Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zusammenhänge zwischen Österreich und Deutschland

ergötzen und erheben und stärken für den Kampf um die Erleichterung des
Warenaustausches zwischen Österreich und Deutschland. Die Gewerbeschau ist
somit nicht nur Ihre, sondern auch unsere Sache.

Es hat Berufspolitiker gegeben, die die deutschen Schützen, Turner und
Sänger, die nach dem Einheitsstaate riefen, belächelten; ebenso unterschätzt man
auch heute unsere sozialen Organisationen, die Deutschland mit Österreich ver¬
binden, obwohl sie mit der Zeit in fortgesetzter beharrlicher Gemeinschaftsarbeit
bei den verbündeten Staaten Grenzen überbrückende Bündnisse und Bildungen
darstellen und vervielfältigen werden: der deutsch-österreichische Naturforscher¬
und Ärzteoerband, der deutsche Geographentag, der Heuer in Innsbruck seine
Beratungen pflegt, der deutsche Juristentag, die Handelskammerkongresse, der
deutsche Sprachverein, die deutsche Schillerstiftung, der Verein deutscher Ingenieure,
der deutsche und österreichische Alpenverein. Der letztgenannte, der heute gegen
hunderttausend Deutsche zu seinen Mitgliedern zählt, entstand folgendermaßen:
im Jahre 1862 bildete sich der österreichische Alpenverein, im Jahre 1869 der
deutsche Alpenverein und beide verschmolzen zum deutschen und österreichischen
Alpenverein im Jahre 1874; er erlangte dadurch seine heutige Größe und
Bedeutung. Dies mag ein Vorbild sein!

Hier sei noch daran erinnert, daß dieser Verein in der Stadt der Museen
ein alpines Museum errichtet hat, auf einer Jsarinfel in dem Schlößchen
Jsarlust. München ist aber auch wie keine andere Stadt geeignet zu einem
Sammelpunkt von Museen, es ist eine Hochschule des Anschauungsunterrichtes
für das deutsche Volk und unsere Gäste aus der Fremde.

Unser deutsches Volksmassiv ist im Norden durch die See und die sie
beherrschenden Flotten geschützt und im Süden durch den Alpenwall begrenzt.
Einst überschritten wir die Pässe, um jenseits der Alpen zu siegen, zu erobern,
zu herrschen oder auch um zu unterliegen und uns zu demütigen. Wie anders
gestaltet sich jetzt der Alpenverkehr dadurch, daß wir das Gebirge durchbohrten,
um nach Italien zu wandern, das uns die Denkmäler der römischen und
medizäischen Kulturzeitalter aufbewahrt hat. Wir gehen nach Italien nicht
mehr wie einst als Feinde, sondern wir begrüßen dort ein geeinigtes Kultur¬
volk, das mit uns ein Bündnis zur Erhaltung des Friedens geschlossen hat.

Das deutsche Hochgebirge, die Alpen, erstreckt sich vom Herzen Österreichs
bis an die westliche Grenze der deutschen Lande. Unsere Alpen, die an
Schönheit von keinem Gebirge der Welt übertroffen werden, in denen viele
unserer großen Flüsse entspringen, aus denen die weiße Kohle mächtig hervor¬
quillt, als Energievorrat von ungemessenem Werte, zieht uns Deutsche und die
Fremden mächtig an und hält uns zauberhaft fest. In gemeinsamer Arbeit
haben wir über die Bergriesen und Pässe, über die Kämme und Hänge ein
Netz von modernen Kulturwerken gespannt, um uns den Genuß der Natur¬
schönheit zu ermöglichen oder zu erleichtern und die Gefahren zu mildern. Auf
dem Rücken der Bergriesen erblühen die bunten zierlichen Kinder der Flora,


Zusammenhänge zwischen Österreich und Deutschland

ergötzen und erheben und stärken für den Kampf um die Erleichterung des
Warenaustausches zwischen Österreich und Deutschland. Die Gewerbeschau ist
somit nicht nur Ihre, sondern auch unsere Sache.

