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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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hervorragend in Betracht kommenden Teilen Deutschlands die große Trockenheit
des Sommers die Masse der zu leistenden landwirtschaftlichen Arbeit nach¬
träglich erheblich einschränkte, hat die Landwirtschaft vor einer sehr gefährlichen
Situation bewahrt."

Anderseits verzeichnet die Zentralstelle aber auch ihre lebhaften Bemühungen
um Erleichterung des Vermittlungswesens und die Erfolge, die sie damit erzielt
hat. Aus diesem Teil des Jahresberichts geht erneut hervor, wie lebhaft die
Zentralstelle auf den Ausbau ihrer Tätigkeit bedacht ist, deren Einschränkung
im nationalen Interesse wünschenswerter erscheinen muß als ihre beständige
Erweiterung.

"An dem Ausbau der Vermittlungsorganisation," fährt der Bericht fort,
"und der mit ihr in Zusammenhang stehenden Einrichtungen ist auch im Berichts¬
jahre eifrig gearbeitet worden. Diese ganze Organisation will und soll nichts
anderes sein, als ein möglichst einfaches und praktisches Instrument, mittels
dessen die beiden, den Arbeitsvertrag abschließenden Parteien über alle räum¬
lichen, zeitlichen und sonstigen Schwierigkeiten hinweg zusammengeführt werden.
Diese Schwierigkeiten liegen nicht nur diesseits unserer Grenze, von der der
Weg bis zur Arbeitsstelle nicht weiter ist, als der Weg von der Heimat des
Arbeiters bis zur Grenze. Die gemeinnützige und uninteressierte Arbeit im
Interesse der beiden Vertragsparteien darf daher nicht auf das Gebiet des
Zuwanderungslandes beschränkt bleiben. Auch in den Abwanderungsländern
harren ihrer wichtige Aufgaben. In dieser Richtung konnten wir im Berichts¬
jahre einen starken Schritt vorwärts tun. Die italienische Regierung hat der
Zentralstelle die Erlaubnis erteilt, in Italien selber tätig zu sein und unter
ihrer Aufsicht und Mitwirkung alle Maßnahmen zu treffen, welche den un¬
gehinderten Abschluß des Arbeitsvertrages zu fördern und ihn von störenden
und schmarotzenden Einflüssen zu befreien geeignet erscheinen. Wir hoffen und
glauben, daß die praktische Arbeit auf dieser Grundlage den Beweis dafür liefern
wird, daß es sich auf dem Gebiete der modernen Arbeiterwanderungen nicht
um unüberwindliche Interessengegensätze der Zu- und Abwanderungsstaateu
handelt und daß die zurzeit noch bestehenden und empfundenen Häßlichkeiten
nicht den Dingen innewohnende Notwendigkeiten, sondern von Eigennutz in sie
hineingetragene Begleiterscheinungen sind, die einer uneigennützigen verständnis¬
vollen Arbeit weichen müssen."

Aus dieser Darlegung ist hinlänglich ersichtlich, wie sich die Feldarbeiter¬
zentralstelle auch um das Anwerben ausländischer Arbeiter bemüht. Wenn man
die Mitteilungen über die Schwierigkeiten, die gerade im letzten Jahre der Ab¬
wanderung ausländischer Arbeiter in weiten Gebieten im Wege standen, vergleicht
mit diesen Angaben über die Bemühungen der Zentralstelle, die Arbeiter¬
anwerbung zu erleichtern, so liegt der Schluß nahe, daß ohne die ausgedehnte
Werbetätigkeit der Zentralstelle eine so starke Steigerung der ausländischen
Arbeiterzuwanderung kaum stattgefunden hätte. Die Zentralstelle ihrerseits


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hervorragend in Betracht kommenden Teilen Deutschlands die große Trockenheit
des Sommers die Masse der zu leistenden landwirtschaftlichen Arbeit nach¬
träglich erheblich einschränkte, hat die Landwirtschaft vor einer sehr gefährlichen
Situation bewahrt."

Anderseits verzeichnet die Zentralstelle aber auch ihre lebhaften Bemühungen
um Erleichterung des Vermittlungswesens und die Erfolge, die sie damit erzielt
hat. Aus diesem Teil des Jahresberichts geht erneut hervor, wie lebhaft die
Zentralstelle auf den Ausbau ihrer Tätigkeit bedacht ist, deren Einschränkung
im nationalen Interesse wünschenswerter erscheinen muß als ihre beständige
Erweiterung.

