Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Strömungen innerhalb der Aentrunisxartci verletzend, rücksichtslos selbst dort, wo Kleid und Würde des Gegners eine Allmählich begann man von einer "Kölner Richtung" zu sprechen und Den eigentlichen Anlaß zu den Auseinandersetzungen über den Charakter Strömungen innerhalb der Aentrunisxartci verletzend, rücksichtslos selbst dort, wo Kleid und Würde des Gegners eine Allmählich begann man von einer „Kölner Richtung" zu sprechen und Den eigentlichen Anlaß zu den Auseinandersetzungen über den Charakter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321611"/> <fw type="header" place="top"> Strömungen innerhalb der Aentrunisxartci</fw><lb/> <p xml:id="ID_2212" prev="#ID_2211"> verletzend, rücksichtslos selbst dort, wo Kleid und Würde des Gegners eine<lb/> andere Sprache erfordert hätten. Das erregte vielfach in katholischen Kreisen<lb/> Anstoß, speziell auch gerade dort, wo man in der Sache mit dem Blatte<lb/> völlig einer Meinung war. Es kam hinzu, daß viele mit der Haltung<lb/> des Blattes in einigen den Katholizismus direkt berührenden Fragen, so bei<lb/> dem Streit um Schelk, bei der Bewegung gegen den Index, der Gründung der<lb/> Münsterschen Kulturgesellschaft usw. nicht zufrieden waren. Weiter wurde es<lb/> unangenehm empfunden, daß bei der scharfen Sprache, die die Kölnische Volks¬<lb/> zeitung gegen jeden Verstoß auf katholischer Seite gegen den politischen Charakter<lb/> der Zentrumspartei und gegen Angriffe auf die interkonfessionelle Gewerkschafts¬<lb/> bewegung fand, Verstöße nach der konfessionellen Seite hin, vor allem, wenn<lb/> dieselben von christlichen Gewerkschaftlern in führender Stellung ausgingen,<lb/> vielfach so überaus zurückhaltend behandelt wurden. Ob zu dieser Haltung<lb/> berechtigte Gründe vorlagen oder nicht, kann hier außer Betracht bleiben. Es<lb/> kommt in diesem Zusammenhang lediglich auf die Feststellung der Tatsache<lb/> selbst an. So kam es, daß die Kölnische Volkszeitung bei manchen allmählich<lb/> in den, wenn auch unberechtigten, aber nicht ganz unverschuldbaren Verdacht<lb/> kommen konnte, als sei es ihr mit der Vertretung der katholischen Prinzipien<lb/> keine rechte Herzenssache mehr. Einzelne gingen soweit, in der Haltung der<lb/> Kölnischen Volkszeitung eine direkte Gefährdung des katholischen Glaubens zu<lb/> sehen und gaben dieser Ansicht auch offen Ausdruck. Es genügt in der Beziehung<lb/> an die bekannte Broschüre „Köln, eine innere Gefahr für den Katholizismus"<lb/> zu erinnern, die übrigens in der Zentrumspresse allgemeine Ablehnung fand.</p><lb/> <p xml:id="ID_2213"> Allmählich begann man von einer „Kölner Richtung" zu sprechen und<lb/> stellte in Gegensatz dazu die sogenannte „Berliner Richtung". Beide Begriffe<lb/> leiden daran, daß ihnen eine feste Umgrenzung fehlt, sie also bald in diesem,<lb/> bald in jenem, bald in engerem, bald in weiterem Sinne gebraucht werden.<lb/> Diese Unklarheit war natürlich auch nicht dazu angetan, die Auseinandersetzungen<lb/> versöhnlicher zu gestalten. Im Gegenteil, diese wurden dadurch noch verschärft,<lb/> indem gegen die eine oder andere „Richtung" erhobene Anklagen von Personen<lb/> auf sich bezogen wurden, auf die der Ankläger sie gar nicht bezogen wissen<lb/> wollte. Außerhalb des Zentrums machte sich gar die Auffassung geltend, als<lb/> ob das ganze Zentrum in zwei Richtungen, eine Kölner und eine Berliner,<lb/> zerfalle.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_2214" next="#ID_2215"> Den eigentlichen Anlaß zu den Auseinandersetzungen über den Charakter<lb/> der Zentrumspartei innerhalb derselben hat — abgesehen von dem entfernteren<lb/> Anlaß des Streites auf gewerkschaftlichem Gebiete — der schon vorher erwähnte<lb/> Artikel gegeben, den Justizrat Dr. Julius Bachem im Jahre 1906 (Heft 5)<lb/> der Historisch-politischen Blätter unter dem Titel: „Wir müssen aus dem Turm<lb/> heraus" veröffentlichte. In diesem Artikel findet sich folgende Stelle:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0528]