Es hat Berufspolitiker gegeben, die die deutschen Schützen, Turner und
Sänger, die nach dem Einheitsstaate riefen, belächelten; ebenso unterschätzt man
auch heute unsere sozialen Organisationen, die Deutschland mit Österreich ver¬
binden, obwohl sie mit der Zeit in fortgesetzter beharrlicher Gemeinschaftsarbeit
bei den verbündeten Staaten Grenzen überbrückende Bündnisse und Bildungen
darstellen und vervielfältigen werden: der deutsch-österreichische Naturforscher¬
und Ärzteoerband, der deutsche Geographentag, der Heuer in Innsbruck seine
Beratungen pflegt, der deutsche Juristentag, die Handelskammerkongresse, der
deutsche Sprachverein, die deutsche Schillerstiftung, der Verein deutscher Ingenieure,
der deutsche und österreichische Alpenverein. Der letztgenannte, der heute gegen
hunderttausend Deutsche zu seinen Mitgliedern zählt, entstand folgendermaßen:
im Jahre 1862 bildete sich der österreichische Alpenverein, im Jahre 1869 der
deutsche Alpenverein und beide verschmolzen zum deutschen und österreichischen
Alpenverein im Jahre 1874; er erlangte dadurch seine heutige Größe und
Bedeutung. Dies mag ein Vorbild sein!

Hier sei noch daran erinnert, daß dieser Verein in der Stadt der Museen
ein alpines Museum errichtet hat, auf einer Jsarinfel in dem Schlößchen
Jsarlust. München ist aber auch wie keine andere Stadt geeignet zu einem
Sammelpunkt von Museen, es ist eine Hochschule des Anschauungsunterrichtes
für das deutsche Volk und unsere Gäste aus der Fremde.

Unser deutsches Volksmassiv ist im Norden durch die See und die sie
beherrschenden Flotten geschützt und im Süden durch den Alpenwall begrenzt.
Einst überschritten wir die Pässe, um jenseits der Alpen zu siegen, zu erobern,
zu herrschen oder auch um zu unterliegen und uns zu demütigen. Wie anders
gestaltet sich jetzt der Alpenverkehr dadurch, daß wir das Gebirge durchbohrten,
um nach Italien zu wandern, das uns die Denkmäler der römischen und
medizäischen Kulturzeitalter aufbewahrt hat. Wir gehen nach Italien nicht
mehr wie einst als Feinde, sondern wir begrüßen dort ein geeinigtes Kultur¬
volk, das mit uns ein Bündnis zur Erhaltung des Friedens geschlossen hat.

