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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Titu Maiorescu

Sprache und für Rumänien erschien, und der an sämtliche Schulen unent¬
geltlich verteilt wurde. Mit Freuden begrüßte er die im August 1867 in
Bukarest stattgefundene Begründung der Literarischen Gesellschaft, aus der sich
alsbald die Akademie entwickelte, und versammelte häufig ihre Mitglieder, die
ihm das Ehrenpräsidium übertrugen, bei sich, um mit ihnen die Aufgaben der
neuen Gesellschaft, die Herausgabe einer einheitlichen rumänischen Grammatik
und eines rumänischen etymologischen Wörterbuches in eingehender Weise zu
besprechen.

Es war naiürlich, daß die Bestrebungen Maiorescus und dessen Anhänger
die lebhafte Teilnahme des Fürsten erweckten, der, wenn er auch vom Augen¬
blick des ersten Betretens rumänischen Bodens an Rumäne geworden, wenige
Jahre später vom Oxforder Max Müller mit Recht als "Markgraf europäischer
Kultur an der Donau" bezeichnet werden konnte.") Eine nähere persönliche
Fühlung zwischen dem Fürsten und dem Gelehrten, der unterdessen an die
Bukarester Universität berufen und mehrfach zum Deputierten, als solcher der
konservativen Partei angehörend, gewählt worden war, trat erst im oben
genannten Zeitpunkt ein. Als Minister versuchte nun Maiorescu, der sich weiten
wissenschaftlichen und literarischen Ruf erworben, seine Schulpläne tatkräftig zu
verwirklichen. Ein neues Unterrichtsgesetz wurde ausgearbeitet; es bestimmte
die Errichtung mehrerer Seminare zur besseren Vorbildung der Volksschullehrer,
ferner die Gründung von Real- und Gewerbeschulen, um jene jungen Leute, die
einen praktischen Beruf zu wählen gedenken, von den Gymnasien fernzuhalten und
sie mit geeigneten Vorkenntnissen zu versehen. Das Gesetz fand, mehr aus
innerpolitischen Gründen, eine heftige Gegnerschaft; Maiorescu gab im Frühling
1876 seine Entlassung als Minister und wurde durch Carp ersetzt, der die
Unterrichtsreform seines Vorgängers durchzuführen trachtete. Hierbei trennten
sich Jung- und Altkonservative, das Ministerium siel und machte einem liberalen
Platz, Carp aber ward von nun an Führer der "Junimisten" (Jungkonservativen),
die, auf Veranlassung von Lascar Catargius, bereits 1871 in die politische Arena
eingetreten waren.

Während dieser politischen Kämpfe daheim weilte Maiorescn in Berlin,
um die Vorverhandlungen für einen Handelsvertrag mit Deutschland zu
führen und eine Regelung der leidigen Eisenbahnfrage -- Stroußbergschen
Angedenkens -- anzustreben. Dieser beiden recht umständlichen und schwierigen
Aufgaben entledigte er sich mit glücklichem Geschick und knüpfte neben den alten,
nie unterbrochen gewesenen Berliner und sonstigen deutschen Beziehungen vielerlei
neue. In seiner Heimat wurde dann wieder der übliche Kreislauf: Universität,
Deputiertenkammer, Ministersessel, fortgesetzt, wobei oft die zur nationalen



*) Vgl. hierzu einen Brief Friedrich Wilhelms des Vierten an den Gesandten Emil
Freiherrn von Richthofen, der zusammen mit anderen Rumäniens Gründungsgeschichte
betreffenden Dokumenten im Laufe des nächsten Quartals in den Grenzboten veröffentlicht
G. Cl. werden soll.
Titu Maiorescu

Sprache und für Rumänien erschien, und der an sämtliche Schulen unent¬
geltlich verteilt wurde. Mit Freuden begrüßte er die im August 1867 in
Bukarest stattgefundene Begründung der Literarischen Gesellschaft, aus der sich
alsbald die Akademie entwickelte, und versammelte häufig ihre Mitglieder, die
ihm das Ehrenpräsidium übertrugen, bei sich, um mit ihnen die Aufgaben der
neuen Gesellschaft, die Herausgabe einer einheitlichen rumänischen Grammatik
und eines rumänischen etymologischen Wörterbuches in eingehender Weise zu
besprechen.

Es war naiürlich, daß die Bestrebungen Maiorescus und dessen Anhänger
die lebhafte Teilnahme des Fürsten erweckten, der, wenn er auch vom Augen¬
blick des ersten Betretens rumänischen Bodens an Rumäne geworden, wenige
Jahre später vom Oxforder Max Müller mit Recht als „Markgraf europäischer
Kultur an der Donau" bezeichnet werden konnte.") Eine nähere persönliche
Fühlung zwischen dem Fürsten und dem Gelehrten, der unterdessen an die
Bukarester Universität berufen und mehrfach zum Deputierten, als solcher der
konservativen Partei angehörend, gewählt worden war, trat erst im oben
genannten Zeitpunkt ein. Als Minister versuchte nun Maiorescu, der sich weiten
wissenschaftlichen und literarischen Ruf erworben, seine Schulpläne tatkräftig zu
verwirklichen. Ein neues Unterrichtsgesetz wurde ausgearbeitet; es bestimmte
die Errichtung mehrerer Seminare zur besseren Vorbildung der Volksschullehrer,
ferner die Gründung von Real- und Gewerbeschulen, um jene jungen Leute, die
einen praktischen Beruf zu wählen gedenken, von den Gymnasien fernzuhalten und
sie mit geeigneten Vorkenntnissen zu versehen. Das Gesetz fand, mehr aus
innerpolitischen Gründen, eine heftige Gegnerschaft; Maiorescu gab im Frühling
1876 seine Entlassung als Minister und wurde durch Carp ersetzt, der die
Unterrichtsreform seines Vorgängers durchzuführen trachtete. Hierbei trennten
sich Jung- und Altkonservative, das Ministerium siel und machte einem liberalen
Platz, Carp aber ward von nun an Führer der „Junimisten" (Jungkonservativen),
die, auf Veranlassung von Lascar Catargius, bereits 1871 in die politische Arena
eingetreten waren.