„An dem Ausbau der Vermittlungsorganisation," fährt der Bericht fort,
„und der mit ihr in Zusammenhang stehenden Einrichtungen ist auch im Berichts¬
jahre eifrig gearbeitet worden. Diese ganze Organisation will und soll nichts
anderes sein, als ein möglichst einfaches und praktisches Instrument, mittels
dessen die beiden, den Arbeitsvertrag abschließenden Parteien über alle räum¬
lichen, zeitlichen und sonstigen Schwierigkeiten hinweg zusammengeführt werden.
Diese Schwierigkeiten liegen nicht nur diesseits unserer Grenze, von der der
Weg bis zur Arbeitsstelle nicht weiter ist, als der Weg von der Heimat des
Arbeiters bis zur Grenze. Die gemeinnützige und uninteressierte Arbeit im
Interesse der beiden Vertragsparteien darf daher nicht auf das Gebiet des
Zuwanderungslandes beschränkt bleiben. Auch in den Abwanderungsländern
harren ihrer wichtige Aufgaben. In dieser Richtung konnten wir im Berichts¬
jahre einen starken Schritt vorwärts tun. Die italienische Regierung hat der
Zentralstelle die Erlaubnis erteilt, in Italien selber tätig zu sein und unter
ihrer Aufsicht und Mitwirkung alle Maßnahmen zu treffen, welche den un¬
gehinderten Abschluß des Arbeitsvertrages zu fördern und ihn von störenden
und schmarotzenden Einflüssen zu befreien geeignet erscheinen. Wir hoffen und
glauben, daß die praktische Arbeit auf dieser Grundlage den Beweis dafür liefern
wird, daß es sich auf dem Gebiete der modernen Arbeiterwanderungen nicht
um unüberwindliche Interessengegensätze der Zu- und Abwanderungsstaateu
handelt und daß die zurzeit noch bestehenden und empfundenen Häßlichkeiten
nicht den Dingen innewohnende Notwendigkeiten, sondern von Eigennutz in sie
hineingetragene Begleiterscheinungen sind, die einer uneigennützigen verständnis¬
vollen Arbeit weichen müssen."

Aus dieser Darlegung ist hinlänglich ersichtlich, wie sich die Feldarbeiter¬
zentralstelle auch um das Anwerben ausländischer Arbeiter bemüht. Wenn man
die Mitteilungen über die Schwierigkeiten, die gerade im letzten Jahre der Ab¬
wanderung ausländischer Arbeiter in weiten Gebieten im Wege standen, vergleicht
mit diesen Angaben über die Bemühungen der Zentralstelle, die Arbeiter¬
anwerbung zu erleichtern, so liegt der Schluß nahe, daß ohne die ausgedehnte
Werbetätigkeit der Zentralstelle eine so starke Steigerung der ausländischen
Arbeiterzuwanderung kaum stattgefunden hätte. Die Zentralstelle ihrerseits


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[0604] Reichsspiegel hervorragend in Betracht kommenden Teilen Deutschlands die große Trockenheit des Sommers die Masse der zu leistenden landwirtschaftlichen Arbeit nach¬ träglich erheblich einschränkte, hat die Landwirtschaft vor einer sehr gefährlichen Situation bewahrt." Anderseits verzeichnet die Zentralstelle aber auch ihre lebhaften Bemühungen um Erleichterung des Vermittlungswesens und die Erfolge, die sie damit erzielt hat. Aus diesem Teil des Jahresberichts geht erneut hervor, wie lebhaft die Zentralstelle auf den Ausbau ihrer Tätigkeit bedacht ist, deren Einschränkung im nationalen Interesse wünschenswerter erscheinen muß als ihre beständige Erweiterung. „An dem Ausbau der Vermittlungsorganisation," fährt der Bericht fort, „und der mit ihr in Zusammenhang stehenden Einrichtungen ist auch im Berichts¬ jahre eifrig gearbeitet worden. Diese ganze Organisation will und soll nichts anderes sein, als ein möglichst einfaches und praktisches Instrument, mittels dessen die beiden, den Arbeitsvertrag abschließenden Parteien über alle räum¬ lichen, zeitlichen und sonstigen Schwierigkeiten hinweg zusammengeführt werden. Diese Schwierigkeiten liegen nicht nur diesseits unserer Grenze, von der der Weg bis zur Arbeitsstelle nicht weiter ist, als der Weg von der Heimat des Arbeiters bis zur Grenze. Die gemeinnützige und uninteressierte Arbeit im Interesse der beiden Vertragsparteien darf daher nicht auf das Gebiet des Zuwanderungslandes beschränkt bleiben. Auch in den Abwanderungsländern harren ihrer wichtige Aufgaben. In dieser Richtung konnten wir im Berichts¬ jahre einen starken Schritt vorwärts tun. Die italienische Regierung hat der Zentralstelle die Erlaubnis erteilt, in Italien selber tätig zu sein und unter ihrer Aufsicht und Mitwirkung alle Maßnahmen zu treffen, welche den un¬ gehinderten Abschluß des Arbeitsvertrages zu fördern und ihn von störenden und schmarotzenden Einflüssen zu befreien geeignet erscheinen. Wir hoffen und glauben, daß die praktische Arbeit auf dieser Grundlage den Beweis dafür liefern wird, daß es sich auf dem Gebiete der modernen Arbeiterwanderungen nicht um unüberwindliche Interessengegensätze der Zu- und Abwanderungsstaateu handelt und daß die zurzeit noch bestehenden und empfundenen Häßlichkeiten nicht den Dingen innewohnende Notwendigkeiten, sondern von Eigennutz in sie hineingetragene Begleiterscheinungen sind, die einer uneigennützigen verständnis¬ vollen Arbeit weichen müssen." Aus dieser Darlegung ist hinlänglich ersichtlich, wie sich die Feldarbeiter¬ zentralstelle auch um das Anwerben ausländischer Arbeiter bemüht. Wenn man die Mitteilungen über die Schwierigkeiten, die gerade im letzten Jahre der Ab¬ wanderung ausländischer Arbeiter in weiten Gebieten im Wege standen, vergleicht mit diesen Angaben über die Bemühungen der Zentralstelle, die Arbeiter¬ anwerbung zu erleichtern, so liegt der Schluß nahe, daß ohne die ausgedehnte Werbetätigkeit der Zentralstelle eine so starke Steigerung der ausländischen Arbeiterzuwanderung kaum stattgefunden hätte. Die Zentralstelle ihrerseits

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/604>, abgerufen am 26.06.2024.