Strömungen innerhalb der Aentrunisxartci
verletzend, rücksichtslos selbst dort, wo Kleid und Würde des Gegners eine
andere Sprache erfordert hätten. Das erregte vielfach in katholischen Kreisen
Anstoß, speziell auch gerade dort, wo man in der Sache mit dem Blatte
völlig einer Meinung war. Es kam hinzu, daß viele mit der Haltung
des Blattes in einigen den Katholizismus direkt berührenden Fragen, so bei
dem Streit um Schelk, bei der Bewegung gegen den Index, der Gründung der
Münsterschen Kulturgesellschaft usw. nicht zufrieden waren. Weiter wurde es
unangenehm empfunden, daß bei der scharfen Sprache, die die Kölnische Volks¬
zeitung gegen jeden Verstoß auf katholischer Seite gegen den politischen Charakter
der Zentrumspartei und gegen Angriffe auf die interkonfessionelle Gewerkschafts¬
bewegung fand, Verstöße nach der konfessionellen Seite hin, vor allem, wenn
dieselben von christlichen Gewerkschaftlern in führender Stellung ausgingen,
vielfach so überaus zurückhaltend behandelt wurden. Ob zu dieser Haltung
berechtigte Gründe vorlagen oder nicht, kann hier außer Betracht bleiben. Es
kommt in diesem Zusammenhang lediglich auf die Feststellung der Tatsache
selbst an. So kam es, daß die Kölnische Volkszeitung bei manchen allmählich
in den, wenn auch unberechtigten, aber nicht ganz unverschuldbaren Verdacht
kommen konnte, als sei es ihr mit der Vertretung der katholischen Prinzipien
keine rechte Herzenssache mehr. Einzelne gingen soweit, in der Haltung der
Kölnischen Volkszeitung eine direkte Gefährdung des katholischen Glaubens zu
sehen und gaben dieser Ansicht auch offen Ausdruck. Es genügt in der Beziehung
an die bekannte Broschüre „Köln, eine innere Gefahr für den Katholizismus"
zu erinnern, die übrigens in der Zentrumspresse allgemeine Ablehnung fand.
Allmählich begann man von einer „Kölner Richtung" zu sprechen und
stellte in Gegensatz dazu die sogenannte „Berliner Richtung". Beide Begriffe
leiden daran, daß ihnen eine feste Umgrenzung fehlt, sie also bald in diesem,
bald in jenem, bald in engerem, bald in weiterem Sinne gebraucht werden.
Diese Unklarheit war natürlich auch nicht dazu angetan, die Auseinandersetzungen
versöhnlicher zu gestalten. Im Gegenteil, diese wurden dadurch noch verschärft,
indem gegen die eine oder andere „Richtung" erhobene Anklagen von Personen
auf sich bezogen wurden, auf die der Ankläger sie gar nicht bezogen wissen
wollte. Außerhalb des Zentrums machte sich gar die Auffassung geltend, als
ob das ganze Zentrum in zwei Richtungen, eine Kölner und eine Berliner,
zerfalle.
Den eigentlichen Anlaß zu den Auseinandersetzungen über den Charakter
der Zentrumspartei innerhalb derselben hat — abgesehen von dem entfernteren
Anlaß des Streites auf gewerkschaftlichem Gebiete — der schon vorher erwähnte
Artikel gegeben, den Justizrat Dr. Julius Bachem im Jahre 1906 (Heft 5)
der Historisch-politischen Blätter unter dem Titel: „Wir müssen aus dem Turm
heraus" veröffentlichte. In diesem Artikel findet sich folgende Stelle:
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