Während dieser politischen Kämpfe daheim weilte Maiorescn in Berlin,
um die Vorverhandlungen für einen Handelsvertrag mit Deutschland zu
führen und eine Regelung der leidigen Eisenbahnfrage — Stroußbergschen
Angedenkens — anzustreben. Dieser beiden recht umständlichen und schwierigen
Aufgaben entledigte er sich mit glücklichem Geschick und knüpfte neben den alten,
nie unterbrochen gewesenen Berliner und sonstigen deutschen Beziehungen vielerlei
neue. In seiner Heimat wurde dann wieder der übliche Kreislauf: Universität,
Deputiertenkammer, Ministersessel, fortgesetzt, wobei oft die zur nationalen



*) Vgl. hierzu einen Brief Friedrich Wilhelms des Vierten an den Gesandten Emil
Freiherrn von Richthofen, der zusammen mit anderen Rumäniens Gründungsgeschichte
betreffenden Dokumenten im Laufe des nächsten Quartals in den Grenzboten veröffentlicht
G. Cl. werden soll.
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[0579] Titu Maiorescu Sprache und für Rumänien erschien, und der an sämtliche Schulen unent¬ geltlich verteilt wurde. Mit Freuden begrüßte er die im August 1867 in Bukarest stattgefundene Begründung der Literarischen Gesellschaft, aus der sich alsbald die Akademie entwickelte, und versammelte häufig ihre Mitglieder, die ihm das Ehrenpräsidium übertrugen, bei sich, um mit ihnen die Aufgaben der neuen Gesellschaft, die Herausgabe einer einheitlichen rumänischen Grammatik und eines rumänischen etymologischen Wörterbuches in eingehender Weise zu besprechen. Es war naiürlich, daß die Bestrebungen Maiorescus und dessen Anhänger die lebhafte Teilnahme des Fürsten erweckten, der, wenn er auch vom Augen¬ blick des ersten Betretens rumänischen Bodens an Rumäne geworden, wenige Jahre später vom Oxforder Max Müller mit Recht als „Markgraf europäischer Kultur an der Donau" bezeichnet werden konnte.") Eine nähere persönliche Fühlung zwischen dem Fürsten und dem Gelehrten, der unterdessen an die Bukarester Universität berufen und mehrfach zum Deputierten, als solcher der konservativen Partei angehörend, gewählt worden war, trat erst im oben genannten Zeitpunkt ein. Als Minister versuchte nun Maiorescu, der sich weiten wissenschaftlichen und literarischen Ruf erworben, seine Schulpläne tatkräftig zu verwirklichen. Ein neues Unterrichtsgesetz wurde ausgearbeitet; es bestimmte die Errichtung mehrerer Seminare zur besseren Vorbildung der Volksschullehrer, ferner die Gründung von Real- und Gewerbeschulen, um jene jungen Leute, die einen praktischen Beruf zu wählen gedenken, von den Gymnasien fernzuhalten und sie mit geeigneten Vorkenntnissen zu versehen. Das Gesetz fand, mehr aus innerpolitischen Gründen, eine heftige Gegnerschaft; Maiorescu gab im Frühling 1876 seine Entlassung als Minister und wurde durch Carp ersetzt, der die Unterrichtsreform seines Vorgängers durchzuführen trachtete. Hierbei trennten sich Jung- und Altkonservative, das Ministerium siel und machte einem liberalen Platz, Carp aber ward von nun an Führer der „Junimisten" (Jungkonservativen), die, auf Veranlassung von Lascar Catargius, bereits 1871 in die politische Arena eingetreten waren. Während dieser politischen Kämpfe daheim weilte Maiorescn in Berlin, um die Vorverhandlungen für einen Handelsvertrag mit Deutschland zu führen und eine Regelung der leidigen Eisenbahnfrage — Stroußbergschen Angedenkens — anzustreben. Dieser beiden recht umständlichen und schwierigen Aufgaben entledigte er sich mit glücklichem Geschick und knüpfte neben den alten, nie unterbrochen gewesenen Berliner und sonstigen deutschen Beziehungen vielerlei neue. In seiner Heimat wurde dann wieder der übliche Kreislauf: Universität, Deputiertenkammer, Ministersessel, fortgesetzt, wobei oft die zur nationalen *) Vgl. hierzu einen Brief Friedrich Wilhelms des Vierten an den Gesandten Emil Freiherrn von Richthofen, der zusammen mit anderen Rumäniens Gründungsgeschichte betreffenden Dokumenten im Laufe des nächsten Quartals in den Grenzboten veröffentlicht G. Cl. werden soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/579>, abgerufen am 25.08.2024.