Das deutsche Hochgebirge, die Alpen, erstreckt sich vom Herzen Österreichs
bis an die westliche Grenze der deutschen Lande. Unsere Alpen, die an
Schönheit von keinem Gebirge der Welt übertroffen werden, in denen viele
unserer großen Flüsse entspringen, aus denen die weiße Kohle mächtig hervor¬
quillt, als Energievorrat von ungemessenem Werte, zieht uns Deutsche und die
Fremden mächtig an und hält uns zauberhaft fest. In gemeinsamer Arbeit
haben wir über die Bergriesen und Pässe, über die Kämme und Hänge ein
Netz von modernen Kulturwerken gespannt, um uns den Genuß der Natur¬
schönheit zu ermöglichen oder zu erleichtern und die Gefahren zu mildern. Auf
dem Rücken der Bergriesen erblühen die bunten zierlichen Kinder der Flora,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0631" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321716"/>
          <fw type="header" place="top"> Zusammenhänge zwischen Österreich und Deutschland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2635" prev="#ID_2634"> ergötzen und erheben und stärken für den Kampf um die Erleichterung des<lb/>
Warenaustausches zwischen Österreich und Deutschland. Die Gewerbeschau ist<lb/>
somit nicht nur Ihre, sondern auch unsere Sache.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2636"> Es hat Berufspolitiker gegeben, die die deutschen Schützen, Turner und<lb/>
Sänger, die nach dem Einheitsstaate riefen, belächelten; ebenso unterschätzt man<lb/>
auch heute unsere sozialen Organisationen, die Deutschland mit Österreich ver¬<lb/>
binden, obwohl sie mit der Zeit in fortgesetzter beharrlicher Gemeinschaftsarbeit<lb/>
bei den verbündeten Staaten Grenzen überbrückende Bündnisse und Bildungen<lb/>
darstellen und vervielfältigen werden: der deutsch-österreichische Naturforscher¬<lb/>
und Ärzteoerband, der deutsche Geographentag, der Heuer in Innsbruck seine<lb/>
Beratungen pflegt, der deutsche Juristentag, die Handelskammerkongresse, der<lb/>
deutsche Sprachverein, die deutsche Schillerstiftung, der Verein deutscher Ingenieure,<lb/>
der deutsche und österreichische Alpenverein. Der letztgenannte, der heute gegen<lb/>
hunderttausend Deutsche zu seinen Mitgliedern zählt, entstand folgendermaßen:<lb/>
im Jahre 1862 bildete sich der österreichische Alpenverein, im Jahre 1869 der<lb/>
deutsche Alpenverein und beide verschmolzen zum deutschen und österreichischen<lb/>
Alpenverein im Jahre 1874; er erlangte dadurch seine heutige Größe und<lb/>
Bedeutung.  Dies mag ein Vorbild sein!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2637"> Hier sei noch daran erinnert, daß dieser Verein in der Stadt der Museen<lb/>
ein alpines Museum errichtet hat, auf einer Jsarinfel in dem Schlößchen<lb/>
Jsarlust. München ist aber auch wie keine andere Stadt geeignet zu einem<lb/>
Sammelpunkt von Museen, es ist eine Hochschule des Anschauungsunterrichtes<lb/>
für das deutsche Volk und unsere Gäste aus der Fremde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2638"> Unser deutsches Volksmassiv ist im Norden durch die See und die sie<lb/>
beherrschenden Flotten geschützt und im Süden durch den Alpenwall begrenzt.<lb/>
Einst überschritten wir die Pässe, um jenseits der Alpen zu siegen, zu erobern,<lb/>
zu herrschen oder auch um zu unterliegen und uns zu demütigen. Wie anders<lb/>
gestaltet sich jetzt der Alpenverkehr dadurch, daß wir das Gebirge durchbohrten,<lb/>
um nach Italien zu wandern, das uns die Denkmäler der römischen und<lb/>
medizäischen Kulturzeitalter aufbewahrt hat. Wir gehen nach Italien nicht<lb/>
mehr wie einst als Feinde, sondern wir begrüßen dort ein geeinigtes Kultur¬<lb/>
volk, das mit uns ein Bündnis zur Erhaltung des Friedens geschlossen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2639" next="#ID_2640"> Das deutsche Hochgebirge, die Alpen, erstreckt sich vom Herzen Österreichs<lb/>
bis an die westliche Grenze der deutschen Lande. Unsere Alpen, die an<lb/>
