Bedeutung bei¬
gemessen werden.

In der Verfassung des Deutschen Reiches wird dagegen in Artikel 3 zu
dem Worte Staatsangehöriger in durchaus zutreffender Weise in Klammern
erläuternd hinzugefügt: „Untertan, Staatsbürger".

Wir kommen zu dem Ergebnisse: Der Ausdruck Staatsuntertan ist staats¬
rechtlich durchaus zutreffend in allen Fällen, wo die Pflichten des Staats¬
angehörigen in Betracht kommen. Nicht bloß der Monarch, sondern auch die
Regierung ist befugt, in solchen Fällen von Staatsuntertanen zu reden.




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[0177] „Untertanen" Bundesrat. Das Deutsche Reich ist keine Monarchie im staatsrechtlichen Sinne. Träger der Reichsgewalt sind in ihrer Gesamtheit die deutschen Gliedstaaten. Noch ein Punkt bedarf der Beachtung. Wir haben gesagt: der Monarch hat die Vermutung unbeschränkter Zu¬ ständigkeit zur Ausübung der Staatsgewalt auf seiner Seite. Das darf nicht mißverstanden werden. Der Staatsgewalt sind im modernen Rechts- und Ver¬ fassungsstaate gewisse Grenzen gezogen, gleichviel ob man den Staat oder den Monarchen als ihr Subjekt ansieht. Die Befehls- und Zwangsgewalt der Obrigkeit, die dem Staatsuntertan obliegende Gehorsamspflicht ist keine un¬ gemessene, deren Umfang durch das Belieben der Regierung bestimmt werden könnte. Die Verwaltungsbehörden haben den Untertanen gegenüber nur die¬ jenige Befugnis zum Eingriff in Freiheit und Eigentum der einzelnen, welche das Gesetz ihnen verleiht. Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick auf die deutschen Verfassungs¬ urkunden. Die preußische Verfassung hat vereinzelt den Ausdruck staatsbürgerliche Rechte, vermeidet das Wort Untertan, bedient sich meist dafür der farblosen Bezeichnung Preußen. Die sächsische Verfassungsurkunde spricht von den all¬ gemeinen Rechten und Pflichten der Untertanen und nennt die Stände das gesetzmäßige Organ der Gesamtheit der Staatsbürger und Untertanen. In der württembergischen Verfassung wird unter der Überschrift „Von den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Staatsbürger" bestimmt, daß alle Württemberger gleiche staatsbürgerliche Rechte und gleiche staatsbürgerliche Pflichten haben. In der badischen Verfassung ist die Rede von den staatsbürgerlichen und politischen Rechten der Badener, ihrer Pflichten wird überhaupt nicht gedacht. Diese Beispiele mögen genügen. Aus ihnen erhellt, daß die Ausdrucks¬ weise der Verfassungsurkunden keine einheitliche, keine präzise und keine korrekte ist. Für die rechtswissenschaftliche Beurteilung kann ihr keine Bedeutung bei¬ gemessen werden. In der Verfassung des Deutschen Reiches wird dagegen in Artikel 3 zu dem Worte Staatsangehöriger in durchaus zutreffender Weise in Klammern erläuternd hinzugefügt: „Untertan, Staatsbürger". Wir kommen zu dem Ergebnisse: Der Ausdruck Staatsuntertan ist staats¬ rechtlich durchaus zutreffend in allen Fällen, wo die Pflichten des Staats¬ angehörigen in Betracht kommen. Nicht bloß der Monarch, sondern auch die Regierung ist befugt, in solchen Fällen von Staatsuntertanen zu reden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/177>, abgerufen am 01.07.2024.