Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Titu Maiorescu fehlte es darin nicht, an leidenschaftlichen Erregungen, deren jähen Ausbruch mit Ein Ziel hatte er von Anfang an als die Richtung seines Lebenspfades Letzteres hatte sich Maiorescu auf deutschem Boden geholt, neben einer Titu Maiorescu fehlte es darin nicht, an leidenschaftlichen Erregungen, deren jähen Ausbruch mit Ein Ziel hatte er von Anfang an als die Richtung seines Lebenspfades Letzteres hatte sich Maiorescu auf deutschem Boden geholt, neben einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0576" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321661"/> <fw type="header" place="top"> Titu Maiorescu</fw><lb/> <p xml:id="ID_2402" prev="#ID_2401"> fehlte es darin nicht, an leidenschaftlichen Erregungen, deren jähen Ausbruch mit<lb/> heftigsten persönlichen Angriffen nur der versteht, der einen näheren Einblick in<lb/> das auf- und niederwogende Parteigetriebe des jungen Donaureiches gewonnen;<lb/> aber er weiß auch, daß es nicht so schlimm gemeint ist, wie es sich anhört, und daß<lb/> die wildrauschende Flut oft ebenso rasch zurückebbt, wie sie gekommen. Maiorescu<lb/> hat selbstverständlich auch an jenen Kämpfen teilgenommen, als einer der Führer<lb/> der jungkonservativen Richtung; nie ließ er sich jedoch zu dem Fanatismus<lb/> mancher anderer Parteichefs hinreißen, trotz seines elastischen Temperaments<lb/> und seiner großen Beredsamkeit. Niemals vergaß er seinen eigentlichen Beruf<lb/> als Jugend- und Volkserzieher, hielt den Talar des Universitätsprofessors von<lb/> jedem Fleckchen frei, gab auch seinen leidenschaftlichsten Gegnern nicht den<lb/> geringsten Anlaß, seine Persönlichkeit zu verdächtigen: ein gerader Mann, ein<lb/> ehrlicher Charakter, ein offener Feind und treuer Freund, nie seine Macht, wenn<lb/> er sie in Händen hatte, mißbrauchend oder gar zu egoistischen Zwecken verwendend.</p><lb/> <p xml:id="ID_2403"> Ein Ziel hatte er von Anfang an als die Richtung seines Lebenspfades<lb/> erkannt: die Wohlfahrt des Staates, die er in erster Linie zu fördern trachtete,<lb/> durch Hebung der Volksbildung und damit der allgemeinen Gesittung, durch<lb/> Pflege des Idealismus in der studierenden Jugend, durch Erweckung und Ver¬<lb/> tiefung der Freude an der heimischen Literatur und Sprache. Ernste und ver¬<lb/> antwortungsvolle Aufgaben, zu deren Verfolgung und Erfüllung, außer tiefster<lb/> Vaterlandsliebe, eigener Idealismus, das Gefühl der Kraft und das Rüstzeug<lb/> des Wissens gehören.</p><lb/> <p xml:id="ID_2404"> Letzteres hatte sich Maiorescu auf deutschem Boden geholt, neben einer<lb/> Fülle bedeutsamer Eindrücke und Anregungen, die dem strebsamen Jüngling,<lb/> der im Wiener Theresianum seine Vorbildung erhalten, den inneren geistigen<lb/> Gehalt gaben. An der Berliner Universität lag der junge Rumäne in den Jahren<lb/> 1858 und 1859 philosophischen und juristischen Studien ob, u. a. bei<lb/> Gneist, Rudorff, Trendelenburg, Werber und Michelet. Mit den drei zuletzt<lb/> genannten stand er auch in persönlichem und später brieflichem Verkehr.<lb/> In Gießen erlangte er dann das Doktorat der Philosophie mit der lateinischen<lb/> Dissertation „Oo t^eibaiti pluie>80pliia" und ging nach Paris, wo er 1861<lb/> „IlLenci6 en äroit" an der dortigen juridischen Fakultät wurde. Mehrfach<lb/> aber kam er nach Berlin zur Herausgabe seiner 1861 in der Nikolaischen<lb/> Verlagsbuchhandlung erschienenen Schrift: „Einiges Philosophische in gemein¬<lb/> faßlicher Form" und um ferner an den Sitzungen der „Philosophischen Gesell¬<lb/> schaft" als deren Mitglied teilzunehmen, wo er oft mit Ferdinand Lassalle<lb/> diskutierte. Bei einem solchen Berliner Besuche hielt er auch, am 10. März<lb/> 1861 im Hotel de Russie, zugunsten des Lessing-Denkmals in Camenz einen<lb/> öffentlichen Vortrag über „Die französische Tragödie der Vergangenheit und die<lb/> deutsche Musik der Zukunft", wie er schon während seines früheren Berliner<lb/> Aufenthaltes eine Reihe von Vorträgen rein gesellschaftlicher Natur, — im Hause<lb/> des Geh. Rats Klemm, der Jacobischen Erziehungsanstalt usw. — gehalten hatte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0576]