Schönheit von keinem Gebirge der Welt übertroffen werden, in denen viele<lb/>
unserer großen Flüsse entspringen, aus denen die weiße Kohle mächtig hervor¬<lb/>
quillt, als Energievorrat von ungemessenem Werte, zieht uns Deutsche und die<lb/>
Fremden mächtig an und hält uns zauberhaft fest. In gemeinsamer Arbeit<lb/>
haben wir über die Bergriesen und Pässe, über die Kämme und Hänge ein<lb/>
Netz von modernen Kulturwerken gespannt, um uns den Genuß der Natur¬<lb/>
schönheit zu ermöglichen oder zu erleichtern und die Gefahren zu mildern. Auf<lb/>
dem Rücken der Bergriesen erblühen die bunten zierlichen Kinder der Flora,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0631] Zusammenhänge zwischen Österreich und Deutschland ergötzen und erheben und stärken für den Kampf um die Erleichterung des Warenaustausches zwischen Österreich und Deutschland. Die Gewerbeschau ist somit nicht nur Ihre, sondern auch unsere Sache. Es hat Berufspolitiker gegeben, die die deutschen Schützen, Turner und Sänger, die nach dem Einheitsstaate riefen, belächelten; ebenso unterschätzt man auch heute unsere sozialen Organisationen, die Deutschland mit Österreich ver¬ binden, obwohl sie mit der Zeit in fortgesetzter beharrlicher Gemeinschaftsarbeit bei den verbündeten Staaten Grenzen überbrückende Bündnisse und Bildungen darstellen und vervielfältigen werden: der deutsch-österreichische Naturforscher¬ und Ärzteoerband, der deutsche Geographentag, der Heuer in Innsbruck seine Beratungen pflegt, der deutsche Juristentag, die Handelskammerkongresse, der deutsche Sprachverein, die deutsche Schillerstiftung, der Verein deutscher Ingenieure, der deutsche und österreichische Alpenverein. Der letztgenannte, der heute gegen hunderttausend Deutsche zu seinen Mitgliedern zählt, entstand folgendermaßen: im Jahre 1862 bildete sich der österreichische Alpenverein, im Jahre 1869 der deutsche Alpenverein und beide verschmolzen zum deutschen und österreichischen Alpenverein im Jahre 1874; er erlangte dadurch seine heutige Größe und Bedeutung. Dies mag ein Vorbild sein! Hier sei noch daran erinnert, daß dieser Verein in der Stadt der Museen ein alpines Museum errichtet hat, auf einer Jsarinfel in dem Schlößchen Jsarlust. München ist aber auch wie keine andere Stadt geeignet zu einem Sammelpunkt von Museen, es ist eine Hochschule des Anschauungsunterrichtes für das deutsche Volk und unsere Gäste aus der Fremde. Unser deutsches Volksmassiv ist im Norden durch die See und die sie beherrschenden Flotten geschützt und im Süden durch den Alpenwall begrenzt. Einst überschritten wir die Pässe, um jenseits der Alpen zu siegen, zu erobern, zu herrschen oder auch um zu unterliegen und uns zu demütigen. Wie anders gestaltet sich jetzt der Alpenverkehr dadurch, daß wir das Gebirge durchbohrten, um nach Italien zu wandern, das uns die Denkmäler der römischen und medizäischen Kulturzeitalter aufbewahrt hat. Wir gehen nach Italien nicht mehr wie einst als Feinde, sondern wir begrüßen dort ein geeinigtes Kultur¬ volk, das mit uns ein Bündnis zur Erhaltung des Friedens geschlossen hat. Das deutsche Hochgebirge, die Alpen, erstreckt sich vom Herzen Österreichs bis an die westliche Grenze der deutschen Lande. Unsere Alpen, die an Schönheit von keinem Gebirge der Welt übertroffen werden, in denen viele unserer großen Flüsse entspringen, aus denen die weiße Kohle mächtig hervor¬ quillt, als Energievorrat von ungemessenem Werte, zieht uns Deutsche und die Fremden mächtig an und hält uns zauberhaft fest. In gemeinsamer Arbeit haben wir über die Bergriesen und Pässe, über die Kämme und Hänge ein Netz von modernen Kulturwerken gespannt, um uns den Genuß der Natur¬ schönheit zu ermöglichen oder zu erleichtern und die Gefahren zu mildern. Auf dem Rücken der Bergriesen erblühen die bunten zierlichen Kinder der Flora,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/631
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/631>, abgerufen am 22.07.2024.