Titu Maiorescu
fehlte es darin nicht, an leidenschaftlichen Erregungen, deren jähen Ausbruch mit
heftigsten persönlichen Angriffen nur der versteht, der einen näheren Einblick in
das auf- und niederwogende Parteigetriebe des jungen Donaureiches gewonnen;
aber er weiß auch, daß es nicht so schlimm gemeint ist, wie es sich anhört, und daß
die wildrauschende Flut oft ebenso rasch zurückebbt, wie sie gekommen. Maiorescu
hat selbstverständlich auch an jenen Kämpfen teilgenommen, als einer der Führer
der jungkonservativen Richtung; nie ließ er sich jedoch zu dem Fanatismus
mancher anderer Parteichefs hinreißen, trotz seines elastischen Temperaments
und seiner großen Beredsamkeit. Niemals vergaß er seinen eigentlichen Beruf
als Jugend- und Volkserzieher, hielt den Talar des Universitätsprofessors von
jedem Fleckchen frei, gab auch seinen leidenschaftlichsten Gegnern nicht den
geringsten Anlaß, seine Persönlichkeit zu verdächtigen: ein gerader Mann, ein
ehrlicher Charakter, ein offener Feind und treuer Freund, nie seine Macht, wenn
er sie in Händen hatte, mißbrauchend oder gar zu egoistischen Zwecken verwendend.
Ein Ziel hatte er von Anfang an als die Richtung seines Lebenspfades
erkannt: die Wohlfahrt des Staates, die er in erster Linie zu fördern trachtete,
durch Hebung der Volksbildung und damit der allgemeinen Gesittung, durch
Pflege des Idealismus in der studierenden Jugend, durch Erweckung und Ver¬
tiefung der Freude an der heimischen Literatur und Sprache. Ernste und ver¬
antwortungsvolle Aufgaben, zu deren Verfolgung und Erfüllung, außer tiefster
Vaterlandsliebe, eigener Idealismus, das Gefühl der Kraft und das Rüstzeug
des Wissens gehören.
Letzteres hatte sich Maiorescu auf deutschem Boden geholt, neben einer
Fülle bedeutsamer Eindrücke und Anregungen, die dem strebsamen Jüngling,
der im Wiener Theresianum seine Vorbildung erhalten, den inneren geistigen
Gehalt gaben. An der Berliner Universität lag der junge Rumäne in den Jahren
1858 und 1859 philosophischen und juristischen Studien ob, u. a. bei
Gneist, Rudorff, Trendelenburg, Werber und Michelet. Mit den drei zuletzt
genannten stand er auch in persönlichem und später brieflichem Verkehr.
In Gießen erlangte er dann das Doktorat der Philosophie mit der lateinischen
Dissertation „Oo t^eibaiti pluie>80pliia" und ging nach Paris, wo er 1861
„IlLenci6 en äroit" an der dortigen juridischen Fakultät wurde. Mehrfach
aber kam er nach Berlin zur Herausgabe seiner 1861 in der Nikolaischen
Verlagsbuchhandlung erschienenen Schrift: „Einiges Philosophische in gemein¬
faßlicher Form" und um ferner an den Sitzungen der „Philosophischen Gesell¬
schaft" als deren Mitglied teilzunehmen, wo er oft mit Ferdinand Lassalle
diskutierte. Bei einem solchen Berliner Besuche hielt er auch, am 10. März
1861 im Hotel de Russie, zugunsten des Lessing-Denkmals in Camenz einen
öffentlichen Vortrag über „Die französische Tragödie der Vergangenheit und die
deutsche Musik der Zukunft", wie er schon während seines früheren Berliner
Aufenthaltes eine Reihe von Vorträgen rein gesellschaftlicher Natur, — im Hause
des Geh. Rats Klemm, der Jacobischen Erziehungsanstalt usw. — gehalten hatte.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |